Als Linkshänder geboren – zum Rechtshänder gemacht
Wer als Linkshänder zum Rechtshänder umgeschult wird, ist sein Leben lang gehandicapt.Was bedeutet Umschulung der Händigkeit?
Grundsätzlich ist Händigkeit, also der Gebrauch der rechten oder linken Hand, Ausdruck einer Dominanz der rechten oder linken Hemisphäre des menschlichen Gehirns. So hat ein Dominieren der rechten Hemisphäre Linkshändigkeit zur Folge, ein Dominieren der linken Hemisphäre entsprechend Rechtshändigkeit. Durch die Umschulung der angeborenen Händigkeit kommt es zu einer Überbelastung der nicht-dominanten Gehirnhälfte und zu einer Unterbelastung der anderen und somit zu Übertragungsschwierigkeiten im Corpus Callosum, dem sogenannten Balken, der die beiden Gehirnhälften miteinander verbindet. Das heißt: Zwingt man einen linkshändigen Menschen, bei allen wichtigen manuellen Tätigkeiten die rechte Hand zu benutzen, hemmt man die – ursprünglich aktivere - rechte Hirnhälfte und überfordert gleichzeitig die schwächere linke Hälfte. Die Umschulung der Händigkeit bedeutet also grundsätzlich einen Eingriff in die Funktionsabläufe im menschlichen Gehirn, und zwar mit dem Resultat, dass die Zusammenarbeit beider Gehirnhälften dauerhaft gestört ist.
Die besonderen Merkmale von Linkshändern
Linkshänder haben normalerweise eine gute räumliche Vorstellungskraft und ein gutes perspektivisches Wahrnehmungsvermögen. Sie denken synthetisch, ganzheitlich und beziehungsreich und bevorzugen die sprachfreie, soziale Wahrnehmung. Ferner neigen sie auch zum strategischen Denken und favorisieren den offenen Führungsstil. Hinzu kommt ihr Ideenreichtum. Wie Studien zeigen, sind zudem sogenannte Inselbegabungen, also außergewöhnliche kognitive Fähigkeiten oder künstlerische und musikalische Talente in der bei Linkshändern dominanten rechten Hirnhälfte angesiedelt. In diesem Zusammenhang soll auch daran erinnert werden, dass zwei der größten Genies in der bisherigen Menschheitsgeschichte, nämlich Albert Einstein und Leonardo Da Vinci, Linkshänder waren.
Die unmittelbaren Folgen der Umschulung
Als primäre Folgewirkung der durch die Umschulung bewirkten Beeinträchtigung der Hirnfunktionen kommt es zu Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Sprachschwierigkeiten, Lese/Rechtschreib/Rechenschwäche, feinmotorischen Problemen und einer Neigung zu Flüchtigkeitsfehlern, Buchstaben- und Zahlenverdrehern. Das heißt: Der Pseudo-Rechtshänder kann genauso gut denken wie ein nicht-Umgeschulter, aber wenn er seine Gedanken ausdrücken will, verspricht er sich, fängt an zu stottern, oder er verliert den Faden. Er fühlt sich dann den anderen unterlegen, wird schweigsam und äußerst vorsichtig, weil er sich nicht wieder durch Versprecher blamieren will.
Mangender schulischer und beruflicher Erfolg
Aufgrund seiner von außen zugefügten Behinderung kann der Pseudo-Rechtshänder – und hier zeigen sich die sekundären Folgen der Umschulung – in der Schule trotz normaler oder sogar überdurchschnittlicher Intelligenz nicht "mithalten", also nicht die Leistungen erbringen, zu denen er eigentlich fähig wäre. Er fällt vielmehr durch Lernstörungen und geringe Leistungsmotivation auf. Manche Pseudo-Rechtshänder gehen deshalb früh von der Schule ab und versuchen später unter großen Mühen, einen "höheren" Schulabschluss auf dem Zweiten Bildungsweg nachzuholen. Andere beißen sich unter großen Qualen bis zum Abitur durch, erleiden dann jedoch beim Studium Schiffbruch. Viele begnügen sich auch von vornherein mit "niederen" Schulabschlüssen und wählen Berufe, in denen sie eigentlich intellektuell unterfordert sind, aber in denen sie wenigstens motorisch mitkommen.
Der Pseudo-Rechtshänder in der Therapie
Aufgrund ihrer psychischen Probleme suchen viele Pseudo-Rechtshänder therapeutische Hilfe. Doch es ist nach Expertenmeinung sehr fraglich, dass der Therapeut die Schwierigkeiten dieser Klienten begreift, wenn niemandem mehr bewusst ist, dass bereits dem Kleinkind die Linkshändigkeit "ausgetrieben" wurde. In der gängigen Psychotherapie suchen also viele umgeschulte Linkshänder Rat und Hilfe, ohne dass den Beteiligten die eigentliche Ursache der Probleme, um die es hier geht, bewusst ist. So kommt es bei der Therapie von umgeschulten Linkshändern sehr häufig zu Fehldiagnosen. Das bedeutet auch, dass sich die Psychotherapie andauernd mit umgeschulten Linkshändern vor allem im Hinblick auf die Sekundärfolgen der Umschulung auseinandergesetzt hat, aber meistens mit der Annahme einer vollkommen anderen, hineininterpretierten Störungsursache. Die sekundären (psychischen) Folgen, die sich aus den primären Folgen der Umschulung der Händigkeit ergeben, wurden mit anderen Worten immer schon durch die Psychotherapie behandelt, jedoch meistens in anderen Zusammenhängen.
Mögliche Fehldiagnose: Asperger-Autismus
Da die Persönlichkeitszüge und Verhaltensmuster von umgeschulten Linkshändern und Asperger-Autisten in einigen wichtigen Punkten übereinstimmen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die psychischen Probleme umgeschulte Linkshänder mit Asperger-Autismus verwechselt werden. Auch Asperger-Autisten sind normal oder sogar überdurchschnittlich intelligent, aber können dennoch nicht die Anforderungen erfüllen, die in Schule, Ausbildung und Beruf an sie gestellt werden. Denn ihre Aufmerksamkeit ist gestört, sie beschäftigen sich lieber mit sich selbst und haben deshalb Lernschwierigkeiten. Sie wirken häufig introvertiert, humorlos und egozentrisch und haben meist schon in der Schule Probleme, sich zu integrieren. Ihre besonderen Schwächen bestehen also in den Bereichen der sozialen Interaktion und der Kommunikation. Auch viele umgeschulte Linkshänder machen in ihrem Leben eine Periode durch, in der sie sich sehr zurückziehen, kaum sprechen und folglich aus Mangel an Übung noch unsicherer werden und noch weniger sprechen. Hier besteht folglich die große Gefahr, dass die Schweigsamkeit und Zurückgezogenheit umgeschulter Linkshänder, ihre Abneigung gegen "Small talk", verwechselt wird mit einer autistischen Kommunikations- und Beziehungsstörung. Hinzu kommt, dass Asperger-Autisten ebenso wie umgeschulte Linkshänder an motorischen Beeinträchtigungen, Ungeschicklichkeit und Koordinationsschwächen leiden. Auch daraus könnten sich Fehleinschätzungen ergeben. Dass diese Gefahr nicht von der Hand zu weisen ist, zeigt eine in den letzten Jahren zu beobachtende inflationäre Zunahme der Diagnose "Asperger-Autismus" bei verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen.
Mögliche Verwechslung mit dem Borderline-Syndrom
Die sekundären Folgen der Umschulung der Händigkeit wie Minderwertigkeitskomplexe und Verhaltensauffälligkeiten können bei umgeschulten Linkshändern auch zu der Fehldiagnose "Emotional-instabile (Borderline)-Persönlichkeitsstörung" führen, da für diese ebenfalls eine gestörte Selbstwahrnehmung sowie Verhaltensstörungen charakteristisch sind. Dabei ist eine gewisse Affinität mit dem Borderline-Syndrom nicht von der Hand zu weisen. So wird auch die Erkrankung an der Borderline-Persönlichkeitsstörung mit einer Beeinträchtigung der Kommunikation zwischen den beiden Gehirnhälften in Verbindung gebracht. Ferner spielen hier traumatische Kindheitserlebnisse eine große Rolle, und eine besonders brutale Umschulung der Händigkeit kann ebenfalls einen schweren Schock auslösen, dessen Folgen den Symptomen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung ähneln. Andererseits wird natürlich eine durch andere traumatische Erlebnisse verursachte Borderline-Persönlichkeitsstörung noch verstärkt, wenn es zusätzlich zu einer Umschulung der Händigkeit kommt.
Verhinderung von Fehldiagnosen
Angesichts der Tatsache, dass psychische Probleme und Verhaltensstörungen, wie sie als primäre und sekundäre Folgen einer Umschulung der Händigkeit auftreten, auch durch eine psychische Erkrankung, oder auch durch einen Mix aus beidem verursacht werden können, bedarf es nach Expertenmeinung eines differentialdiagnostischen Verfahrens, um bei den Betroffenen die wahren Hintergründe ihrer Leidensgeschichte offenzulegen. Es ist jedoch sicherlich ratsam, bei Kindern und Jugendlichen, aber auch bei Erwachsenen, die sich wegen Problemen in therapeutische Behandlung begeben, die den Primär- und Sekundärfolgen der Umschulung der Händigkeit ähneln, zunächst einmal eine Untersuchung auf Umschulung der Händigkeit vorzunehmen.
Politischer und sozialer Sprengstoff
Da, wie gezeigt, der Lebensweg vieler Pseudo-Rechtshänder geprägt ist von der Diskrepanz zwischen schulischem und beruflichem Misserfolg und dem Wissen, nicht "dümmer" oder unbegabter zu sein als die "Erfolgsverwöhnten", kann nach Expertenmeinung umgeschulte Händigkeit mit ihren persönlichkeitsprägenden Folgen letztlich auch zu einem äußerst gefährlichen sozialen Störfaktor werden. Das heißt: Umgeschulte Linkshänder fühlen sich, da ihnen die Ursache ihrer Misere nicht bekannt ist, oft von der Gesellschaft ungerecht behandelt und fragen sich, warum ihnen nicht ermöglicht wurde, die Position im Leben einzunehmen, zu der sie eigentlich befähigt sind. Sie empfinden sich also als Opfer einer nicht rational begründbaren Chancenungleichheit. Manche halten sich vielleicht sogar für berechtigt, sich bei entsprechender Gelegenheit an der Gesellschaft zu rächen. Man könnte in diesem Zusammenhang aufgrund der Beobachtung, dass umgeschulte Linkshänder im Erwachsenenalter Störungen im Persönlichkeitsbild wie Neigung zu eigenbrödlerischem Verhalten, Verschrobenheit und Fanatismus entwickeln können, auch eine Verbindung herstellen zwischen der Umschulung der Händigkeit und einer Anfälligkeit für politischen Extremismus. Es erscheint zumindest plausibel, dass die Umschulung der Händigkeit die Anfälligkeit für radikale Ideologien begünstigt. Auch in der Diskussion über den Islamismus, also den islamischen Fundamentalismus, könnte dieser Aspekt von Bedeutung sein, da in islamischen Ländern die Umschulung von der – dort als unrein geltenden - linken Hand auf die rechte Hand immer noch die Regel ist.
Der beschwerliche Alltag von Linkshändern
Noch ein paar Anmerkungen zu dem oft sehr beschwerlichen Alltagsleben von Linkshändern, also derjenigen, denen eine Umschulung erspart geblieben ist, die aber erhebliche Probleme in einer Welt haben, in der alle Abläufe, und zwar sowohl im Privatleben als auch in der Arbeitswelt auf Rechtshänder zugeschnitten sind. So sind Linkshänder am Arbeitsplatz oft nicht nur benachteiligt, sondern auch ihre Unfallgefährdung gilt als höher. Das heißt: Wenn Linkshänder Arbeiten mit der für sie schwächeren rechten Hand erledigen müssen, weil Werkzeuge und Maschinen für Rechtshänder gestaltet wurden, kann dies zu unnatürlichen Haltungen, Verkrampfungen oder unbequemeren Arbeitsabläufen führen, und daraus resultieren Fehler und Unfälle. Auch diesem Problem wird noch viel zu wenig Beachtung geschenkt. Bis heute befassen sich Bücher und Ratgeber zum Thema Linkshändigkeit überwiegend mit Fragen der Erziehung, Kindheit und Schule, nur selten geht es um Linkshänder im Beruf. Hier die Adresse eines Onlineshops, in dem Linkshänder alles finden, was ihnen wenigstens das Alltagsleben erleichtert:
Fazit
Die Umschulung von Linkshändigkeit auf Rechtshändigkeit ist meines Erachtens ein Problem, das immer noch nicht genügend beachtet wird. Vor allem das Ausmaß dieses Problems und seine sozio-ökonomische Dimension werden immer noch total unterschätzt. So ist die Umschulung nicht nur für die Betroffenen ein persönliches Drama, sondern es entsteht auch ein enormer volkswirtschaftlicher Schaden, wenn etliche Pseudo-Rechtshänder die Schule abbrechen oder in Schule und Beruf unter ihren Möglichkeiten bleiben und folglich die besonderen Begabungen, die Linkshänder besitzen, nicht genutzt werden. Von möglichen politischen Verwerfungen ganz zu schweigen. Aber auch Linkshänder, die nicht umgeschult wurden, sind benachteiligt in einer Welt, die einseitig an Rechtshändigkeit orientiert ist.
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