Wieso wird überhaupt auf eine bestimmte Lebensdauer ausgelegt?

Oder anders gesagt: Baut man ein Gerät so gut wie möglich oder so gut wie nötig?

Die meisten würden wahrscheinlich sagen: "Na, so gut wie möglich." Dummerweise wäre ein "so gut wie mögliches" Gerät unendlich groß, unendlich schwer und unendlich teuer. Man muss also Grenzen setzen und deshalb baut man ein Gerät nur "so gut wie nötig". Man muss nur noch definieren, was genau "nötig" heißt.

Sicherlich könnte man die Grenzen jetzt besonders hoch legen und sagen, man möchte unbedingt ein Gerät bauen, dass mindestens 20 Jahre hält. Doch so einfach ist es meistens nicht, weil man dann schon zu groß, zu schwer oder zu teuer ist. Man kann sich also nur auf einem sehr schmalen Grat bewegen.

Die Badewannenkurve und ihre Bedeutung bei Elektronikgeräten

Eine sehr bekannte Methode, um Ausfallwahrscheinlichkeiten eines Gerätes über seine Lebensdauer darzustellen, ist die sogenannte "Badewannenkurve".

Diese Kurve lässt sich in drei Teile unterteilen:

  • Frühausfälle: Fehlerhafte Bauteile führen meistens zu einem recht frühen Ausfall des Elektronikgerätes. Diese Frühausfälle werden teilweise schon vor der Auslieferung "provoziert", zum Beispiel durch einen sogenannten "Burn-In-Test" (ein Dauertest des Gerätes in einer Klimakammer bei hohen Temperaturen).
  • Zufällige Ausfälle: Manchmal fallen Bauteile entweder wegen einer Vorschädigung, oder wegen Qualitätsschwankungen aus. Diese Ausfälle sind meistens sehr gering. Sie können auf Grund eines Entwicklungsfehlers (wenn beispielsweise ein Bauteil wegen einer falschen Auslegung permanent überlastet wird) aber auch gehäuft auftreten.
  • Altersbedingte Ausfälle: Irgendwann überschreiten Bauteile ihre Verschleißgrenze und falllen dann gehäuft aus. Um diese Art der Ausfälle geht es meistens, wenn das Thema "Geplante Obsoleszenz" diskutiert wird.

Durch gezielte Erforschung der Ausfallmechanismen kann man gerade die altersbedingten Ausfallwahrscheinlichkeiten sehr gut abschätzen. Allerdings handelt es sich dabei immer noch um eine Wahrscheinlichkeit; es kann durchaus sein, dass einzelne Bauteile viel länger als spezifiziert halten.

Und auch wenn man diese Ausfallwahrscheinlichkeiten sehr gut abschätzen kann, kann man das eben nur tun, wenn man die Randbedingungen sehr genau definiert. Doch gerade diese Randbedingungen lassen sich meistens nur sehr schwer definieren.

Die Badewannenkurve

Die Badewannenkurve

Die kritischen Bauteile - Mechanik, Netzteil, Akkus

Welche Bauteile sind in einem Elektronikgerät jetzt überhaupt für die Lebensdauer relevant?

Zuallererst sind das natürlich mechanische Bauteile, die einem Verschleiß unterlegen sind. Auch Heizelemente von Waschmaschinen und Wäschetrocknern verschleißen aufgrund der Tatsache, dass sie sehr hohen Temperaturwechsel unterlegen sind. Diese Temperaturwechsel verursachen einen mechanischen Verschleiß, weil sich Material bei Erwärmung ausdehnt und sich beim Abkühlen wieder zusammenzieht.

Ein bekanntes Verschleißteil bei mobilen Geräten ist der Akku. Jeder Notebookbesitzer kennt das Phänomen, dass der Akku nach einigen Jahren nicht mehr die volle Leistungsfähigkeit besitzt. Leider werden heute Akkus sehr häufig intern eingebaut, so dass ein erheblicher Eingriff in das Gerät notwendig ist, um diesen Akku zu tauschen. Bei günstigen Geräten lohnt sich das dann nicht mehr. Für mobile Geräte ist also der Akku häufig das Bauteil, dass letztendlich die Lebensdauer des Gerätes bestimmt.

Prinzipiell haben auch alle elektronischen Bauteile eine begrenzte Lebensdauer. Bei vielen Bauteilen, wie beispielsweise Prozessoren oder Arbeitsspeicher, ist die übliche Lebensdauer aber so lang, dass sie für einen normalen Nutzer keine Rolle spielt. Flashspeicher, die heutzutage in eigentlich jedem Elektronikgerät mehr oder weniger offensichtlich verbaut werden, haben eine begrenzte Anzahl an Schreibzyklen. Sie spielen normalerweise aber keine große Rolle, weil sie nicht sehr häufig beschrieben werden müssen.

Es gibt jedoch ein Bauteil, dass in jedem (netzbetriebenen) elektronischen Gerät verbaut ist und das immer die Lebensdauer begrenzt: Der Elektrolytkondensator. Er kommt insbesondere in den Netzteilen zum Einsatz und ist aufgrund seines Funktionsprinzips einem Verschleiß unterlegen und ist dabei noch sehr temperaturempfindlich. Immer wieder haben Hersteller Probleme mit diesem Bauteil, welche wahrscheinlich auf eine fehlerhafte Auslegung oder einem Qualitätsproblem des Bauteilherstellers zurückzuführen sind.

Ein typisches Ausfallszenario lässt sich besonders bei Geräten im Dauerbetrieb feststellen: Diese Geräte laufen jahrelang ohne Probleme am Netz. Dann kommt es zu einem Stromausfall (oder man schaltet das Gerät aus irgend einem anderen Grund kurzzeitig ab) und danach geht das Gerät einfach nicht mehr an. Der Grund dafür liegt in den Eigenschaften des Elektrolytkondensators versteckt; bei höheren Temperaturen hat er nämlich bessere Eigenschaften. Solange er auf "Betriebstemperatur" bleibt, kann er seinen Dienst noch erfüllen, obwohl er schon seine Verschleißgrenze überschritten hat. Wenn das Gerät abgeschaltet wird und der Kondensator dabei abkühlt hat er wesentlich schlechtere Eigenschaften und kann seinen Zweck nicht mehr erfüllen. Das Gerät geht also nicht mehr an.

Jetzt ist es ja so, dass diese "Verschleißteile" naturgemäß auch anfälliger gegenüber den oben erwähnten "zufälligen Ausfällen" sind. Wenn man also ein Gerät hat, dass kurz nach der Garantiezeit kaputt gegangen ist, wird man mit großer Wahrscheinlichkeit den Defekt in einer diesen Bauteilen feststellen. Und genau das sind dann die Fälle, die immer wieder in den Medien breitgetreten werden: Man findet einem Defekt in einem "Centbauteil" (wie zum Beispiel den Elektrolytkondensatoren), und schließt daraus, dass der Hersteller diesen genau so ausgelegt hat, dass er kurz nach der Garantiezeit kaputt geht. Nur kann niemand sagen, ob es sich nicht um einen zufälligen Ausfall gehandelt hat.

Wieviele Geräte sind bei Euch kurz nach der Garantiezeit ausgefallen?

Einfluss des Nutzerprofils auf die Lebensdauer

Eine große Frage bei einer Lebensdauerauslegung ist zuerst: Wie nutzt ein typischer Nutzer das Produkt? Es ist ja schließlich so, dass die Lebensdauer eines Gerätes eher in Betriebsstunden angegeben kann als in Tagen nach Kauf. Ein Gerät, das ungenutzt in der Ecke steht, wird sicherlich in den meisten Fällen nicht so schnell kaputt gehen. Aber auch die Angabe nach Betriebsstunden ist nicht so einfach. So werden beispielsweise die Bauteile eines Audioverstärkers viel stärker belastet, wenn man ihn bei hoher Ausgangsleistung (= hoher Lautstärke) betreibt. Meist lässt sich der Zusammenhang aus Betriebsstunden, Belastung und Lebensdauer gar nicht so einfach darstellen.

Bei einem Gerät wie einem DSL-Router oder einem Festplattenreceiver ist das noch relativ einfach. Man kann eigentlich davon ausgehen, dass ein solches Gerät immer am Netz hängt. Trotzdem hat es einen gewissen Einfluss, wie das Gerät beansprucht wird. Ein Festplattenreceiver wird im Aufnahmemodus sicherlich stärker belastet als im Standbymodus. Man wird also zur Definition eines Nutzerprofils ein Verhältnis zwischen Standbybetrieb und tatsächlicher Nutzung angeben müssen.

Bei anderen Geräten wird das aber noch schwieriger. Bei einem Fernseher kann das Nutzerprofil viel stärker schwanken. Der durchschnittliche Deutsche schaut wohl fast 4 Stunden täglich Fernsehen. In einer fünfköpfigen Familie liegt aber die Einschaltdauer des Fernsehers vielleicht bei dem doppelten, während es viele Haushalte gibt, bei denen der Fernseher tagelang gar nicht eingeschaltet wird.

Es gehört also auf jeden Fall zur Aufgabe der Lebensdauerforschung, eine Analyse des Nutzerverhaltens durchzuführen, um überhaupt eine verlässliche Aussage treffen zu können.

Wie wird die Lebensdauer ausgelegt?

Das Nutzerprofil hat also eine erhebliche Auswirkung auf die Festlegung der Lebensdauer. Dabei muss der Hersteller immer auch die Power-User, die ein Gerät besonders intensiv nutzen, im Blick behalten. Gerade diese sind ja eher die Kundschaft, die gerne auch wieder kommt, wenn sie von einer Marke überzeugt sind. Durch früher Ausfälle würde man diese aber abschrecken. Außerdem müsste man damit rechnen, dass die Geräte bei Power-Usern schon in der Garantiezeit ausfallen. Wenn es zu viele Power-User gibt, würden die Garantiekosten explodieren.

Außerdem reden wir, wie oben schon beschrieben, bei einer Lebensdauer immer von einer Ausfallwahrscheinlichkeit. Die große Frage ist: Welche Ausfallwahrscheinlichkeit innerhalb der Garantiezeit lässt man zu? Wenn diese gering sein soll, muss man weiter vorne in der Badewannenkurve liegen. Das heißt aber auch, dass ein Großteil der altersbedingten Ausfälle erst weit nach der Garantiezeit erfolgen.

Die Wahl der Ausfallwahrscheinlichkeit und damit der Lebensdauer ist ein Balanceakt zwischen Bauteilkosten, Garantiekosten und Kundenzufriedenheit. Jeder Hersteller wird hier sicherlich sein eigenes System entwickelt haben. Ein einfaches: "Wir wollen, dass das Gerät so schnell wie möglich nach der Garantiezeit kaputt geht" erscheint nach einer Analyse der Hintergründe unglaubwürdig.

Fazit

"Geplante Obsoleszenz" ist ein komplexes Thema, das in den Medien meist nur sehr oberflächlich behandelt wird. Die technischen Hintergründe werden dabei meist ignoriert, da sie nämlich den gewünschten Aussagen widersprechen würden. Fakt ist, dass unterschiedliche Nutzerprofile eine absichtliche gezielte Begrenzung der Lebensdauer sehr schwierig machen, da man sonst Gefahr läuft, zu viele Ausfälle innerhalb der Garantiezeit zu provozieren. Fakt ist auch, dass in den Medien üblicherweise Einzelfälle dargestellt werden, wobei es sich hier auch um zufällige Ausfälle und nicht altersbedingte Ausfälle handeln kann. Nur in wenigen Fällen gibt es tatsächlich Geräteserien mit Lebensdauerproblemen, die allerdings wahrscheinlich auf einen Fehler zurückzuführen sind.

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