Einführung

Wer sich schon immer gefragt hat, in welcher Realität wir eigentlich leben, was es mit der Wirklichkeit auf sich hat oder wie es Nemo aus der Matrix formuliert: "Irgendwas stimmt nicht in dieser Welt", sollte sich eingehend mit der Quantenphysik beschäftigen.

Im Gegensatz zu Kopernikus, der damals mit seinen Erkenntnissen die Welt ebenfalls revolutionierte, aber zugleich ein schlüssiges Weltbild vorlegte, verwirrt die Quantenphysik nur und lässt viele - vor allem auch philosophische - Fragen offen.

Ein ziemlich cooles Forschungsgebiet, das wirklich an den Fundamenten unserer Vorstellungkraft rüttelt.

Grundlegende Prinzipien der klassischen Physik

Selbst Einstein wollte es zu Lebzeiten nicht glauben oder akzeptieren, dass durch die Ungleichungen von Bell die bis zum damaligen Zeitpunkt in der klassischen Physik als fundamental geltende Prinzipien wie Lokalität und Realismus verletzt werden könnten.

Einstein und viele seiner Kollegen wurden in der Zwischenzeit durch zahlreiche ausgeklügelte Experimente eines besseren belehrt. Das erstaunliche an diesen Experimenten ist, dass die Ergebnisse selbst den klügsten Verstand zum Verzweifeln bringen und jeglicher Intuition entgegen laufen.

Doch was hat es nun mit diesen grundlegenden physikalischen Prinzipien von Lokalität und Realismus auf sich?

Lokalität

Albert Einstein veröffentlichte 1905 das relativistische Kausalitätsprinzip. Diesem Prinzip zufolge dürfen sich kausale Einflüsse nicht schneller als Licht ausbreiten. D.h. ein Ereignis kann ein anderes nachfolgendes Ereignis also nur dann hervorrufen, wenn sich die beiden Ereignisse räumlich so nahe sind, dass die "Wirkung" durch einen von der "Ursache" ausgehender Lichtstrahl erreicht werden kann.

Anschaulich erklärt bedeutet dies: Brennt eine Taschenlampe dann und nur dann wenn ich mich dazu entschließe sie an zu machen, dann muss meine Handlung sie zum Leuchten bringen. Gemäß Einsteins Einsteins Kausalitätsprinzip, das aussagt, dass sich nichts schneller als Licht ausbreiten kann, kann eine Taschenlampe auf dem Mond nicht exakt in jenem Moment zu leuchten beginnen, in dem ich mich auf der Erde frei dazu entscheide, sie anzuschalten bzw. jemandem damit beauftrage sie anzuschalten. Stattdessen muss eine Verzögerung von mindestens 1,3 Sekunden - so lange braucht das Licht zum Mond - vorliegen.

Nichtlokalität schließt - wie es einige Anhänger von Lokalität zu tun pflegen - den überlichtschnellen Informationsaustausch nicht aus. D.h. die Natur könnte also durchaus nichtlokal sein ohne dass sich Signale schneller als Licht ausbreiten. Deshalb führte Bell mit seinem Theorem von 1976 den Begriff der lokalen Kausalität ein. Vereinfacht ausgedrückt besagt dieses Prinzip der gemeinsamen Ursache, dass sich Korrelationen begründen lassen.

Nehmen wir beispielsweise an, Sie und ich haben nie miteinander zu tun gehabt, doch eines Tages machen wir uns plötzlich beide Sorgen über den drohenden Ausstieg von Ruritanien aus der EU. Dann muss es eine gemeinsame Ursache (etwa eine Nachrichtenmeldung) für unsere Gedanken geben. Es muss also eine nahtlos zusammenhängende Kette von Ereignissen existieren, deren jedes das nächste direkt nach sich zieht.

Anders als im Fall seines 1964 veröffentlichten Unmöglichkeitsbeweises, lässt die bellsche Fassung von 1976 keine Alternative zu: Die Natur verletzt die lokale Kausalität. Damit lässt sich das Bellsche Theorem von 1976 auch so formulieren: Entweder werden kausale Einflüsse durch die Lichtgeschwindigkeit nicht begrenzt oder Ereignisse können grundlos korreliert sein.

Lassen sich Korrelationen tatsächlich begründen, wie einige behaupten, so muss man folgern, dass sich kausale Einflüsse schneller als das Licht ausbreiten können. Für diese Vertreter von Nichtlokalität stellt sich die Frage: Warum wird trotz alledem ein Informationsaustausch mit Überlichtgeschwindigkeit verhindert?

Hält man dagegen Einsteins Kausalitätsprinzip für unantastbar, so muss man hinnehmen, dass einige Ereignisse grundlos miteinander korreliert sind. Anhänger von Lokalität stehen damit vor folgender Herausforderung: Wenn Korrelationen nicht notwendigerweise eine Ursache voraussetzen, warum sollten Wissenschaftler dann nach Ursachen suchen?

Realismus

Existiert der Mond auch dann, wenn wir ihn nicht sehen? Diese Frage bringt die Essenz des Realismus auf den Punkt. Die Realitätsannahme besagt, dass ein Experiment nur Eigenschaften der Welt enthüllt, die zuvor schon existiert haben. Jedes Messergebnis bestimmt unmit­telbar vor der Messung tatsächlich existierende Eigenschaften von Objekten, die entweder Teil des beobachteten Objekts oder Teil der Messapparatur sind.

"Wenn niemand nachmisst, hat ein Teilchen dann einen definierten Zustand?" Nicht unbedingt, wie wir wissen, denn laut Quantentheorie kann sich ein solches Teilchen in mehreren, zueinander widersprüchlichen Zuständen zugleich befinden - solange niemand hinsieht. Erst mit dem Messvorgang kollabiert dessen Überlagerung und das Teilchen muss sich für einen Zustand entscheiden.

Quantenteilchen können also so miteinander vermischt und verbandelt werden, dass sie in mancher Hinsicht zu einem System werden und in diesem "verschränkten" Zustand existieren. Die Teilchen haben also keinen realistisch definierten Zustand oder fest definierte Eigenschaften.

Bemerkbar macht sich diese Verschmelzung in Experimenten, bei denen zwei verschränkte Teilchen in unterschiedliche Richtungen geschossen werden und in vielen Kilometern Abstand auf getrennte Messapparaturen stoßen. Unterwegs erfreuen sie sich der oben beschriebenen Überlagerung von Zuständen. Sobald jedoch das eine Teilchen gemessen wird, nimmt nicht nur das Teilchen selbst einen exakten Zustand ein, sondern auch sein verschränktes Gegenstück. Und dies sofort. Egal, wie weit die beiden voneinander entfernt sind.

Natur gegen Einstein: Eins zu Null

Albert Einstein war vermutlich neben Newton einer der bedeutendsten Physiker aller Zeiten. Seine spezielle und allgemeine Relativitätstheorie revolutionierten in den Jahren 1905 bzw. 1915 unsere Vorstellungen von Raum und Zeit. Mit seiner Lichtquantenhypothese leistete Einstein auch grundlegende Beiträge zur Quantenmechanik, konnte sich aber bis zu seinem Tod nicht mit dem Charakter dieser neuartigen Theorie anfreunden. Insbesondere dass auf quantenmechanischer Ebene bestimmte physikalische Ereignisse, wie etwa der radioaktive Zerfall eines Atoms, offenbar vollkommen zufällig und ohne konkrete Ursache geschehen, wollte er nicht wahr haben. Man kann nur noch die Wahrscheinlichkeit dafür berechnen, dass ein Ereignis eintritt, jedoch nicht mehr das Einzelereignis selbst. Dieser Bruch mit Kausalität und Determinismus – den vielleicht wichtigsten Grundpfeilern der klassischen Physik – war ihm nicht geheuer und widerstrebte zeitlebens seinem Instinkt.

Die in den vergangenen Jahren durchgeführten Experimente, in denen die Messungen von Generation zu Generation immer weiter verfeinert wurden, zeigen aber fast ausnahmslos eine Verletzung der Bellschen Ungleichung. Daraus folgt, dass die starken quantenmechanischen Korrelationen zwischen verschränkten Teilchen von einer lokal-realistischen Theorie mit verborgenen Parametern nicht erklärt werden kann, wie von Einstein und seinen Mitstreitern postuliert. Die verwendeten Prämissen Lokalität und Realismus sind in der Quantenmechanik offensichtlich nicht gemeinsam gültig. Einsteins Vorstellung von einer deterministischen lokal-realistischen Natur hat sich damit im Nachhinein als falsch erwiesen, d.h. der objektive Zufall ist wohl ein nicht zu leugnender, unumgehbarer Bestandteil unserer Welt.

Um es mit Einsein's Worten zu sagen: Und ER würfelt doch.

Verwirrende Experimente

"Es stimmt etwas nicht in unserer Welt" - das ist so ziemlich die einzige sichere Aussage, die wir momentan machen können. Denn dort, wo sich Quantenphysik und Relativitätstheorie begegnen, stoßen zwei grundlegend verschiedene Konzepte aufeinander. Kein Modell bringt beide zusammen - und die menschliche Intuition winkt verwirrt ab.

Die Quantentheorie passt nicht mit der Relativitätstheorie zusammen … aber mit ihren Formeln können wir immerhin vieles in der Welt berechnen - auch wenn wir es mit unserem beschränkten Geist nicht verstehen können.

Was hat es nun aber auf sich mit diesen verwirrenden Experimenten?

In den folgenden Abschnitten werden nicht die komplizierten quantenmechanischen Experimente beschrieben, sondern die verwirrenden Resultate anhand von anschaulichen Alltagsbeispielen erklärt. Wer die realen Experimente im Detail verstehen und nachvollziehen möchte, dem seien u.a. die Bücher "Einsteins Schleier" und "Einsteins Spuk" von Anton Zeilinger empfohlen. Nun aber auf zu unseren Beispielen aus dem Alltag!

Das Beispiel mit den Hüten und den Schuhen

In unserem Alltagsbeispiel entscheiden sich zwei bezüglich in der Kleidung verschränkte Personen in einer Umkleide für die Kleidungsstücke Hut oder Schuhe. Die beiden Personen können sich absprechen und sich eine Strategie ausdenken - aber nur in der Umkleide, danach nicht mehr.

Nach ihrer Entscheidung gehen die beiden getrennte Wege und laufen zu den Messgeräten von Alice und Bob, die sehr weit auseinander stehen. Deren Kleidungsmessgeräte können nur zwei Eigenschaften der Kleidung messen und haben deshalb oben und unten eine Öffnung: Wenn die obere Türe geöffnet wird, kann nur gemessen werden, ob die Person einen Hut trägt oder nicht. Wenn die untere Türe geöffnet wird, kann nur gemessen werden, ob die Person Schuhe trägt oder nicht. Durch einen Mechanismus können niemals gleichzeitig beide Türen geöffnet werden. Weiterhin können unsere beiden Experimentatoren Alice und Bob zu einem Zeitpunkt nur jeweils eine Messung durchführen und sie dürfen die Personen vor und nach der Messung nicht sehen oder befragen.

Alice und Bob haben jeweils das gleiche Messgerät auf ihrer Seite und messen unabhängig voneinander zufällig mit dem oberen Fenster die Eigenschaft Hut und mit dem unteren Fenster die Eigenschaft Schuhe. Nach vielen Messungen treffen sich Alice und Bob um ihre Ergebnisse zu vergleichen. Durch den Vergleich wollen die beiden herausfinden, nach welchem Prinzip oder nach welcher Absprache sich die beiden Personen bekleiden. Alice und Bob stellen beim Vergleichen ihrer Resultat folgende Dinge fest:

Regel 1: Wenn Alice und Bob oben messen, dann tragen ca. 9% aller Personenpaare einen Hut.

Regel 2: Wenn Alice oben und Bob unten misst, hat Bobs Person immer Schuhe an, wenn die Person bei Alice einen Hut trägt. 

Regel 3: Wenn Alice unten und Bob oben misst, hat die Person bei Alice immer dann Schuhe an, wenn die Person bei Bob einen Hut trägt.

Mit ein bisschen Nachdenken und etwas Logik kommen Alice und Bob zwangsläufig auf Regel 4.

Regel 4: Wenn Alice und Bob unten messen, müssen mindestens 9% aller Personenpaare Schuhe anhaben. Doch beim Vergleich ihrer Messergebnisse stellen sie fest: Die beiden Personen haben niemals gleichzeitig Schuhe an!!!

Dies ist ein starker Widerspruch zur Annahme, dass die Personen eine fest definierte Kleidungseigenschaft besitzen. Wir fragen uns, wie Regel 4 mit unserer Alltagserfahrung und unseren realen Beobachtungen übereinstimmen bzw. realisiert werden kann?

Eine kleine Änderung in unserem Experimentablauf hilft: Beide Personen befinden sich zu Beginn wieder in der Umkleide. Die Person, die zu Alice geht, kleidet sich normal an. Die Person, die zu Bob geht, kennt die Kleidung des Partners und nimmt zunächst Schuhe als auch den Hut zum Messgerät mit. Die Person befindet sich damit in einem undefinierbaren Kleidungszustand.

Sobald die angekleidete Person bei Alice sieht, welche Türe geöffnet wird, teilt sie dies der Person bei Bob sofort durch lautes Zurufen mit. Die Person bei Bob kennt noch aus der Umkleide die Kleidung des Partners und durch den Zuruf auch die Messgröße des Partners. Sobald die Person mit der undefinierten Kleidung sieht, welche Messtüre bei ihr aufgeht, zieht sie das entsprechende Kleidungsstück nach den Regeln 1 bis 4 ganz ganz schnell an. Damit wären alle Regeln erklärbar.

Doch die Sache hat einen Haken: Wir haben vorausgesetzt, dass sich die Messgeräte von Alice und Bob sehr weit voneinander entfernt befinden - und zwar soweit, dass eine Kommunikation weder per Schall noch per Licht möglich ist. In unserem Beispiel bedeutet dies, dass die Personen nicht kommunizieren können. Wie muss nun das Resultat interpretiert werden?

Das Ergebnis ist nur dadurch erklärbar, dass sich beide Personen bis zur Messung nicht für ein Kleidungsstück entschieden haben. Beide Personen befinden sich somit bis zur Messung in einem undefinierbaren Kleidungszustand. Eine vorherige Absprache in der Umkleide ist ausgeschlossen. Erst im Augenblick der Messung entscheiden sich beide Personen in Abhängigkeit der anderen Person für Hut oder Schuhe. Die Kommunikation zwischen den beiden Personen muss mit sofortiger und instantaner Wirkung ohne Zeitverlust erfolgen, was in unserer klassischen Welt nicht möglich ist. Verschränkung kann in unserem Rollenspiel und somit in unserer Alltagswelt nicht realisiert werden. Das Phänomen der Verschränkung ist in unserer klassischen Lebenswelt nicht erklärbar. Verschränkung ist und bleibt deshalb ein Phänomen in der Quantenwelt.

Einstein kannte die Verschränkung nur aus theoretischen Überlegungen und nannte das Verhalten der Quantenobjekte "spukhafte Fernwirkung". Einstein distanzierte sich eindeutig von dieser Vorstellung und sah die Quantenphysik als unvollständig an. Mit dem Kleiderexperiment bzw. den entsprechenden physikalischen Versuchen können wir Einstein widersprechen: Seine "spukhafte Fernwirkung" bei verschränkten Quantenobjekten ist allgegenwärtig.

Ein Beispiel für Mathematiker: Spencer lässt nicht locker!

Stellen Sie sich ein unmögliches Quadrat vor – ein Quadrat, das in neun kleinere Quadrate unterteilt ist, die jeweils eine 0 oder eine 1 enthalten, so dass die Anzahl von Einsen in jeder Spalte gerade und die Anzahl von Einsen in jeder Zeile ungerade ist. Warum ist das unmöglich? Summiert man alle Einsen in einem solchen Quadrat auf, dann ergibt sich wegen der eben aufgestellten Spaltenregel als Gesamtsumme eine gerade Zahl, denn gerade + gerade + gerade = gerade. Aus der Zeilenregel folgt jedoch eine ungerade Zahl, da ungerade + ungerade + ungerade = ungerade.

Zwei zwielichtige Gestalten, nennen wir sie Spencer und Tracy, behaupten nun, viele solcher unmöglichen Quadrate zu besitzen. Doch als Paula eines sehen möchte, sagt Tracy: "Nein, so funktioniert das nicht. Bei jedem unserer Quadrate werde ich eine Zeile offenlegen und Spencer eine Spalte. Dabei darfst du wählen, welche Zeile und welche Spalte das sein sollen." Paula entgegnet: "Wollt ihr mich für dumm verkaufen? Tracy kann mir jeweils eine seiner vier möglichen Zahlenkombinationen (001, 010, 100 oder 111) geben, und Spencer wird daraufhin eine Zahlenkombination (000, 011, 101 oder 110) auswählen, die der Aussage von Tracy nicht widerspricht. Verlange ich beispielsweise nach der zweiten Zeile sowie der dritten Spalte, und Tracy sagt '001', dann muss Spencer nur eine Zahlenkombination mit einer 1 in der Mitte heraussuchen, also entweder 011 oder 110."

Spencer lässt nicht locker: "Was wäre, wenn ich weder die Antwort von Tracy noch die gestellte Frage hören darf? Wir würden uns weit voneinander entfernt aufhalten, eingesperrt in einem Raum, der alle Formen der Kommunikation unterbindet. Und dennoch werden wir stets widerspruchsfreie Antworten geben." Paula kommt ins Grübeln: "In diesem Fall wäre die beste Strategie, sich vorher Antworten auf alle möglichen Fragen einzuprägen oder zu notieren. Die Antworten von Tracy und Spencer müssen sich – wegen der Randbedingungen hinsichtlich der Zeilen und Spalten – jeweils auf Quadrate beziehen, die sich in mindestens einer der neun Einträge unterscheiden. Wenn ich es nur genügend oft versuche, wobei ich meine Fragen nach dem Zufallsprinzip auswähle, werde ich sie schnell bei widersprüchlichen Antworten ertappen."

Paula stimmt dem Vorschlag zu und stellt ihre Fragen in dem einen, ihr Assistent in dem anderen Raum. Zu ihrem Entsetzen machen Spencer und Tracy in jeder Runde widerspruchsfreie Aussagen. Wie ist das möglich? Kommunizieren sie miteinander, trotz aller Maßnahmen? Nein, sie setzen Paare aus verschränkten Quantenpartikeln ein – jedes Teilchenpaar wurde gemeinsam in der gleichen Weise präpariert und dann eines zu Tracy und das andere zu Spencer geschickt. In jedem Durchgang nimmt Tracy das jeweils nächste Teilchen aus seinem Speicher, misst eine von drei verschiedenen Eigenschaften (je nachdem, welche Zeile Paula sehen möchte) und gibt ihr – basierend auf dem Ergebnis seiner Messung – eine seiner vier möglichen Antworten. Spencer verfährt ebenso mit seinem entsprechenden Quantenteilchen, das mit dem von Tracy verschränkt ist. Durch die Magie der Quantenverschränkung sind ihre Ergebnisse perfekt korreliert und täuschen so ein unmögliches Quadrat vor.

Mögliche Fehlerquellen und Schlupflöcher in realen Experimenten

Die Bellsche Ungleichung zeigt auf eindrucksvolle Weise den unüberbrückbaren Bruch zwischen klassischer Physik und Quantenmechanik. Während es in den letzten Jahrzehnten wegweisende Experimente gegeben hat, steht ein sogenannter ultimativer Bell-Test, der alle technischen Schlupflöcher gleichzeitig schließt, immer noch aus und es gibt eine ganze Reihe von Einwänden, die versuchen, diesen Bruch zu umgehen.

So wie beim Roulettspiel letztendlich alles aus Atomen besteht, könnte ein radioaktives Atom ebenfalls aus noch elementareren Einheiten aufgebaut sein, die deterministischen Gesetzen folgen und den exakten Zeitpunkt des radioaktiven Zerfalls bestimmen. Der Zufall in quantenmechanischen Experimenten wäre nur scheinbar und die quantenmechanische Wellenfunktion nur eine unvollständige Beschreibung der Natur. Es stellt sich daher folgende Frage: Könnte es versteckte Variablen geben, deren Kenntnis eine genauere Vorhersagbarkeit für Quantensysteme ermöglichen würde als die Wellenfunktion? Kann man die Beschreibung der Natur doch wieder auf ein deterministisches Fundament stellen?

Im Jahr 1935 publizierte Einstein gemeinsam mit Boris Podolsky und Nathan Rosen eine bahnbrechende Arbeit, die darauf hindeutete, aber nicht bewies, dass die Wellenfunktion keine vollständige Beschreibung von Quantensystemen sein kann, wenn man am Prinzip der Lokalität festhält.

David Bohm gelang 1952 eine deterministische Formulierung der Quantenmechanik mit versteckten Variablen. Allerdings gibt es in dieser Theorie eine versteckte Kommunikation, die schneller ist als Licht. Da es ohne direkten Zugang zu den versteckten Variablen nicht möglich ist, diese Kommunikation zur Informationsübertragung auszunutzen, wird ein direkter Widerspruch zur Relativitätstheorie vermieden. Aber konzeptuell kann man es als unbefriedigend betrachten, eine Verletzung des Prinzips der Lokalität auf einer versteckten Ebene dulden zu müssen.

Der theoretische Durchbruch gelang erst im Jahre 1964 dem nordirischen Physiker John Bell. Bell stellte sich die Frage, ob jede Theorie mit versteckten Variablen nicht-lokal sein muss, so wie die Bohmsche Mechanik, oder ob doch das klassische Weltbild des lokalen Realismus richtig sein kann. Bell zeigte mit seinem Theorem, dass in der Tat jeder Versuch, die Quantenmechanik mithilfe von lokalen versteckten Variablen zu vervollständigen, im Widerspruch zu den Vorhersagen der Quantenmechanik selbst steht. Damit ist es möglich, experimentell zwischen lokalem Realismus und Quantenmechanik zu entscheiden. Auf diese Weise brachte er ein vermeintlich unlösbares, nahezu philosophisches Problem auf eine dem Experiment zugängliche Ebene – eine Meisterleistung, für die er den Nobelpreis in Physik verdient hätte.

Sind lokale versteckte Variablen damit endgültig widerlegt und ist dieses Kapitel der Physik nun abgeschlossen? Mitnichten! Der Grund liegt darin, dass es in experimentellen Realisierungen stets technische Schwächen gab, die sogenannte Schlupflöcher (Loopholes) offen lassen. Damit haben Anhänger des lokalen Realismus trotz verletzter Bell-Ungleichung weiterhin die Möglichkeit, ihr Weltbild zu verteidigen. Bis vor Kurzem gab es kein Experiment, in dem alle bekannten Schlupflöcher gleichzeitig geschlossen werden konnten. Im Folgenden werden die wichtigsten Loopholes betrachtet und danach die Aussichten auf ein definitives, d.h. schlupflochfreies, Bell-Experiment beleuchtet.

Ingesamt gibt es folgende fünf wichtige Schlupflöcher: das Locality, das Freedom-of-choice, das Fairsampling, das Coincidence-time und das Memory Loophole. Alle wurden schon experimentell geschlossen, aber niemals simultan in ein und demselben Experiment. Während Atome beispielsweise sehr gute Detektionseffizienzen erlauben, ist es schwierig, sie über räumlich große Distanzen zu verschränken. Und wenn man verschränkte Photonen über große Distanzen trennt, dann reduziert sich ihre Detektionswahrscheinlichkeit, weil sie unterwegs durch Streuung oder Absorption verloren gehen.

Locality Loophole (Lokalitätsschlupfloch)

Man muss experimentell sicherstellen, dass die Wahl des Settings auf einer Seite keinen Einfluss auf das Resultat der anderen Seite haben kann und vice versa. Dazu muss das Setting zufällig gewählt und im Sinne der speziellen Relativitätstheorie raumartig vom Messereignis der anderen Seite getrennt werden. Das heißt, die Ereignisse müssen raum-zeitlich so angeordnet sein, dass nicht einmal Lichtgeschwindigkeit für eine etwaige Kommunikation ausreicht. Nur so ist wirklich sichergestellt, dass Alices Resultat A nicht von Bobs Setting B abhängen kann.

Die technische Herausforderung zufällig gewählter Settings unter raumartiger Trennung von der Messung auf der anderen Seite gelang zum ersten Mal im Jahr 1998 an der Universität Innsbruck. Alice und Bob wurden 400 Meter voneinander getrennt und die Wahl der Settings erfolgte durch schnelle Zufallsgeneratoren zu den entsprechenden Zeitpunkten.

Freedom-ofchoice Loophole (Wahlfreiheitsschlupfloch)

Wahlfreiheit bedeutet, dass z.B. die Ausrichtung von Filtern bei einem quantenmechanischen Experiment wirklich zufällig und unabhängig voneinander geschieht und keine unbeabsichtigten Korrelationen auftreten. Doch es bleibt stets ein Lücke: Bei modernen Bell-Versuchen wird der Zufallsgenerator außerhalb des eigentlichen Experiments platziert. Allerdings sagt niemand, dass die Korrelationen nicht schon eine Sekunde vor der Emission des Zufallsteilchens festgelegt wurden – es ist also wichtig, den Zeitpunkt der Erzeugung immer weiter zurückzulegen.

Wenn man annimmt, dass die versteckten Variablen zum Zeitpunkt der Emission nicht in der Quelle selbst erzeugt werden, dann können sie die Settingwahl nicht beeinflussen und auch nicht durch sie beeinflusst werden. Erreicht wurde dieses raumzeitliche Szenario zum ersten Mal vor einigen Jahren bei einem Bell-Experiment auf den kanarischen Inseln.

Dennoch könnte es für die Settings und die versteckten Variablen - also für eine wie auch immer geartete Korrelation - eine gemeinsame Ursache weiter zurück in der Vergangenheit geben. Es gibt daher Überlegungen, für die Settings von Alice und Bob das Licht von zwei verschiedenen Quasaren zu verwenden, die seit Milliarden von Jahren kausal getrennt sind. Hypothetisch findet man aber spätestens im Urknall selbst eine mögliche gemeinsame Ursache.

Dieses Weltbild – genannt Superdeterminismus – ist ein denkbarer Ausweg, den lokale Realisten immer nehmen können. Eine solche Theorie ist nicht falsifizierbar, denn wir lebten dann in einer Welt, in der alles vorher bestimmt ist. Es gibt keinen freien Willen und die gesamte Zukunft, alles was man sieht, macht oder misst ist vorherbestimmt.

Damit wäre eine der Grundannahmen der Physik verletzt, nämlich jene, dass wir Menschen einen freien Willen haben, dass unser Handeln eben nicht vorher bestimmt ist und dass wir der Natur Fragen stellen können, ohne dass sich die Natur darauf einstellt, und uns dann stets eine bereits vordefinierte, situationsangepasste und irreführende Antwort liefert.

Fair-sampling Loophole (Faires Sampling oder Detektoreffizienz)

Bei den Experimenten mit Photonen kann jeder Detektor nur einen Bruchteil der Photonen nachweisen und muss daher annehmen, dass die nicht nachgewiesenen Photonen dieselben Eigenschaften haben wie die nachgewiesenen. Dieses Schlupfloch wird deshalb auch Nachweisschlupfloch genannt und konnte von Rowe im Jahre 2001 geschlossen werden. Hierbei wurden anstelle von Photonen verschränkte Ionen verwendet, so dass alle Ereignisse detektiert werden konnten und damit ein faires Sampling hergestellt war.

Coincidence-time Loophole

Das Coincidence-time Loophole tritt nur bei nicht-gepulsten Experimenten mit Photonen auf. Ähnlich wie beim fairen Sampling geht es darum, dass die Ankunftszeiten der Teilchen unfair programmiert und die identifizierten Koinzidenzen nicht repräsentativ für alle erzeugten Teilchenpaare sein könnten. Das Schlupfloch kann relativ einfach dadurch geschlossen werden, dass man auf Alices und Bobs Seite jeweils vorher fixierte Zeitfenster wählt und eine Koinzidenz dadurch definiert, dass beide Parteien im jeweils gleichen Fenster eine Detektion registrieren.

Memory Loophole (Speicherungs Problem)

Das letzte relevante Schlupfloch ist das sogenannte Memory Loophole. Eine de facto nicht zu vermeidende Tatsache ist, dass sich Alices bzw. Bobs Messgeräte die Resultate der vergangenen Durchgänge merken müssen. D.h. alle Daten der vorhergehenden Messungen sind in einem wie auch immer gearteten Speicher verfügbar und könnten sich irgendwie beeinflussen.

Vermeiden könnte man das nur, wenn man jeden experimentellen Aufbau nur einmal verwendet und sehr viele solcher Experimente gleichzeitig und raumartig getrennt durchführt – praktisch ein Ding der Unmöglichkeit. Zum Glück ändert dieses Problem aber nichts an der Gültigkeit der Bell-Ungleichungen selbst. Man muss nur vorsichtig bei der statistischen Auswertung der Daten sein, weil man nicht mehr von voneinander unabhängigen Durchgängen ausgehen darf. Das Memory Loophole wird geschlossen, indem man hinreichend viele Daten sammelt und diese mit entsprechend ausgeklügelten statistischen Methoden auswertet.

Kann man sich weitere Schlupflöcher vorstellen?

Es gibt in unserer Welt generell eine Reihe von fundamentalen Meta-Annahmen, ohne die das Bell-Theorem nicht funktionieren würde. Beispielsweise müssen die Gesetze der Logik gelten wie etwa der "Satz vom ausgeschlossenen Dritten", der besagt, dass für jede beliebige Aussage entweder die Aussage selbst oder ihr Gegenteil wahr sein muss.

Aber solche Prinzipien – wie zum Beispiel auch der bereits weitere oben angesprochene Superdeterminismus – entziehen sich dessen, was Physiker experimentell kontrollieren bzw. erzwingen können.

Gibt es das perfekte Experiment bei dem alle Schlupflöcher geschlossen sind? 

Ein Team um den französischen Physiker Alain Aspect führte 1982 Versuche mit verschränkten Photonen durch. Darin nutzen die Forscher zwei räumlich voneinander getrennte Detektoren, deren Einstellungen sich änderten, kurz bevor die Lichtquanten nachgewiesen wurden. Auf Grund von Unzulänglichkeiten des Instruments ließen sich die meisten Photonen allerdings nicht detektierten. Deshalb konnte das Schlupfloch der Detektoreffizienz nicht ausgeschlossen werden.

Durch den Einsatz von hocheffizienten Detektoren in Experimenten mit Photonenpaaren ließ sich dieses Schlupfloch 2013 schließen. Doch die Detektoren waren dabei nicht ausreichend weit voneinander entfernt, und auch die Einstellungen änderten sich nicht schnell genug, was das Lokalitätsschlupfloch öffnete: Informationen über die Detektoreinstellung für eines der beiden Photonen könnten mit Lichtgeschwindigkeit zum anderen Detektor übertragen worden sein und dessen Ergebnis beeinflusst haben.

Weltweit arbeiten deshalb mehrere Gruppen daran, das erste Bell-Experiment mit genügend großem Abstand, effizienten Nachweisgeräten und schnell wechselnden Detektoreinstellungen durchzuführen. Ein solches Experiment wäre zwar ein Meilenstein für die Physik, aber würde es wirklich alle Schlupflöcher schließen?

Derzeit bemühen sich mindestens 3 renommierte Forschungsteams um einen definitiven Bell-Test: Eine Gruppe um Ronald Hanson in Delft mit sogenannten Stickstoff-Fehlstellen-Zentren in Diamanten, eine Gruppe um Harald Weinfurter in München mit Atomen und eine um Anton Zeilinger in Wien mit Photonen.

Das Endspiel um den lokalen Realismus hat also bereits begonnen und der entscheidende Durchbruch in diesem spannenden Rennen könnte durchaus noch heuer oder im nächsten Jahr gelingen, vielleicht auch von jemandem, der im Stillen daran arbeitet. Für die Experimentatatoren bleibt es dehalb spannend, da sich die Frage stellt, ob es in Zunkuft Experimente geben wird bzw. ob es prinzipiell überhaupt Experimente geben kann, die alle möglichen Feherlquellen und Schluplöcher ausschließen. Ein definitiver Bell-Test schließt das Weltbild des lokalen Realismus aus, kann aber nichts zum Interpretationsproblem der Quantenphysik selbst beitragen.

Bohmianer werden weiter mit nicht-lokalen versteckten Variablen arbeiten und an einem deterministischen Weltbild festhalten. Anhänger der Viele-Welten-Interpretation werden weiter davon ausgehen, dass bei jeder Messung jedes Resultat verwirklicht wird, und zwar in jeweils einem eigenen neuen Universum. Und Anhänger der Kopenhagener Deutung werden weiterhin davon überzeugt sein, dass das Konzept des Realismus nicht haltbar ist und die Natur prinzipiell indeterministischen Charakter hat. Das Deutungsproblem der Quantenmechanik wird der Physik bzw. der Menschheit deshalb vielleicht für immer erhalten bleiben.

Anmerkung: Im Jahre 2015 soll es den Wissenschfatlern um Ronald Hansen gelungen sein, den ultimativen Belltest durchzuführen.

Nachtrag 2017: In der Zwischenzeit gibt es Experimente, die die Existenz von versteckten Variablen und entsprechenden Schlupflöchern gegen Null gehen lassen...

Auswege und Lösungsansätze

Welches sind nun mögliche Auswege aus diesem experimentellen Dilemma? Die verschiedenen Lösungsansätze sind hier nochmals zusammen gefasst:

  • Es könnte sein, dass die Realität einfach nicht existiert, wenn wir nicht hinschauen: Realismusannahme
  • Es könnte sein, dass weit entfernt Dinge nicht wirklich voneinander getrennt sind: Lokalitätsannahme
  • Es könnte sein, dass unser gesamtes Tun und Handeln vorherbestimmt ist: Superdeterminismus
  • Es könnte sein, dass wir eine falsche Vorstellung von Raum und Zeit haben: Vieleweltenannahme
  • Es könnte sein, dass unsere Logik nicht so funktioniert, wie wir uns das vorstellen: Logikannahme

All diese Möglichkeiten scheinen irgendwo dem gesunden Menschenverstand zu widersprechen - und dennoch... eine Lösung muss es geben...

Manche Physiker vertreten die Ansicht, wir sollten zufrieden sein, wenn die Quantenphysik uns erlaubt, Dinge exakt zu berechnen. Solch eine Ansicht ist zwar legitim, birgt aber immer die Gefahr, etwas Interessante zu übersehen.

Vielleicht müssen wir das Bild aufgeben, dass die Welt mit all ihren Eigenschaften unabhängig von uns existiert. Das würde bedeuten, dass wir durch unsere Entscheidungen einen Einfluss darauf haben, was die Wirklichkeit ist. Und es gibt Hinweise, dass man die beiden Konzepte Information und Wirklichkeit nicht voneinander trennen darf!

In seinem Buch "Einsteins Schleier" bringt Anton Zeilinger diesen Gedanken auf den Punkt: "Wirklichkeit und Information sind ein und dasselbe" - ebenso wie Energie und Masse oder Zeit und Raum. Da die Information durch die Bits als kleinste Informationseinheit ebenso "gequantelt" ist, wie die Zeit oder die Teilchen, ist eine Übertragung der Information auf die Wirklichkeit 1:1 möglich. Das bedeutet, dass man nicht mehr an Information messen kann, als die Wirklichkeit an Information enthält. Deshalb kann man z.B. eben nur Geschwindigkeit ODER Position eines Elektrons ermitteln - und nicht beides zugleich... Dann sonst hätte man mehr an Information gewonnen als im System steckt.

Fazit

Für Albert Einstein, Boris Podolsky und Nathan Rosen waren einige, von der damals noch jungen Disziplin der Quantenmechanik herbeigeführte Konsequenzen, nicht nachvollziehbar. Insbesondere die Tatsache, dass zwei beliebig weit voneinander entfernte, verschränkte Teilchen so perfekt korreliert sein sollen, dass sich das eine Teilchen bei der Messung einer Eigenschaft so verhält, als "wüsste" es im selben Moment um die entsprechende, verschränkte Eigenschaft des anderen Teilchens, bereitete ihnen Kopfzerbrechen. Um ihrem Unbehagen über diese Situation Ausdruck zu verleihen, ersannen sie 1935 ein Gedankenexperiment, an dessen Schlusspunkt die Unvollständigkeit der Quantenmechanik stand: Jene würde zur Beschreibung der Realität nicht ausreichen.

Die Annahmen, die dem Gedankenexperiment zugrunde liegen, sind folgende: Zum einen besitzen Teilchen im Sinne einer objektiven Realität Merkmale auch dann, wenn sie nicht gemessen werden. Diese Eigenschaften liegen in Form verborgener Parameter vor. Zum anderen können sich diese Merkmale nicht über beliebig weite Entfernungen gleichzeitig beeinflussen, wenn die Spezielle Relativitätstheorie Gültigkeit besitzen soll. Die Konjunktion dieser beiden Annahmen wird lokaler Realismus genannt.

John S. Bell entwarf 1964 eine Ungleichung, die ganz allgemein beschreibt, welche Vorhersagen eine lokal-realistische Theorie trifft. Bell zeigte, dass die Quantenmechanik seine Ungleichung verletzt und schloss daraus, dass die Quantenmechanik keine Theorie sei, die auf einem lokalen Realismus basiert. Die von Einstein et al. getroffenen Annahmen könnten zusammen nicht gleichzeitig Gültigkeit besitzen. Seit 1972 wurden entsprechende Experimente zum Test der Bellschen Ungleichung immer weiter verbessert. In nahezu allen Fällen offenbarte sich eine experimentelle Verletzung der Bellschen Ungleichung, womit die von Einstein et al. als befremdlich erachteten Eigentümlichkeiten der Quantenmechanik letztendlich bestätigt werden konnten.

In Folge dessen können wir wohl davon ausgehen, dass die Quantenmechanik nicht-lokale Eigenschaften besitzt. Ob wir auch unser Verständnis von der Natur als etwas objektiv und unabhängig von uns Existierendes modifizieren müssen, worauf die neuesten Ergebnisse hindeuten, wird die Zukunft zeigen. Im Gegensatz zu Kopernikus, der die damalige Weltanschauung ebenfalls revolutionierte, aber mit seiner Erkenntnis, dass sich die Planeten um die Sonne bewegen, gleich eine Lösung in Form des heliozentrischen Weltbildes lieferte, wirft die Quantenphysik nur viele verwirrende philosophische Fragen auf.

Alain Aspect - ein weiterer Quantenwissenschaftler - geht deshalb z.B. noch nicht so weit, der geläufigen Vorstellung von einer realistischen Natur abzuschwören. Es gebe schließlich immer noch nicht-lokale Modelle, die dieselben Vorhersagen träfen wie die Quantenmechanik. Ein Beispiel für ein solches Modell ist die Bohmsche Mechanik. Sie ist eine klassische, realistische und deterministische Theorie mit verborgenen Parametern, deren Voraussagen als ununterscheidbar von denen der herkömmlichen Quantenmechanik gelten.

In der Bohmschen Mechanik können sich raumartig voneinander getrennte Objekte beeinflussen, wodurch auch die starken quantenmechanischen Korrelationen erklärt werden können. Allerdings behagt auch Aspect nicht die Vorstellung einer physikalischen Realität, die instantan von etwas verändert werden könne, das weit entfernt passiere. Insbesondere denkt er in diesem Zusammenhang an die Gültigkeit der Spezielle Relativitätstheorie. Dennoch zieht Aspect die Vorstellung einer existierenden Nicht-Lokalität einer allzu rigiden Abkehr vom Realismus vor.

Philosophische Konsequenzen

Welche Schlüsse ziehen wir aus diesen Experimenten? Was bedeutet dies für unsere Welt und unsere Weltanschauung. Leben wir in der Realität oder sind wir in einer Matrix gefangen? Ist Erklärbarkeit ein fundamentales Bedürfnis des Menschen, das durch die neuesten Erkenntnisse niemals befriedigt werden kann?

Bereits in den 30er Jahren musste man durch Gödels Beweise erkennen, dass die Mathematik weder abgeschlossen, sondern in sich widersprüchlich, ja nicht einmal selbsterklärend ist. Und so scheint es auch mit der Natur zu sein.

Nach vielen Experimenten ist der Lohn der Mühe der Sokratistische Zweifel: Die Menschheit weiß nun mehr – vor allem, dass sie nicht weiß, was sie wissen kann. An welcher Stelle es hakt, lässt sich aus den Ergebnissen nicht ablesen. Vielleicht passt unsere Logik nicht zur Natur. Oder Ereignisse wirken zurück in die Vergangenheit. Oder die Naturgesetze gelten nicht so streng, wie wir dachten. Oder, oder, oder …

Wir müssen also noch ein Weilchen (oder auch eine Ewigkeit) warten und hoffen dass irgendwann ein schlauer Geist auf DIE Lösung kommt und uns vielleicht mit einem neuen Weltbild überraschen wird.

Anwendungsmöglichkeiten der Quantenphysik

Die erste Quantenrevolution im frühen 20. Jahrhundert hat mit dem Welle-Teilchen-Dualismus Erfindungen wie den Transistor oder den Laser ermöglicht, die inzwischen zu den Wurzeln unserer heutigen Informationsgesellschaft gehören. Dank der Ideen von Bell führt uns heute ein weiterer essentieller Bestandteil der Quantenmechanik – die Rede ist natürlich vom Phänomen der Verschränkung – durch die Anfänge der zweiten Quantenrevolution, wozu auch die Quanteninformationstechnologie gehört.

Verschränkte Zustände, realisiert in Form von sogenannten Qubits, bilden als Quantenregister die Grundbausteine zukünftiger Quantencomputer. Für Quantencomputer lassen sich Algorithmen programmieren, die ihre Aufgaben viel schneller ausführen können als herkömmliche Computer.

So besitzt ein Quantencomputer bei der Faktorisierung großer Zahlen einen exponentiellen Geschwindigkeitsvorteil gegenüber seinem klassischen Pendant und kann deshalb "mehr" berechnen wie ein konventioneller Computer.

Weitere Anwendungsfelder für verschränkte Zustände sind die Quantenkryptographie, die eine prinzipiell abhörsichere Kommunikation zwischen zwei Partnern ermöglicht, die Erzeugung von Quantenzufallszahlen, die in der Mathematik eine große Rolle spielen oder das Forschungsgebiet der Quantenteleportation, mit der Zustände von Teilchen augenblicklich auf andere weit entfernte Teilchen übertragen werden können, um nur einige von ihnen zu nennen.

Hans, am 11.07.2016
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