Wer ist Jürgen Schneider?

Utz Jürgen Schneider, so sein voller Name, wurde am 30. April 1934 als Sohn des Bauunternehmers Richard Schneider in Frankfurt geboren, zu dem er ein schwieriges Verhältnis hatte. Nach seinem Abitur studierte Schneider in Darmstadt Bauingenieurswesen. Promoviert hat er allerdings in Staatswissenschaften an der Universität in Graz. Ab 1963 arbeitete Jürgen Schneider in dem Unternehmen seines Vaters. Als dieser sich weigerte, dem Sohn die Unternehmensführung in die Hand zu legen, kündigte Jürgen Schneider kurzerhand und machte sich selbständig. Eine wichtige Rolle spielt auch Claudia Schneider-Granzow, seine Frau, die aus vermögendem Haus stand. Sie, ihr Geld und sein guter Ruf als Bauingenieur sorgten nämlich dafür, dass er problemlos Kredite bekam, obwohl sein Vater alle Hebel in Bewegung gesetzt hatte, dass die Banken seinem Sohn kein Geld geben sollten. Die Firma des Vaters ging übrigens nach dessen Ausscheiden 1998 in Konkurs. Fast ebenso berühmt wie Jürgen Schneider ist vermutlich auch sein Toupet. Dieses begleitete ihn allerdings nicht auf seiner spektakulären Flucht.

Das Betongold des Baulöwen

Das Geschäftsmodell von Jürgen Schneider beruhte darauf, Gebäude, gerne auch alt und historisch, in Top-Lage zu kaufen, aufwändig zu sanieren und anschließend mit Gewinn wieder zu verkaufen beziehungsweise zu vermieten. Schneider kaufte unter anderem in Königstein die Villa Andreae und restaurierte das altehrwürdige Gebäude. Dort hielt er Hof und empfing seine Gäste und Kreditgeber. Heute steht das Gebäude übrigens wieder zum Verkauf, für mehrere Millionen Euro. Jürgen Schneider schaffe es innerhalb von zehn Jahren zum größten privaten Immobilienbesitzer in Deutschland aufzusteigen. 1994 sollte ihm sogar das Bundesverdienstkreuz verliehen werden.

Schneider machte auch im Osten Deutschlands Geschäfte, kurz nach der Wiedervereinigung herrschte dort eine Art Goldgräberstimmung. Vor allem auf Leipzig lag sein Fokus. Dort gehörte ihm unter anderem die Mädler Passage. Die Stadt bietet bis heute Stadtführungen an, bei denen Jürgen Schneider, beziehungsweise die Gebäude, die sich in seinem Besitz befanden, im Mittelpunkt stehen.

Sein Geschäftsmodell beruhte, vereinfacht erklärt, darauf, dass er seine Bauvorhaben aufwertete, noch bevor die Gebäude überhaupt fertiggestellt waren und er Mieteinnahmen erfand, die es gar nicht gab. Ebenso wie Geschosse und Nutzflächen - siehe die mittlerweile abgerissene Zeilgalerie. Außerdem verkaufte er über Treuhandfirmen und Strohleute einfach seine Immobilien wieder zurück an sich selbst und vervielfachte so ungerechtfertigt deren Wert. Denn für seine Luxussanierungen braucht Schneider Geld, sehr viel Geld, das ihm die Banken nur allzu bereitwillig gaben. Diese gewaltigen Summen jongliert er zwischen den Bauprojekten hin und her und zweigte natürlich auch eine Menge Geld für sich ab. 

Die Flucht

Nachdem bei den Banken Anfang 1994 erste Zweifel an der Zahlungsfähigkeit und den Projekten von Jürgen Schneider aufgetaucht waren, fingen die an genauer hinzuschauen. Am 4. April informierte der Baulöwe die Deutsche Bank, dass er möglicherweise zahlungsunfähig wäre - und floh mit seiner Frau Claudia in die USA. Als das Amtsgericht Königstein das Insolvenzverfahren eröffnete, waren die Beiden schon nicht mehr im Land. Vorher hatte er sich allerdings noch schnell 245 Millionen D-Mark auf ein Schweizer Bankkonto überwiesen. Im Mai 1995 wird Schneider schließlich in Miami verhaftet und im Februar 1996 nach Deutschland ausgeliefert. Ein knappes Jahr später wird er offiziell angeklagt.

Der Scherbenhaufen des Jürgen Schneider

Der ehemalige Baulöwe hinterließ einen riesengroßen Scherbenhaufen. Auf über 6 Milliarden D-Mark belaufen sich die Forderungen gegen ihn, rund fünf Millarden D-Mark davon schuldete Schneider den Banken. Es wurden zwar einige seiner Immobilien verkauft, trotzdem bleiben viele Gläubiger, vor allem Handwerksbetriebe, auf ihren Forderungen von rund 2,4 Milliarden D-Mark sitzen. Zahlreiche Betriebe mussten daraufhin schließen oder Mitarbeiter entlassen. Legendär ist der Spruch des damaligen Deutsche Bank Chefs Hilmar Kopper, als er offene Handwerkerrechnungen in zweistelliger Millionenhöhe als "Peanuts" abtat - was die geprellten Handwerker eher weniger gut fanden. Allerdings versprach Kopper, dass die offenen Rechnungen beglichen werden. Später wurde "Peanuts" dann als Unwort des Jahres gekürt. Kopper verstarb 2021 mit 86 Jahren. Jürgen Schneider wurde 1997 wegen Betrugs, Kreditbetrugs und Urkundenfälschung zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt. Das Urteil fiel auch deswegen relativ mild aus, weil der vorsitzende Richter eine Mitschuld der Banken erkannt hatte. Nur allzu willig wurden dem Baulöwen Kredite gewährt, allerdings ohne genau oder im schlimmsten Falle gar nicht zu prüfen. Denn mit jedem Kreditvertrag flossen auch fette Provisionen.

Was macht Jürgen Schneider heute

1999 wurde Jürgen Schneider auf Bewährung aus der Haft entlassen und schrieb anschließend drei Bücher, darunter eine Autobiografie. Seine Zeit in Haft sieht der einstige Baulöwe übrigens nicht unbedingt negativ. Natürlich war die Zeit im Gefängnis hart, hat ihn aber auch auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

Sein Vater Richard Schneider starb während seiner Haftzeit. Obwohl er ihn enterbt hatte, versuchte Schneider trotzdem an ein Drittel des Erbes heranzukommen (Quelle: der Spiegel). 

2010 stand der ehemalige Baulöwe übrigens wegen Betrug erneut vor Gericht. Das Verfahren wurde vier Jahre später eingestellt. Jürgen Schneider lebt heute zurückgezogen und lehnt Interviewanfragen ab. Nach eigenen Angaben berät er kleinere Firmen im Baubereich.

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