Erstes Feld: Der Offene Bereich

Der sogenannte Offene Bereich umfasst Tatsachen und Verhaltensweisen eines Menschen, die ihm und seinem Umfeld gleichermaßen bekannt sind, zum Beispiel:

Herr XYZ ist ein begeisterter und erfolgreicher Sportschütze.

Selbst- und Fremdwahrnehmungen stimmen in diesem Fall also völlig überein. Der Offene Bereich ist dennoch kein generell erstrebenswertes Szenario, denn jeder Mensch benötigt auch im Denken und Verhalten den Rückzug in eine gewisse Privatsphäre, wie sie das zweite Feld des Johari-Fensters beschreibt.

Zweites Feld: Der Verborgene Bereich

Im Verborgenen Bereich finden sich Denkweisen und Vorlieben wieder, über welche lediglich der Betreffende selbst informiert ist. Das können beispielsweise Zwangsvorstellungen oder unauffällige Macken sein. In die Selbstbewertung fließt das Wissen um solche sinnbildlichen "Leichen im Keller" natürlich mit ein. Die Mitmenschen hingegen wissen davon nichts und kommen daher zu einer anderen Einschätzung des Betreffenden.

Es gibt jedoch auch Verhaltensweisen, von denen man lediglich glaubt, dass sie andere Personen nicht bemerken:

Mitarbeiter X schafft es täglich, sich ganz zufällig vor einer unangenehmen Arbeit zu drücken.

Er selbst mag das als unauffälligen Spleen ansehen. Die Kollegen jedoch haben dieses Verhalten längst registriert und machen sich vielleicht sogar heimlich darüber lustig. Theoretisch gehört ein solcher Fall also in den Offenen Bereich.

Drittes Feld: Der Blinde Fleck

So paradox es auch klingt: Es gibt Verhaltensmuster, die man an sich selbst noch nicht festgestellt hat. Die Umwelt hingegen weiß darüber bestens Bescheid. Ein Klassiker auf diesem Gebiet ist das Verhalten von Suchtkranken, denen ihre Abhängigkeit noch nicht bewusst ist:

Nach zweistündiger Teamsitzung wird Frau K. zunehmend unruhig und greift schließlich zur Zigarette.

Die Ursache dieser Nervosität ist allen anderen Anwesenden vermutlich klar. Frau K. selbst hingegen registriert nicht, dass sie den Nikotingenuss zur Entspannung braucht. Für sie ist das Rauchen lediglich eine gesellschaftlich normale Erscheinung, an der sie sich eben auch beteiligt...

Viertes Feld: Unser Unterbewusstsein

Das vierte Feld des Johari-Fensters umfasst Verhaltensweisen und Veranlagungen, von denen der Betroffene und sein Umfeld gleichermaßen nichts ahnen. Dieser sogenannte Dunkle Bereich erscheint am bedrohlichsten, denn sein Inhalt wird erst in Extremsituationen offenbar. In der Praxis manifestiert sich dies durch Nachrichtenbeiträge folgender Art (fiktiver Bericht):

Berlin. Ein Familiendrama ereignete sich am vergangenen Donnerstag im Berliner Umland. Weil seine Frau die Scheidung einreichen wollte, lief ein 45 Jähriger Amok und zündete das Eigenheim der Familie an. Die Frau sowie beide Kinder konnten leicht verletzt aus dem brennenden Haus geborgen werden. Der Täter flüchtete und versuchte, sich vor einen fahrenden Zug zu werfen, was durch das beherzte Eingreifen eines Bahnarbeiters jedoch verhindert wurde...

Die meisten Menschen glauben von sich, dass sie zu solch furchtbaren Dingen nicht fähig sind. Dennoch geschehen ganz ähnliche Vorfälle immer wieder, obwohl der Täter selbst dies vorher nie für möglich gehalten hätte. Auch die anschließend gern interviewten Nachbarn äußern dann oft: "Das war nicht zu erwarten... Er hat sich freundlich und aufopferungsvoll um seine Familie gekümmert... Nichts hat darauf hingedeutet..."

Der Dunkle Bereich des Johari-Fensters entzieht sich zwar weitgehend unserer Kontrolle. Er ist aber zumindest indirekt beeinflussbar, denn unser Unterbewusstsein wird davon geprägt, was wir bewusst tun und aufnehmen. Jugendliche Amokläufer an Schulen haben sich beispielsweise zuvor häufig mit gewaltverherrlichenden Computerspielen befasst.

 

Anwendungsbereiche des Johari-Fensters

Die Erkenntnisse aus dem Johari-Fenster finden heute in vielen Bereichen der Psychologie, u. a. Einzel- oder Gruppentherapien, Anwendung. Erreicht werden soll damit beispielsweise, dass die Betreffenden sich "öffnen" und somit weniger Energie für Geheimhaltungsstrategien aufwenden müssen.

Über sich selbst kann man zudem neue Erkenntnisse gewinnen, indem Abwehrmechanismen gegen die Beobachtungen anderer (Leugnung, Gegenangriff, Vorwürfe) reduziert werden. Auf diese Weise verringert sich der eigene Blinde Fleck und bewirkt somit eine realistischere Selbsteinschätzung.

Donky, am 15.01.2020
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