"Black Box": Makabre Kurzgeschichten von Joe Hill
Stephen Kings Sohn Joe Hill legt mit "Black Box" seinen ersten Kurzgeschichtenband vor. Das Ergebnis: Bizarre Storys im Stile von Roald Dahl.Joe Hills "Black Box"
Mehr Roald Dahl, als Stephen King
Zwei wichtige Informationen vorab: Ja, Joe Hill ist tatsächlich Stephen Kings Sohn! Und, nein: Seine Texte biedern sich nicht an die berühmten Elaborate seines Erzeugers an. Vielmehr fand der 1972 geborene King-Spross schon früh seine ganz eigene Sprache und seinen unverwechselbaren Stil, der ihm unter anderen den Bram-Stoker-Award einbrachte.
"Black Box" ist seine erste Kurzgeschichtensammlung, mit der er ein furioses Literaturdebüt hinlegte. Doch auch wenn seine Werke in die "Horror"-Kategorie eingeordnet werden: Trotz einer gewissen Nähe zum Genre tauchen sie niemals in die blutigen Gefilde des Horrors ein. Am ehesten lässt sich eine literarische Verwandtschaft zu den mitunter makabren, grimmig-humorigen Kurzgeschichten eines Roald Dahl feststellen.
Black Box: Pop Art
Alleine die Geschichte "Pop Art" lohnt bereits den Erwerb von "Black Box". Darin wird die im wahrsten Sinne des Wortes zerbrechliche Freundschaft eines Jungen mit Art geschildert, der an einem bizarren Gendefekt leidet, der ihn so federleicht und gleichzeitig verletzbar wie einen Luftballon werden ließ. Natürlich stellt die triste Realität diese Freundschaft auf harte Proben. Denn Art ist an der Schule ein ganz besonderer Außenseiter, der sich seiner hauchdünnen Haut nicht erwehren kann.
Joe Hill vermeidet jedoch allzu rührselige Szenarien und schildert nicht nur die dunklen Seiten in Arts Leben, sondern auch die Freuden des "Freaks", der letztendlich nur das möchte, wonach sich alle anderen Menschen auch sehnen: Frieden und Respekt. Eben jenen Frieden findet Art auf reichlich ungewöhnliche Weise, was diese Geschichte zu einer sowohl berührenden, als auch witzigen Parabel auf die Nöte eines Außenseiters macht.
Kafka und Van Helsing
Seine Einflüsse und Vorlieben verbirgt Joe Hill nicht, sondern streicht sie sogar heraus. Beispielsweise mit dem Text "Der Gesang der Heuschrecken", in dem sich ein Junge in ein Insekt verwandelt. Kafkas "Die Verwandlung" stand zwar Pate, erfährt in Hills Adaption jedoch eine drastisch dunklere Note, die – so absurd es angesichts dieser Verwandlung auch klingen mag – nur allzu menschlich erscheint. Denn weshalb sollte ein sein Leben lang gedemütigter junger Mensch seine neuen, schier übermenschlichen Fähigkeiten per se für das "Gute" verwenden, wenn er es doch endlich all seinen Peinigern heimzahlen kann?
In den weiteren Geschichten tummeln sich bekannte fiktive Charaktere wie Van Helsing oder sogar reale Persönlichkeiten wie Regie-Legende George Romero, der kurzerhand zum Nebendarsteller in einer Zombie-Romanze umfunktioniert wird. Einige schwächere Geschichten trüben den überaus positiven Gesamteindruck von "Black Box" nur unwesentlich. Schließlich ist die Trefferquote an gelungenen Texten erstaunlich hoch, was man von Stephen Kings jüngeren Werken nicht gerade behaupten kann. Der "King of horror" muss achtgeben, nicht vom eigenen Nachwuchs literarisch ausgebremst zu werden.
Titel: Black Box
Autor: Joe Hill
Verlag: Heyne Taschenbuch
Veröffentlichung: 1. November 2007
Seitenanzahl: 512 Seiten
Preis: € 9,95
Bildquelle:
Karin Scherbart
(Asterix bei den Pikten – Rezension)