Vorstellung des Oekom Verlags

Im Oekom Verlag in München erscheinen Bücher und Zeitschriften mit dem Ziel, einer zukunftsfähigen Gesellschaft neue Wege aufzuzeigen. Seit über 20 Jahren hat sich der Verlag der Umwelt und Nachhaltigkeit verschrieben und zählt diesbezüglich heute zu den führenden Verlagen im deutschsprachigen Raum. Nicht nur die Veröffentlichungen des Oekom Verlags drehen sich um Umweltschutz und Nachhaltigkeit, sondern der gesamte Produktionsablauf und der Arbeitsalltag der Mitarbeiter einschließlich der Büroarbeiten und –materialien folgen diesem Prinzip.

Wer sind David Suzuki und Wayne Grady?

David Suzuki, geboren 1936, lehrte bis 2001 als Professor für Genetik an der University of British Columbia in Kanada. 2009 erhielt er den Alternativen Nobelpreis für sein Lebenswerk. Er ist nicht nur Biologe, sondern auch Umweltaktivist, wobei er vor allem Regierungen mangelndes Einschreiten gegen Umweltschädigungen vorwirft. In Kanada genießt Suzuki hohe Popularität, auch durch die von der CBC (Canadian Broadcasting Corporation) ausgestrahlte und von ihm moderierte Sendung "The Nature of Things". 

Wayne Grady, geboren 1948, arbeitet in Kanada als Schriftsteller, Essayist und Übersetzer. Für mehrere seiner Werke erhielt er Auszeichnungen. Den Schwerpunkt seines Schaffens bilden naturwissenschaftliche Themen.

Hat noch jemand bei diesem Buch mitgemischt?

Ja, und sie sollen nicht wie leider immer noch zu oft in Buchbesprechungen verschwiegen werden: der Illustrator und die Übersetzerin. Robert Bateman zaubert mit seinen beinahe schon fotorealistischen Zeichnungen optische Waldatmosphäre ins Buch. Eva Leipprand schuf eine Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch, die hohen Lesegenuss bietet.

Die Entscheidung für gerade dieses Buch und Gedanken beim Warten auf das bestellte Exemplar

Vor ein paar Wochen war es mal wieder so weit: Neugierig sah ich mich bei BloggdeinBuch.de nach einem neuen Rezensionsexemplar um. Das Stöbern dauerte dieses Mal nur kurz. Das da! "Der Baum", Untertitel: "Eine Biografie". Die Idee einer Baum-Biografie fand ich sofort faszinierend. Das war mal so etwas ganz Anderes. Das Buch mit etwas über 200 Seiten versprach ein außergewöhnliches Leseerlebnis. Ein mehrere Jahrhunderte dauerndes Leben einer Douglasie vom ersten Keimen bis zum Tod würde sicher Begebenheiten liefern, die das Aufschreiben lohnten. Die umliegende Pflanzen- und Tierwelt trägt ihren Teil bei. Dazu erwähnt die knappe Inhaltsangabe "… zahlreiche Ausflüge in die Kulturgeschichte der Menschheit und die Evolutionsgeschichte unseres Planeten …" und den "… Blick darauf, wie alles mit allem zusammenhängt …". Ich bewarb mich um das Buch und hatte Glück. Eine E-Mail kündigte mir den Versand an. Ich freute mich. 

Plötzlich beschlichen mich leise Zweifel. War meine Wahl gut? Was, wenn ich mir falsche Vorstellungen machte? Konnten die Wissenschaftler eine Baumbiografie wirklich so verfassen, dass beim Lesen keine Langeweile aufkam? Was, wenn ständig das Herabfallen trockener Tannennadeln dieser Koniferenart namens Douglasie erörtert wurde, die mal auf den Waldboden, ein andermal zunächst auf dem Rücken eines Käfers landeten. Ab und zu gab es Besuch von einem Specht, der mal mehr, mal weniger intensiv die Rinde abklopfte. So ähnlich erstreckte sich vielleicht die Baumbiografie mit ihren Höhen und Tiefen über endlos erscheinende Seiten und die Ausflüge in Evolution und Kulturgeschichte waren womöglich doch nur kurze Trips. So groß war die Konkurrenz der Mitbewerber um ein Rezensionsexemplar durch "Blogg dein Buch" dazu nicht. Zu Recht?

"Der Baum" als gebundene Ausgabe oder als E-Book
Der Baum: Eine Biografie
Der Baum: Eine Biografie

Die Baum-Biografie - Inhalt

Erstes Hineinsehen nach dem Auspacken zerstreut die Besorgnis der letzten Tage. Was für ein tolles Buch! Das hat glatt das Zeug zum Pageturner. So poetisch kann Wissenschaft sein! Wer dieses Buch gelesen hat, wird nie wieder durch einen Wald spazieren wie früher. 

Im Mittelpunkt dieses Wissenschaftsromans steht die Douglasie. Das Buch beschreibt ihr Dasein vom ersten Austreiben über ein langes Leben hin bis zu ihrem allmählichen Absterben, das sich ebenfalls über viele Jahre erstreckt. Insgesamt geht es um knapp 700 Jahre  - beginnend zur Zeit des englischen Königs Edwards I. und ungefähr endend beim Börsencrash am Schwarzen Freitag im Jahre 1929. 

Die Douglasie ist nicht allein. Sie befindet sich in der Gesellschaft anderer Bäume, wobei das Wort Gesellschaft nicht nur die räumliche Anordnung bedeutet. Bäume als Lebewesen verharren zwar angewurzelt auf der Stelle, an dem ihr Samen sich niederließ. Sie können nicht vor Gefahren davonlaufen oder aus eigener Kraft mit ihren Zweigen zuschlagen. Doch Bäume kommunizieren über Düfte miteinander. So warnt zum Beispiel ein von Schädlingen befallener Baum seine Nachbarbäume, die daraufhin spezielle Stoffe zur Schädlingsabwehr produzieren. Bäume werden als soziale Wesen geschildert, ohne sie dabei jedoch zu vermenschlichen. Statt dessen kommt die Bemerkung, wer einen einzelnen Baum verstehen möchte, müsse zunächst den Wald als Ganzes verstehen. Die Baumwurzeln verweben sich mit einem unterirdischen Pilzgeflecht, um so zum beiderseitigen Nutzen Nährstoffe abzugeben und zu verwerten. Vögel, Säugetiere, Insekten und Echsen sind ebenfalls nicht einfach deshalb im Wald, weil sie es dort so schön finden, sondern um hier außer eigener Vorteilsnahme selbst wichtige Aufgaben zu erledigen. Die Autoren beschreiben sehr anschaulich, wie ausgewogen alles mit allem zusammenhängt. Der Leser erfährt unter anderem, dass der aktuell großflächig betriebene Kahlschlag in Regenwäldern viel weitreichendere Folgen haben wird als den in Medien hauptsächlich diskutierten Verlust von Wasserspeichern und Sauerstoffproduzenten. 

Erinnerungen an den Biologieunterricht werden wach, wenn von Palisadenzellen, Schwammgewebe, Spaltöffnungen und Chloroplasten die Rede ist. Die Fotosynthese ist so knapp und treffend ohne Schaubilder und Formelballast erklärt, dass auch Biologiemuffel diese Textpassage nicht überspringen werden. Der Leser erfährt neben anderem auch genau, wie ein Baum von innen aufgebaut ist, wie Wasser und Nährstoffe ihre Ziele erreichen und woher Wurzeln und Stamm "wissen", welche Richtung sie beim Wachsen nehmen müssen. Faszinierend ist dazu der Vergleich zwischen Hämoglobin und Chlorophyll mit verblüffenden Ähnlichkeiten und wichtigen Unterschieden, wozu hier noch nichts näher verraten werden soll. Genauso soll es den Lesern des Buches "Der Baum" vorbehalten bleiben zu erfahren, welche Verbindung zwischen Salamandern und Asbest besteht. 

Neben den Eigenschaften und Aktionen rund um die Douglasie und ihre Nachbarn im Pflanzen- und Tierreich gibt es zahlreiche fesselnde Exkursionen in andere Wissensgebiete wie die Evolution, historische Begebenheiten oder menschliche Kulturtechniken wie zum Beispiel den Buchdruck. Immer wieder gibt es Neues zum Staunen: Im Geäst einiger Bäume betreiben Riesenameisen regelrechte Blattlausfarmen, in denen sie Herden von Blattläusen halten, um diesen regelmäßig den Honigtau abzumelken. Farne sehen nicht nur wie primitive Bäume aus, sie sind es auch, und genau sie sind die Vorfahren der Koniferen, zu denen ja auch die Douglasien zählen. 

Weitere Fakten und Erkenntnisse verrät das Buch, das auch als E-Book erhältlich ist.

Kritik

Das Buch ist flüssig geschrieben und zieht mit. Jeder naturwissenschaftlich Interessierte vom Jugendlichen bis zum Erwachsenen wird seine Freude daran haben. Das Buch schafft den Spagat zwischen Roman und Sachbuch ideal. Das Erzählen der Lebensgeschichte eines Baumes und die fächerübergreifenden Exkurse gleiten nie in ein vermenschlichendes Schema ab, sondern verfolgen einen wissenschaftlichen Anspruch, den dennoch Laien gut verstehen und der Fachleute nicht ermüdet. Die Fachausdrücke und lateinischen Bezeichnungen werden stets gut erklärt. Was jedoch spürbar fehlt, ist ein Glossar oder Begriffsregister zum Nachschlagen, am besten mit zugeordneten Seitenzahlen. 

Das fehlende Register ist schuld daran, dass ich dem Buch keine 5 Sterne als Bestnote geben kann, sondern "nur" 4,5 Sterne.

Blogg dein Buch – Bücher zum Besprechen im eigenen Blog gratis erhalten

Wer einen eigenen Blog unterhält, kann sich über Bloggdeinbuch.de um Bücher zum Rezensieren bewerben. Alternativ zum persönlichen Blog ist auch ein Account bei Pagewizz verwendbar, sofern der Autor dort regelmäßig schreibt und mindestens drei seiner Artikel mit einem "Editor's Choice" ausgezeichnet wurden.

 

 

 

 

 

 

 

Dieses Buch stellte mir der Oekom Verlag über "Blogg dein Buch" zum Kennenlernen und Besprechen zur Verfügung. Ganz herzlichen Dank!

Textdompteuse, am 08.01.2013
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Bildquelle:
a.sansone (Kapern - Woher sie kommen, wie sie aussehen und wo sie besonders gu...)
https://pagewizz.com/users/Adele_Sansone (Rosen und die Frage: Dorn oder Stachel?)

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