Joanne K. Rowling - Die Märchen von Beedle dem Barden

Fünf Märchen aus der Zaubererwelt

Im letzten Band der Harry-Potter-Reihe erhält Hermine Granger ein kleines Buch aus dem Nachlass des verstorbenen Professor Dumbledores. Das unscheinbare Buch enthält "die Märchen von Beedle dem Barden", die Harry Potter und seine Freunde dabei helfen, letztendlich Harrys bösen Gegenpart Lord Voldemort zu besiegen. Diese Märchen finden auch in anderen Bänden der Buchreihe Erwähnung. Aus diesem Anlass sollen diese fünf Märchenerzählungen aus der Zaubererwelt - unterlegt mit Anmerkungen des verehrten Professor Dumbledore - nun dem Publikum etwas näher vorgestellt werden.

Der Zauberer und der hüpfende Topf

Vor vielen, vielen Jahren lebte ein alter und gütiger Zauberer, der seine Zauberkunst zum Wohle seiner nichtmagischen Mitmenschen gebrauchte. Egal mit welchen Problemen, Krankheiten und sonstigen Anliegen die Menschen kamen, mit Hilfe seines magischen kesselförmigen Kopftopfs löste er all ihre Probleme. Als er schließlich im hohen Alter verstarb, vermachte er sein Hab und Gut seinem einzigen Sohn, der jedoch im Gegensatz zu seinem Vater weder gütig noch hilfsbereit war. Der junge Zauberer verabscheute alle Nichtmagier und verwehrte ihnen von diesem Tag an die Hilfe, die ihnen vorher sein Vater zuteilwerden ließ. Der magische Kochtopf entwickelte nun ob der Herzlosigkeit seines neuen Herrns ein Eigenleben, indem er seinen Herrn klagend und heulend hinterherhüpfte und ihn damit an die ignorierten Leiden der Mitbewohner erinnerte. Kein Zauberspruch und auch kein Trank half, der Kopftopf verfolgte seinen Herrn unablässig. Erst als der Zauberer sein Fehlverhalten einsah und seinen nichtmagischen Nachbarn die benötigte Hilfe zukommen ließ, gab sich der Topf zufrieden und verrichtete seinen Dienst wieder für seinen Herrn.

Anmerkung: Das Märchen spiegelt jene Zeit im Mittelalter wieder, als Hexen und Zauberer von verblendeten Muggeln verfolgt wurden und sich die magische Gemeinschaft immer mehr von der Welt der Muggel abwendete. Beedle verfasste dieses Märchen als Plädoyer für das friedliche Zusammenleben von Magiern und Muggeln und stellte sich damit gegen das Bestreben einiger Hexen und Zauberer, sich Muggeln und muggelstämmigen oder muggelfreundlichen Personen gegenüber feindlich zu positionieren.

Der Brunnen des wahren Glücks

Es war einmal ein inmitten eines von hohen Mauern geschützten verzauberten Gartens auf einem kleinen Hügel gelegener Brunnen, dessen Wasser angeblich der badenden Person das ewige wahre Glück verlieh. Doch nur eine Person durfte darin baden, um dieses Geschenk in Empfang nehmen zu dürfen. Eines Tages trafen sich die drei leidgeprüften Hexen Asha, Altheda und Amata in dem Gewühl vor den Mauern des Gartens. Als sie durch eine sich plötzlich öffnende Lücke in der Mauer in den Garten gezogen wurden, nahmen sie dabei den unglücklichen Ritter Luckless mit. Die drei Hexen und der Nichtmagier sahen sich auf ihrem Weg zum Brunnen drei Hindernissen gegenüber, die sie anstatt mit Zauber, Kampf und Gewalt mit Tränen, Schweiß und vergangenen Erinnerungen gemeinsam überwinden konnten. Am Brunnen angelangt, besannen sich die Hexen ihrer eigenen Fähigkeiten und überwanden ihr Leid. Sie ließen ihren Gefährten Luckless im Brunnen baden, der als "neuer Mensch" aus dem Wasser trat und um die Hand der Hexe Amata anhielt. Gemeinsam zogen sie schließlich glücklich und zufrieden ihres Weges.

Anmerkung: In diesem Märchen verliebt sich eine Hexe in einen nichtmagischen Ritter und geht mit ihm das Bündnis der Ehe ein. Darüber hinaus erreichen der Muggel und die drei Hexen durch gegenseitige Anteilnahme und Wertschätzung ihr Ziel. Das Märchen stellt somit ein weiteres Plädoyer für das Zusammenleben von Muggeln und Magiern und für die Achtung von muggelstämmigen Zauberern und Hexen dar.

Des Hexers haariges Herz

Ein junger und äußerst attraktiver Hexer verachtete das in seinen Augen lächerliche Verhalten verliebter Menschen und beschloss daher eines Tages, sich mit Hilfe schwarzer Magie seines Herzens zu entledigen. Von diesem Tag an glaubte er, von seinen Emotionen befreit jegliche menschliche Schwäche hinter sich gelassen zu haben. Er widerstand dem Werben der schönsten Frauen und selbst den Tod seiner Eltern nahm er achtlos hin. Der Hexer wurde jedoch älter und seine Weggefährten heirateten und gründeten eine Familie. Doch noch immer fühlte er sich über alles erhaben, bis er eines Tages ein Gespräch zweier Diener mithörte, die ihm ob seiner Unfähigkeit, eine Frau für sich zu gewinnen, bemitleideten. In seinem Stolz verletzt, warb er um eine wunderschöne Frau und umgarnte sie mit schmeichelnden Worten, die jedoch keinerlei Gefühle in sich bargen. Die holde Maid konfrontierte den Hexer mit dessen "Gefühllosigkeit" und fragte, ob er kein Herz in sich trage. Der Hexer führte die Schönheit zu seinem in einer Schatulle gelagerten Herz, das inzwischen regelrecht verdorrt und dazu noch schwarz behaart war, und setzte es wieder in seinen Körper ein. Doch das inzwischen "verkümmerte" Herz ließ ihn ausrasten. In seinem Wahn tötete er die Frau und verlor bei dem Versuch, ihr Herz an Stelle seines Herzens einzupflanzen, sein Leben.

Anmerkung: Dieses Märchen konfrontiert den Leser mit dem Wunsch einiger Zauberer, sich unangreifbar zu machen. Das Herz des Hexers steht symbolisch für das Schaffen von Horkruxen, die es einem schwarzen Magier ermöglichen, einen Teil seiner Seele außerhalb seines Körpers aufzubewahren. 

Babbitty Rabbitty und der gackernde Baumstumpf

Ein hartherziger Muggelkönig hatte den sehnlichen Wunsch, als einziger Zauberer seines Reiches verehrt zu werden und ließ daher die wahren Zauberer und Hexen unbarmherzig verfolgen. Ein hochstaplerischer Muggel machte sich dessen unlauteres Ansinnen zu Nutze und bot sich als Lehrmeister des Königs an. Der reichlich entlohnte "Großzauberer" lehrte ihm einige Tricks, die aber nichts mit wahrer Magie zu tun hatten. Als die Waschfrau Babbitty Rabbitty eines Tages während einer Unterrichtsstunde die seltsam anmutenden Gesten und Beschwörungsformeln des Königs beobachtete, brach sie lauthals in ein gackerndes Gelächter aus. Der in seiner Ehre verletzte König beschloss, während einer öffentlichen Vorführung seine Zauberkunst unter Beweis zu stellen, wobei sein Lehrmeister vom Publikum verborgen die Zauber ausführen sollte. Der des Zauberns nicht mächtige Hochstapler sah die ihm drohende Gefahr heraufziehen und wandte sich an Babbitty Rabbitty, die sich als eine zauberkundige Hexe herausstellte. Sie übernahm schließlich die Rolle des Lehrmeisters und führte für ihn im Hintergrund die Zauber aus. Als aber der König einen toten Jagdhund wiederbeleben wollte, misslang der Zauber, da keine Magie der Welt Tote wieder auferstehen lassen kann.

Der verschlagene Lehrmeister bezichtigte sofort die Waschfrau, den Zauber durch einen Fluch verhindert zu haben. Die nachfolgende Hetzjagd des Königs Vasallen auf die arme Babbitty Rabbitty endete vor einem Baum, der die Verfolger mit einem gackernden Lachen begrüßte. Von der Hexe selbst fehlte allerdings jede Spur. Außer sich vor Wut ließ der König den Baum fällen, doch stattdessen gab jetzt der verbliebene Baumstumpf dieses gackernde Lachen von sich. Der Lehrmeister gestand nun seinen Betrug ein und wurde in den Kerker geworfen. Der Baumstumpf forderte daraufhin den König auf, die Jagd auf die Zauberer und Hexen des Reiches einzustellen, da ansonsten allerlei Ungemach auf ihn zukommen würde. Beeindruckt von der Drohung versprach er, dass von nun an alle Zauberer und Hexen sich ungestört und frei im Reich bewegen dürften. Als sich schließlich der König und das versammelte Volk wieder von dem Baumstumpf entfernten, kroch ein altes Kaninchen mit einem Zauberstab zwischen den Zähnen unter dem Wurzelwerk des Baumes hervor und hoppelte zufrieden von dannen. 

Anmerkung: Das Märchen soll verdeutlichen, dass keine Magie dieser Welt tote Lebewesen wieder auferstehen lassen kann. Die Geschichte birgt allerdings auch einen entscheidenden Fehler: Bei der sich in ein Kaninchen verwandelnden Waschfrau handelt es sich offensichtlich um einen Animagus. Dieser behält zwar seine menschlichen Gedanken auch nach seiner Gestaltwandlung bei, aber nicht die Sprache der Menschen.

Das Märchen von den drei Brüdern

Drei Brüder kamen eines Tages an einen reißenden Fluss. Die zauberkundigen Männer zauberten eine Brücke herbei, die über den Fluss führte. Der Tod höchstselbst sah sich seiner "Ernte" betrogen und trat ihnen in der Mitte der Brücke entgegen. Gevatter Tod war allerdings gerissen. Er lobte die drei Männer für ihre Zauberkunst und gewährte jedem einen Wunsch. Trunken von dem Bedürfnis nach Macht und Stärke wünschte sich der älteste Bruder einen Zauberstab, der ihn unbesiegbar machen würde. Der zweite Bruder ersuchte den Tod um einen Gegenstand, der seine verstorbene Angebete wieder in das Leben zurückholen sollte. Der jüngste Bruder blieb bescheiden und bat darum, dass es ihm doch möglich sei, vor den Blicken des Tods verborgen zu bleiben. So erhielt der Älteste einen mächtigen, aus dem Holz des Elderbaums geschnitzten Zauberstab, der zweite Bruder den Stein der Macht und der Jüngste einen Tarnumhang.

Doch schon bald darauf holte sich der Tod den ältesten Bruder, als dieser zwar im Kampf seine Gegner besiegte, aber kurz darauf während des Schlafs getötet wurde. Der zweite Bruder benutzte den Stein der Macht, um das Mädchen seines Herzens in das Leben zurückzurufen. Doch ihr Herz war kalt und sie blieb stumm, als ob eine unsichtbare Mauer die beiden Liebenden trennen würde. Von einer tiefen Trauer überwältigt, nahm sich der Zauberer schließlich das Leben und wurde von Gevatter Tod in sein Reich geholt. Der jüngste Bruder blieb hingegen lange Jahre von den Blicken des Tods verborgen und legte den Umhang erst im hohen Alter ab, um ihn seinem Sohn zu schenken. Freudigen Herzens hieß er den Tod als alten Freund willkommen und ging mit ihm.

Anmerkung: Diese Geschichte besitzt eine überaus hohe Symbolkraft, zeigt sie doch den Menschen, dass der Tod selbst mit diesen mächtigen Artefakten nicht besiegt sondern lediglich hinausgezögert werden kann. Eine Legende besagt allerdings, dass diese drei "Heiligtümer des Todes" real existieren und in Besitz einer einzigen Person mächtiger als der Tod seien und diesen überwinden können.    

Zusammenfassung / Fazit

Die Märchen von Beedle dem Barden führen den Leser in die bunte Märchenwelt der Zauberer. Rowling versteht es ausgezeichnet, mit dieser Märchensammlung den sieben Bänden ihrer Harry-Potter-Saga einen bunten Anstrich zu verleihen und somit einen endgültigen Schlusspunkt zu setzen. Die einzelnen Märchen sind angenehm zu lesen und geben dem Leser jeweils einen eindeutigen moralischen Fingerzeig. Das "Märchen von den drei Brüdern" spielt eine entscheidende Rolle im letzten Band der Harry-Potter-Reihe, beschreibt es doch so vortrefflich die Heilgtümer des Todes und ihre Bedeutung. Alles in allem sind die "Märchen von Beedle dem Barden" ein Muss für jeden Liebhaber dieser Buchreihe, stellen sie doch gewissermaßen einen amüsanten Abschluss der Reihe dar.

Jeder, der dieses Buch kauft, hilft damit auch Kindern in Not, da der Nettoerlös aus jedem verkauftem Buch der "Children's Voice Kampagne" zugutekommt. Diese Kampagne setzt sich die Verbesserung der Rechte und Lebensbedingungen von Kindern in ganz Europa, insbesondere in Osteuropa, zum Ziel. Unter anderem werden mit den gespendeten Geldern Sorgentelefone sowie Bildungs- und Betreuungsprojekte für benachteiligte Kinder finanziert.

 

Joanne K. Rowling: Die Märchen von Beedle dem Barden. Deutschsprachige gebundene Ausgabe erschienen 2008 bei der CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg. Im Original unter dem Titel "The Tales of Beedle the Bard" erhältlich. Übersetzt von Klaus Fritz. 128 Seiten. € 12,90. ISBN 978-3-55159-999-5   

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