Chopin - Sehnsucht nach Liebe
Frédéric Chopin und George Sand - ein Familiendrama mit historischem Hintergrund. FilmrezensionChopin - Sehnsucht nach Liebe |
Ein seltsames Paar
Chopin stand George Sand zunächst ablehnend gegenüber und ließ sich erst nach und nach von ihr "erobern". Im Film geht dieser Prozess einher mit einem ersten Krankheitsschub – Chopin litt seit seiner Kindheit an der damals unheilbaren Tuberkulose –, der George Sand Gelegenheit bietet, ihre mütterlichen und fürsorglichen Qualitäten unter Beweis zu stellen.
Der Film Chopin – Sehnsucht nach Liebe wirkt zunächst überraschend laut und schrill. Zwischen Chopin und George Sand kommt es schon bald zu heftigem Streit; die Anwesenheit von George Sands beiden Kindern, der neunjährigen Solange und des vierzehnjährigen Maurice, macht die Sache nicht einfacher. Man fragt sich unwillkürlich, warum zwei so gegensätzliche Menschen so lange zusammengeblieben sind und wie Chopin in einer derart aufgeheizten und teils feindlichen Atmosphäre hat arbeiten können. Aber so gut wie alle Details dieser Film-Lebensgeschichte sind historisch belegt, der Regisseur verleiht ihnen nur etwas Farbe und spinnt sie vielleicht hier und da ein wenig fort.
Kein Ferienparadies auf Mallorca
So weiß man aus George Sands eigenen Aufzeichnungen (Ein Winter auf Mallorca), dass die Flucht aus Paris auf die damals touristisch noch unerschlossene Baleareninsel nicht in das ersehnte Liebesidyll führte, sondern die "Familie" mit Unannehmlichkeiten aller Art zu kämpfen hatte, darunter lang anhaltendem Regenwetter – ganz untypisch für Mallorca – und einem Ausbruch der Tuberkulose bei Chopin. Die Familienszenen – Eifersucht des halbwüchsigen Sohnes mit künstlerischen Ambitionen auf den Liebhaber der Mutter, mangelnde Akzeptanz von George Sands sexuell freizügigem Lebensstil bei beiden Kindern – erscheinen nur zu plausibel. Chopin hingegen fühlte sich in seinen Arbeitsmöglichkeiten eingeschränkt. Der Urlaub endet in gegenseitigen Vorwürfen und einem scheinbaren Schlussstrich unter ein fehlgeschlagenes Experiment.
Viele Sommer in Nohant
Man weiß, dass es nicht so endete. Der Film überspringt die nächsten Jahre. Wir treffen Chopin wieder in Nohant, George Sands Sommersitz in Frankreich; Solange ist inzwischen erwachsen und seine ständige Begleiterin. Die ursprünglichen Konflikte sind immer noch dieselben, nun ergänzt um die Eifersucht zwischen Mutter und Tochter.
Neun Jahre Beziehungsstress. Warum? Der private Briefwechsel zwischen Chopin und George Sand wurde größtenteils vernichtet, man ist auf Vermutungen angewiesen. Neben einer anfänglichen Verliebtheit und einer gewissen mütterlichen Fürsorglichkeit betrachtete George Sand Chopin wohl auch als Schmuckstück ihres von Künstlern und Musikern frequentierten Salons. Chopin hingegen fand in den Sommern auf Nohant trotz aller Konflikte ideale Arbeitsbedingungen vor und nicht zuletzt die Freiheit von materiellen Sorgen. Nachdem es 1846 zum endgültigen Bruch zwischen ihm und George Sand gekommen war, verbrachte er die letzten drei Lebensjahre verarmt in seiner Pariser Wohnung. Er starb mit nur 39 Jahren an Tuberkulose.
George Sand und Frédéric Chopin, ca. 1838, von Eugène Delacroix (Bild: By after Eugene Delacroix [Public domain], via Wik)
Maurice, George Sands Sohn (Bild: See page for author [Public domain], via Wikimedia)
Solange, George Sands Tochter (Bild: By Nich kennt [Public domain], via Wikimedia Commo)
Für Neulinge manchmal schwer verständlich
Mir hat der Film beim zweiten Anschauen besser gefallen als beim ersten Mal. Der Schock über das wenig träumerische und zurückhaltende Ambiente ist dann verflogen; außerdem regt er dazu an, sich mit den biografischen Hintergründen zu beschäftigen, die aus dem Film allein nicht immer ganz klar hervorgehen. So ist etwa über die Beziehung zwischen Chopin und Solange in der älteren Literatur nichts bekannt, in neueren literarischen Bearbeitungen wird sie jedoch thematisiert, etwa in Rolf Schneiders Theaterstück Sommer in Nohant und in Roberto Cotroneos Roman Die verlorene Partitur.
Über Musik wird nicht gesprochen
Liest man andere Rezensionen im Internet, so scheint der Film die Gemüter zu spalten: Von einem bis zu fünf Sternen ist alles vertreten. Bemängelt wird oft, der Film beschäftige sich zu sehr mit der Familie George Sands und zu wenig mit Chopins Musik. Das stimmt nur bedingt. Der ganze Film ist von sehr passend ausgewählten Kompositionen Chopins unterlegt, in hervorragenden Interpretationen; andere Filmmusik gibt es nicht. Der Film selbst verzichtet auf mehr oder weniger gescheite und oft auch weit hergeholte Diskussionen über Musik oder das Komponieren, die leicht einen peinlichen Beigeschmack hinterlassen, ohne wirklich etwas zu erklären. Er bietet jedoch ein recht überzeugendes und anschauliches Bild von Chopins Persönlichkeit: narzisstisch, selbstbewusst bis zur Arroganz, gleichgültig gegen die Sorgen und Nöte anderer, alles andere als pflegeleicht und doch irgendwie liebenswert. Wie George Sand einmal bemerkt: "Chopin liebt nichts außer seiner Musik."
Chopin: Der Poet am Piano (Edition Elke Heidenr... | The Chopin Album | Piano Piano Classic mittelschwer - Die 100 schö... |
Bildquelle:
By Cassandra Austen (1773-1845) [Public
('Stolz und Vorurteil' mit Keira Knightly – warum gerade dieser Film?)