Die Familie Frank verlässt Deutschland

Das Angebot, den Aus- und Aufbau der niederländischen Vertretung von Opekta zu übernehmen, nimmt das Familienoberhaupt an. Nach seiner Emigration aus Deutschland wird Otto Frank als Geschäftsführer berufen. Im Februar 1934 folgt die Familie dem Vater nach Amsterdam. Anne, die ältere Schwester Margot sowie die Mutter Edith kommen wohlbehalten in den Niederlanden an. Zunächst leben sie in einem Mehrfamilienhaus am Merwedeplein 37 im neuen Stadtteil Revierenbuurt, bevor sie die Wohnung beziehen, die heute im Anne Frank Haus besichtigt werden kann. 1938 gründet Otto Frank zusammen mit Hermann van Pels eine weitere, im selben Gebäude ansässige Firma: Pectacon. Während der Geschäftsinhalt der Opekta der Handel mit einem Geliermittel für Marmelade ist, stellt die neue Firma Pectacon Gewürzmischungen für Fleischereien her.

 

Spaziergang durch Amsterdam: Ziel - Anne Frank Haus

Amsterdam ist ein beliebter Touristenmagnet. Jährlich strömen tausende Besucher in die reizvolle Altstadt, die die älteste Europas ist. Das lebendige Stadtleben mit viel Kunst und Kultur lockt besonders in Frühjahr und Sommer, ebenso wie Bootsfahrten auf den Grachten. Hausboote schaukeln sanft an ihren Liegeplätzen, Cafés und bunte Blumen schmücken das Straßenbild. Zu den Sehenswürdigkeiten Amsterdams zählt auch die Westerkerk nahe dem Anne Frank Haus. Der Westturm der protestantischen Kirche ist weit sichtbar, so auch für Anne Frank aus dem Versteck in der Prinsengracht 263. Auch das Geläut der Kirchenglocke konnten die Untergetauchten in ihrem Versteck hören. Das ehemalige Versteck im Anne Frank Haus ist seit 1960 ein Museum. Otto Frank, der einzige Überlebende, wurde bis zu seinem Lebensende 1980 nicht müde, auf das traurige Familienschicksal aufmerksam zu machen. Spaziert man heute die Prinsengracht entlang, deutet nichts mehr auf den historischen Einmarsch deutscher Truppen hin. Schwer vorstellbar, dass auch hier die Nazis Tod und Zerstörung brachten. Bedrohlich und beängstigend muss das Donnern deutscher Wehrmachtsstiefel durch die Straßen gehallt haben, dessen Träger Leid und Verderben verbreiteten.

 

Historisches hautnah im Anne Frank Haus

Im Anne Frank Haus werde ich Zeugin der Geschichte. Die Büro- und Lagerräume sind ebenso zu besichtigen wie die Räume des Hinterhauses. Die oberen Etagen dienten als geheimer Unterschlupf. Dort tauchte die Familie Frank am 6. Juli 1942 unter. Der noch original erhaltene schwenkbare Schrank tarnt den Zugang zum Hinterhaus. Wir Besucher schreiten stumm durch diesen Schrank und gelangen in das geheime Versteck. Ich habe ein bedrückendes Gefühl. Ich stehe in diesen schicksalhaften Räumen, sogar im Zimmer von Anne Frank. Sämtliche Fenster sind mit schwarzer Folie abgedunkelt und verschlossen.

 

Die Ausweglosigkeit ist immer noch spürbar

Dunkelheit, so wie einst, zur Zeit der Verfolgung. Aus Sicherheitsgründen. Niemand durfte von der Anwesenheit der Familie auch nur das geringste ahnen. Später suchte noch eine weitere Familie aus Otto Franks Geschäftsumfeld dort Unterschlupf. Zu Acht harrten die Versteckten dort aus. Ich kann die Ausweglosigkeit spüren. Kann mir vorstellen, wie man sich fühlt, 24 Stunden am Tag bei Dunkelheit, ohne Sonnenlicht und frischer Luft, eingeschlossen zu sein. Keinen Mucks von sich zu geben. Und wenn, dann nur im Flüsterton. Eingeweihte Firmenmitarbeiter versorgen die Unglücklichen während dieser Zeit mit Essen und Trinken.

 

Das einzige bekannte Video

Nach der Besichtigung des Unterschlupfs gehen wir weiter und befinden uns in einem Vorführraum. Dort läuft ein Video, in dem Anne Frank für einen kurzen Moment zu sehen ist. Es ist ein zufälliger Schnappschuss, der das Mädchen einfängt, als sie fröhlich das Geschehen beobachtet, das sich gerade vor dem Haus abspielt. Die Aufnahme ist nicht Anne Frank gewidmet, sondern einer jungen Nachbarin, die ihren Bräutigam heiratet. Das Brautpaar und deren Eltern kommen aus dem Haus, in dem auch die Familie Frank zu der Zeit wohnt. Anne Frank lehnt am Fensterbrett und schaut dem Brautpaar erfreut zu. Ich bleibe wie gebannt vor der Leinwand stehen. Die lebendigen Bilder des Mädchens bewegen mich. Bisher waren mir nur Fotos als stumme Zeitzeugen von ihr bekannt.

 

Zittern bis zum verhängnisvollen Abend im August 1944

Am 4. August 1944 morgens um 10.00 Uhr werden alle, die sich im Anne Frank Haus verstecken, verhaftet und deportiert. Man weiß nicht genau, ob die Verhaftung durch Verrat erfolgte. An diesem Morgen jedoch soll ein Anruf bei der Gestapo eingegangen sein. Mehr als zwei Jahre bieten die engen Räume im Hinterhaus der Prinsengracht 263 den Verfolgten Schutz, einen Zufluchtsort. Zwei Jahre, in denen Anne Frank zusammen mit allen anderen weder Tageslicht noch frische Luft erfahren sowie keinen Schritt vor die Tür nach draußen setzen dürfen. Das Risiko der Entdeckung ist zu groß. In dieser Zeit entsteht das Tagebuch der Anne Frank. In Niederländisch verfasst, mit einer feinen und sehr sauberen Handschrift, betrachte ich das geschützt unter Glas liegende außergewöhnliche Zeitdokument.

 

 

Dokumentarfilm - Bildungsarbeit Anne Frank House

Knapp 28 Minuten Filmmaterial über das kurze Leben der Anne Frank. Das Video ist in vielen Sprachen verfügbar und zeigt Einblicke in das Leben der Familie Frank und in das Versteck im Hinterhaus in der Prinsengracht 263 in Amsterdam. Zum Ansehen bitte dem Link folgen.

Das kurze Leben der Anne Frank - Dokumentarfilm Anne Frank House

Besonderes Zeitdokument - das Tagebuch der Anne Frank

Das Tagebuch, was eigentlich ein Poesiealbum war, bekommt Anne Frank als Geschenk zu ihrem 13. Geburtstag am 12. Juni 1942. Das Mädchen beginnt ihre Aufzeichnungen zwei Tage danach und führt es leidenschaftlich bis zum 1. August 1944. Anne Frank erschafft nichtsahnend ein einzigartiges Dokument jener Zeit. Ihre schriftstellerische Begabung trotz des jugendlichen Alters ist unübersehbar. Wäre ihr ein Überleben vergönnt gewesen, hätte sie ohne Frage ihren Zukunftstraum der berühmten und erfolgreichen Schriftstellerin verwirklicht. So aber erlangt einzig die schriftliche Hinterlassenschaft des heranwachsenden jugendlichen Mädchens, einschließlich aufblühender pubertärer Geheimnisse, traurige Berühmtheit. Der Inhalt des unscheinbaren Tagebuches ist Zeugnis ihrer Lebens- und Gedankenwelt und zugleich ein Symbol für den Völkermord an den Juden durch das Nazi-Regime. Schweigend und betroffen, wie alle Besucher in diesem Raum, erblicke ich das berühmte Tagebuch. Fast unscheinbar liegt es vor mir.

 

Das Tagebuch - vertraute Freundin für sensible Geheimnisse und Träume

Wie schwer erträglich muss es für den Vater gewesen sein, nach der Ermordung seiner Tochter durch die Nazis die intimen Gedanken seines Kindes zu lesen? Erst durch diese Zeilen vollends zu begreifen, wer Anne Frank wirklich war. Obwohl beide ein inniges Verhältnis zueinander hatten, offenbarte sich ihm eine Gedankenwelt seiner Tochter, von der er zu ihren Lebzeiten wenig ahnte. Und ich denke an das Mädchen, das ihre Wünsche, Träume und Hoffnungen diesem Buch anvertraute. Deren Bestimmung ein kurzes Leben mit leidvollem Ende vorsah. Deren Schicksal über Jahrzehnte überdauern wird, um stellvertretend für alle vom Holocaust getöteten Menschen zu stehen. Ich betrachte die weiteren Schriften, die dieses wohl hochbegabte und beeindruckende Mädchen während ihres kurzen Lebens verfasste. Dabei taucht vor meinem geistigen Auge ihr lächelndes Gesicht, umrahmt von ihren dunklen Haaren, auf. Weder ihr Gesicht noch die feinfühligen Worte, geschrieben mit unglaublicher Intensität und Weitsichtigkeit, wollen mir aus dem Kopf gehen.

 

Zitate Anne Frank

  • Einmal wird dieser schreckliche Krieg doch wohl vorbeigehen, einmal werden wir doch wieder Menschen und nicht nur Juden sein!

11.April1944

 

  • Mit Schreiben werde ich alles los. Mein Kummer verschwindet, mein Mut lebt wieder auf.

5.April 1944

 

  • Ich weiß, was ich will, habe ein Ziel, habe eine Meinung, habe einen Glauben und eine Liebe.

11. April 1944

 

Aktualisierung aufgrund des Berichts vom Dezember 2016 der Anne Frank Stiftung

Bisher hält sich die Geschichtsschreibung hartnäckig an die Vermutung, die Familie Frank sowie die Mitbewohner der Wohnung in der Prinsengracht 263 seien verraten worden. Auch Vater Otto Frank war lebenslang überzeugt, einem Verrat zum Opfer gefallen zu sein. Nach einer neuen Studie der Anne Frank Stiftung könne die Entdeckung der Unglücklichen mit der Suche nach illegalen Arbeitern sowie Herstellern von gefälschten Lebensmittelkarten zusammen hängen. Dafür spräche, dass der SS Offizier vom Sicherheitsdienst sowie die zwei niederländischen Polizisten, die am verhängnisvollen Abend in der Prinsengracht vorfuhren, weniger zum Aufspüren von Juden, sondern vielmehr mit wirtschaftlichen Vergehen befasst waren. Bereits einige Monate vorher wurden während einer Razzia im selben Haus zwei Arbeiter wegen gefälschter Lebensmittelkarten festgenommen. Anne Frank berichtet in ihrem Tagebuch von diesem Vorfall. Wurden Familie Frank, die Mitbewohner Auguste van Pels, ihr Sohn Peter, Fritz Pfeffer sowie das Ehepaar Herrmann rein zufällig entdeckt?

 

Vermutungen und Thesen ohne handfeste Beweise

Intensive Recherchen und Untersuchungen der Anne Frank Stiftung belegen weder Verrat noch Zufall. Verdachtsmomente gegen den Lagerarbeiter Willem van Maaren lassen sich auch nicht durch zweimalige polizeiliche Ermittlungen nach dem Zweiten Weltkrieg beweisen. Er selbst bestritt den Vorwurf lebenslang. Ferner wurden eine Putzfrau sowie der frühere Geschäftspartner von Otto Frank des Verrats verdächtigt. Auch hier fehlen eindeutige Beweise. Demgegenüber stützt die Tatsache, dass die Ermittler erst nach zwei Stunden Haus- und Lagerdurchsuchung vor dem schwenkbaren Bücherregal standen, die Vermutungen der Anne Frank Stiftung hinsichtlich einer zufälligen Entdeckung. Ferner betraten und verließen mehrere Personen während der Durchsuchung die Räumlichkeiten. Dies wäre bei einer gezielten Aktion zur Verhaftung von Juden definitiv nicht möglich gewesen.

 

Wenn ein Besuch im Anne Frank Haus geplant ist

Das Anne Frank Haus hat täglich geöffnet. Da der Besucherandrang sehr groß ist, ist eine Online-Bestellung der Eintrittskarten empfehlenswert. Für Besucher mit einem Online-Ticket ist das Museum von 9.00 bis 15.30 Uhr zugänglich. Aktuelle Öffnungszeiten, Preise, Adresse sowie Anfahrt findet man direkt bei www.annefrank.org

 

 

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