Das Dartmoor: Mystische Idylle im Westen Englands

Die Straße führt schnurgerade durch Hügelland, auf dem sich ein faszinierendes Schauspiel tanzender Grüntöne abbildet. Wolken und Sonne nützen die Landschaft wie eine Kulisse, um eine Geschichte zu erzählen: Eine Geschichte von Licht und Schatten, von Hell und Dunkel, eine Geschichte von Natur und Einsamkeit.

Kein Wunder, dass ausgerechnet hier "in the middle of nowhere" Anfang des 19. Jahrhunderts ein Gefängnis für die Gefangenen der napoleonischen Kriege erbaut wurde: Wer hier entkommt, muss sich zunächst einmal zur nächsten Ansiedlung durchschlagen − teils über freies Gelände ohne jeden Sichtschutz. Diese Gedanken gehen uns durch den Kopf, als wir zum Städtchen Princetown abbiegen, in dem das Gefängnis bis heute betrieben wird. In Princetown gibt es eine Brauerei, die "Jail Ale" herstellt, ein Gefängnismuseum, Hotels, Pubs, Lebensmittelgeschäfte und eine Touristeninformation, in der wir sehr freundlich Auskunft über in der Nähe gelegene B&Bs bekommen. 

"Clapper Bridge" bei Postbridge

"Clapper Bridge" bei Postbridge

Mit Karten, Prospekten und Proviant ausgerüstet, verlassen wir Princetown wieder. Das riesige Gefängnis verleiht dem kleinen Ort bis heute ein düsteres Gepräge und uns steht der Sinn mehr nach Natur und Idylle. So biegen wir auf ein Sträßchen ab, das uns in den Weiler Postbridge führt, wo wir Quartier im charmanten Beechwood B&B bei Adam und Lynette beziehen. Von dort aus führen uns Wanderungen vorbei an einer 800 Jahre alten "Clapper Bridge" aus Granitsteinen hinaus ins Moor, doch auf den ersten Metern merken wir: Berührungsängste mit großen Tieren darf man hier nicht haben, denn manche der ausgezeichneten Wanderwege führen direkt über umzäunte Weiden der Bauernhöfe. Wir haben Glück, die Rinder und Schafe lassen uns links liegen, nur ein freundliches, großes Bauernpferd trottet neugierig auf uns zu. Die Bauern hier zeigen großes Vertrauen in Wanderer, denn wir müssen viele Gatter öffnen und auch wieder ordentlich schließen. Obwohl es anfängt zu nieseln − mit englischem Wetter ist in England immer zu rechnen −, besteigen wir den höchsten der Hügel und genießen die Weite der Landschaft und die letzten Sonnenstrahlen, die inzwischen schon wieder ihren Weg durch die Wolken finden. 

Etwas ausgefroren erreichen wir schließlich unser gemütliches B&B, wo uns am nächsten Morgen eine Überraschung erwartet: Auf dem Frühstückstischen steht eine Speisekarte. Aus einem Sortiment verschiedener Eier, Würstchen und Speck können wir unser englisches Frühstück zusammenstellen, mit Toast und Marmelade genießen wir ein Frühstück in mehreren Gängen. So etwas hätten wir in einer hübschen, doch preiswerten und einfachen Unterkunft nicht erwartet! Ausgerüstet mit Tipps, wo sie denn am ehesten zu finden wären, machen wir uns schließlich auf die Suche nach den Stars der Gegend, den Dartmoorponys.

Kleine Berühmtheiten: Dartmoor-Ponys

Eine Besonderheit des Dartmoors sind freilaufende Ponyherden. Dabei handelt es sich um keine Wildpferde. Die Ponys haben Besitzer, dürfen sich laut uralter Weiderechte jedoch fast frei im Moor bewegen. Bestimmte Bereiche werden allerdings durch Viehgatter abgegrenzt: Die Bewohner hätten wohl keine Freude, wenn sich nachts eine Horde marodierender Ponys über ihre liebevoll gepflegten Gärten hermachen würde. Wer im Moor unterwegs ist, sieht kleine Herden der grasenden Tiere auf den Hügeln, am Straßenrand und auch einmal auf der Terrasse eines Cafés. Auch wenn es dann schwer fällt: Füttern der Ponys ist streng verboten, da sie sonst lernen, sich in die Nähe der Menschen − und der Straßen − zu begeben. Straßen bedeuten aber Gefahr.

Ein unruhiger Schlafplatz

Ponys, Rinder und Schafe weiden und schlafen oft dicht neben der Straße und manchmal auch direkt auf der Straße. Die Geschwindigkeitsbegrenzung außerhalb der Ortsgebiete ist etwa 60 km/h und dies scheint von vielen eher als unverbindlicher Vorschlag wahrgenommen zu werden. Kein Wunder, dass es immer wieder Verkehrsunfälle mit Tieren gibt! Dieses Jahr sind laut Berichten von Einheimischen schon acht Ponys durch Autos getötet worden. 

Echtes Dartmoor-Pony Fohlen

Echtes Dartmoor-Pony Fohlen

Nicht jedes Pony im Dartmoor ist ein Dartmoor-Pony! Die Herden sind oft sehr bunt mit Tieren in allen Farben, inklusive Schecken. Echte Dartmoor-Ponys sind meistens schwarz oder braun, auch Füchse, Schimmel und Pferde der hierzulande seltenen Farbe "Roan" (weiße und dunkle Haare gemischt) kommen vor. Dartmoor-Ponys haben aber keine großen weißen Abzeichen und es gibt keine Schecken. Wegen ihrer Gutmütigkeit sind sie ideale Kinder-Reitponys. Leider sind sie heute sehr selten geworden, sie gehören zu den vom Aussterben bedrohten Haustierrassen. Laut Wikipedia gibt es weltweit nur noch etwa 3000 echte Dartmoor-Ponys. 

Wissenswertes

Das Dartmoor ist eine etwa 650 Quadratkilometer große Hügellandschaft im Westen Englands. Große Teile sind vom charakterischen Moor- und Heideland bedeckt, auf dem Herden von Schafen, Rindern und Ponys weiden, dazwischen finden sich Wäldchen, kleine malerische Weiler und Farmen. Heute zieht das Dartmoor vor allem Wanderer, Mountainbiker und Reiter an. 

 

Doch Achtung: Ein Teil des Dartmoors ist zweitweise militärisches Sperrgebiet! Wer das Dartmoor auf eigene Faust erkundet, muss sich unbedingt über diese Gebiete informieren! Zudem sollte man nicht verloren gehen und unbedingt auf Wetterumschwünge eingestellt sein!

Das Dartmoor hat nicht nur Natur zu bieten: Zahlreiche prähistorische Funde und Überreste, darunter Steinkreise und Menhire können heute noch besichtigt werden, darunter der Steinkreis am Down Tor. Ein beliebtes Ausflugsziel sind auch die Ruinen von Okehampton Castle. Ausgangspunkt für Besucher, denen der Sinn mehr nach Abenteuern steht, ist das Adventure Okehampton Center. Fachkundige Führer bieten dort Aktivitäten wie Klettern oder Wildwasser-Paddeln an. Familien mit pferdebegeisterten Kindern sollten dagegen beim Miniature Pony Center vorbei schauen.

Das Dartmoor ist fern von Massentourismus: Quartiere finden sich in Form von persönlich geführten B&Bs selbst in den kleinen Weilern, Hotels gibt es zum Beispiel in Princetown, darunter das Duchy Hotel, in dem einst Sir Arthur Conan Doyle logierte und sich zu seinem Hund von Baskerville inspirieren ließ. Wer es luxuriöser mag, kann im Bovey Castle im Norden des Dartmoors Quartier beziehen, hier kann Golf gespielt werden.

Tipp: Das Dartmoor in Film und Literatur

Einöde, uralte Gemäuer, das Spiel von Licht und Schatten, auch die Mystik, die das Land im Nebel verbreitet: All das macht das Dartmoor nicht nur zum Boden schauerlicher Legenden, sondern auch zu einer beliebten Kulisse für Grusel- und Kriminalromane und Filme. Neben dem schon erwähnten Arthur Conan Doyle ließ sich auch Agatha Christie vom Dartmoor inspirieren: Der Kriminalroman "Das Geheimnis von Sittaford" spielt am Rande des Dartmoors. Das Dartmoor wird zudem in ihren Kurzgeschichten erwähnt. Enid Blyton ließ ebenfalls zwei Bände ihrer Jugendbuchreihe "Fünf Freunde" im Dartmoor spielen: "Fünf Freunde im Nebel" und "Das Monster im Moor". Krimifreunde dürfen sich auch auf das Buch "Die Mitternachtsrose" von Lucinda Riley und Sonja Hauser freuen. Das Buch erscheint im Januar 2014 im Goldmann Verlag.

Auch viele Szenen des preisgekrönten Spielfilms "War Horse" (deutsch "Gefährten") von Steven Spielberg spielen im Dartmoor. Der deutsche Kriminalfilm "das Wirtshaus von Dartmoor" (1964, nach einem Roman von Gero Wecker unter der Regie von Rudolf Zehetgruber) wurde dagegen in Berlin gedreht. 

 

Bilder: Alice_Alphabet

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Autor seit 12 Jahren
124 Seiten
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