Ohne Veränderung gibt es kein Fortschritt

Gegen den Ansatz der Betriebsbewährtheit ist zunächst nichts auszusetzen. Schließlich gewährleisten bewährte Methoden eine hohe Qualität und verhindert, dass man die Fehler aus der Vergangenheit wiederholt.

Trotzdem bedeutet das nicht, dass man alles so tun sollte, wie man es schon immer getan hat. Wo würde wohl Apple stehen, wenn sie nicht grundlegend neue Wege gegangen wären und immer noch bei ihren Mac-Computern geblieben wären? Sie wären wohl wahrscheinlich inzwischen pleite gegangen. Umgekehrt gibt es immer Firmen, die an Bewährtem festhalten und dadurch wichtige Trends verschlafen. Das heißt, dass man auch gute, bewährte Vorgehensweisen auch immer hinterfragen kann.

Weiterführende Links - Firmen, die mit einem Innovationsproblem zu kämpfen hatten

Der Untergang der großen Handymarke Nokia

Wie BlackBerry-Hersteller RIM seinem Untergang entgegen taumelt

Der Commodore-Untergang aus meiner Sicht - Teil 1-6 (von Rainer Benda)
Ein etwas älteres Beispiel für ein solches Unternehmen ist Commodore, das in den 80er Jahren für ihre tollen Heimcomputer bekannt waren, doch in den 90er Jahren völlig erfolglos waren und gegenüber dem PC und Spielekonsolen an Marktanteile verloren hat und letztendlich Konkurs gegangen ist.

Bequem oder bewährt?

Bewährte Methoden haben sicherlich ihre Berechtigung. Doch in vielen Fällen wird das Argument "Das haben wir schon immer so getan" bei gar nicht wirklich bewährten Methoden angewandt. Alte Methoden erfüllen häufig gar nicht die Eigenschaften der Bewährtheit, sondern sind ineffizient und führen zu schlechten Ergebnissen. Sie haben sich aber historisch bedingt eingebürgert und die Beteiligten haben sich mit der schlechten Situation so gut abgefunden, dass sie die Nachteile der Methode gar nicht mehr wahrnehmen. In diesem Moment wird eine Methode zu einer bequemen Methode.

Häufig wird das Argument also einfach auch dafür verwendet, um bei einer bequemen Methode zu bleiben, weil der höhere Aufwand, der mit der Einführung einer besseren Methode verbunden ist, gescheut wird.

Damit gewinnen wir also schon zwei wichtige Erkenntnisse. Zum einen kann man zwischen bewährten und bequemen Methoden unterscheiden; zum anderen kann man sagen, dass die Einführung neuer Methoden in der Regel mit einem höheren Initialaufwand verbunden ist.

Um eine neue Methode zu bewerten, helfen folgende Fragen:

  • Ist die alte Methode wirklich bewährt oder nur bequem?
  • Welche Vorteile hat die alte Methode wirklich?
  • Wie hoch ist der Initialaufwand der neuen Methode? Spart sie später gegenüber der alten Methode Aufwand?
  • Welchen Fortschritt bringt die Anwendung der neuen Methode?
  • Ist die neue Methode aufgrund von neuen Gesetzes- oder Marktgegebenheiten notwendig?
  • Kann man alternativ zur Einführung einer neuen Methode die alte Methode in kleinen Schritten verbessern und so einen ähnlichen Effekt erreichen?

Die Liste lässt sich sicherlich beliebig erweitern; sie liefert aber schon einmal viel bessere Bewertungskriterien als das Pseudoargument "Das haben wir schon immer so gemacht".

Neue Ideen gegen alte Hasen

Der Satz "Das haben wir schon immer so gemacht" fällt wahrscheinlich besonders oft in neuen Teams, in denen die "alten Hasen" auf junge, hoch motivierte Mitarbeiter treffen. Die neuen Mitarbeiter sind voller Ideen und stellen die alten Methoden häufig in Frage. Dies entsteht nicht selten aus einer gewissen Naivität, da ihnen die Hintergründe nicht bewusst sind; sie sind aber auch empfänglicher für die Nachteile von eingespielten, bequemen Methoden, da sie nicht voreingenommen sind. Häufig begründet sich eine Diskussion über neue Methoden auf eine Mischung der beiden Elemente Naivität und Offenheit.

Dazu kommt der Faktor, dass die Ausbildung der jüngeren Leute noch nicht so weit zurück liegt. Das heißt, dass sie in ihrer Ausbildung modernere Methoden oder Technologien gelernt haben, die die "alten Hasen" womöglich gar nicht kennen, weil sie zu tief im Alltagsgeschäft stecken, um sich mit diesen modernen Methoden auseinandersetzen zu können. Zum Beispiel könnte es sein, dass ein junger Informatiker viel mehr Wissen über moderne Programmiersprachen und Methoden im Software-Engineering mitbringt, während die alten Mitarbeiter schon seit Jahrzehnten mit einer veralteten Programmiersprache arbeiten, weil sie ihre komplette Arbeitszeit mit der Pflege von alten Systemen verbringen. Bei einer Neuentwicklung werden also die "alten Hasen" womöglich an ihrer bekannten, aber veralteten Programmiersprache festhalten wollen, während die jungen Leute lieber ein moderneres und auch effizienteres System umsteigen möchten.

Aber nicht nur die jungen Mitarbeiter können neue Ideen einbringen. Auch erfahrene Mitarbeiter, die in einem Unternehmen neu angestellt sind, bringen häufig neue Ideen ein, die sich im Laufe ihrer Berufserfahrung bei anderen Unternehmen bewährt haben.

Dieser Sachverhalt bringt gewaltiges Konfliktpotential mit sich. Es kann passieren, dass sich alte Hasen unreflektiert die Vorschläge der neueren Mitarbeiter niederschmettern. Das kann dazu führen, dass die neueren Mitarbeiter resignieren, keine neuen Ideen mehr mitbringen oder im schlimmsten Fall sogar kündigen und sich eine Firma mit einer offeneren Mentalität suchen. Die Folge ist, dass in der Firma kein Fortschritt mehr keimen kann. Das kann Jahrzehnte gut gehen, aber auch innerhalb weniger Jahre zur pleite führen, weil man von innovativeren Firmen überholt wird. So oder so ähnlich könnte es bei Nokia und Blackberry gelaufen sein, die den Smartphone-Boom verschlafen haben und von Newcomern wie Apple oder alten, aber innovativeren Konkurrenten (z.B. Samsung) überholt werden.

Umgekehrt besteht aber die Gefahr, dass die jungen Leute ihre Ideen vorantreiben, ohne auf die erfahrenen Mitarbeiter zu hören und Fehler machen, die diese Leute vor vielen Jahren ebenfalls schon begangen haben und Lösungsstrategien dafür parat haben. Das kann zu einer schlechten Effizienz und einer schlechten Qualität des Arbeitsergebnisses führen.

Ideal ist also ein Mittelweg. Wenn die alten Leute auf die Ideen der Neulinge hört und offen aufnehmen, gleichzeitig aber ihre Erfahrung weitergeben, kann man bewährte Ansätze und Fortschritt sehr gut miteinander verbinden. Dabei müssen auch naives Hinterfragen erlaubt sein, ohne jemanden als inkompetent oder unerfahren abzustempeln. In vielen Fällen steckt hinter einer naiven Frage auch eine gewisse Wahrheit, die einen Verbesserungsansatz für eine bewährte Methode liefern kann. Außerdem können junge Leute sehr viel lernen, wenn ihre naiven Fragen von den erfahrenen Kollegen geduldig beantwortet werden. Hier muss natürlich auch der Willen zum Lernen da sein; dieser ist aber gerade bei motivierten und kompetenten Leuten immer vorhanden.

Fazit

Die Innovationskraft eines Unternehmens ist sehr stark vom Umgang von gewohnten Methoden und neuen Ideen abhängig. Wenn Mitarbeiter offen neue Ideen bewerten und alte Methoden stetig verbessern, kann es sich fortschrittlich entwickeln. Dabei ist wichtig, dass man immer wieder kritisch hinterfragt, ob gewohnte Methoden tatsächlich bewährt oder einfach nur bequem sind. Wichtige Träger von neuen Ideen sind häufig junge und neue Mitarbeiter. Aber auch langjährige  Mitarbeiter, die eine offene Mentalität leben, produzieren neue Ideen und sorgen für eine zusätzliche Motivation ihrer jüngeren Kollegen. So kann ein gesundes kreativ-innovatives Umfeld entstehen, das eine innovative und erfolgreiche Firma auszeichnet.

Autor seit 12 Jahren
10 Seiten
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