Ich kann mich noch gut an meine Kindheit erinnern. Jeden Abend bereitete meine Großmutter Kamillentee zu. "Zwei Löfferl Kamillenblüten ins Häferl (= große Kaffeetasse), mit kochendem Wasser aufgießen, abdecken und mindestens zehn Minuten ziehen lassen. Dann abseihen – durch ein Sieb", erklärte sie mir. Das Ritual führte sie fast jeden Abend – speziell in der Winterzeit - vor dem Zubettgehen durch und trank den Tee schluckweise. Manchmal rührte sie noch einen Teelöffel Honig hinein. Heute ist sie schon über hundert Jahre alt und strickt noch immer Socken für mich als Enkelin.

Kamille zog sie selbst im Garten und pflückte sie mit großer Sorgfalt. Auf Backpapier wurden die Blüten in der Sonne getrocknet. Heute weiß man auch aus der Pharmazie, dass Kamille entzündungshemmende Eigenschaften hat. Sie wird äußerlich für Umschläge etwa bei Ausschlägen eingesetzt aber auch innerlich beispielsweise bei Verdauungsschwäche.

Kamille war nicht das einzige Kraut, das meine Großmutter einsetzte, um Kinder und Enkelkinder gesund zu halten. Aufgewachsen auf einem kleinen Bauernhof in ärmlichsten Verhältnissen, lernte sie früh Kräuter kennen und eignete sich ein Wissen an, um das sie so mancher heute beneiden würde. Die Ringelblume beispielsweise schätzte sie sehr für Salben. - Verschiedene Pflanzen erntete sie auch nur zu gewissen Zeiten und sie wusste die Kraft der Sonne zu nutzen, um etwa ihren legendären Kräuterbitter anzusetzen, der Wochen in Gläsern am Fensterbrett stand bevor er in Flaschen gefüllt wurde. In der gesamten Nachbarschaft war ihr Kräuterbitter begehrt, da er bei allen möglichen Magen- und Darmbeschwerden half. - Solche Geschichten wissen noch viele Menschen zu erzählen. Und inzwischen gibt es einige wertvolle Bücher darüber.

 

Mir persönlich gefallen jene, die auch Lebensgeschichten erzählen am besten. Es ist so etwas wie "oral history" - echte Geschichte und nicht nur Geschichte der Macht und Mächtigen. Es sind Geschichten vom Überleben und wie man sich durchschlägt auch ohne Schulmedizin, die früher der breiten Masse nicht zugänglich war. Schließlich darf man nicht vergessen, dass es heute noch ältere Menschen gibt, die den zweiten Weltkrieg erlebt haben. Meine Großmutter erlebte sogar zwei Kriege und für sie war das nur Arbeit. Die Kinder brachte sie nicht zuletzt mit ihrem Kräuterwissen über die Runden.

Die österreichische Kräuterpädagogin Eunike Grahofer hat sich auf den Weg gemacht und mit "einfachen Leuten" über deren Kräuterwissen gesprochen. Entstanden sind daraus zwei wunderschön gemachte Bücher. "Der Pepi Onkel" und "Die Leissinger Oma". Beide Bände enthalten Erzählungen und Rezepte von verschiedenen Interviewpartnern aus dem Waldviertel, Burgenland und Wien. Schön finde ich die eingebundenen Geschichten, beispielsweise vom Pepi-Onkel, der ein recht bewegtes Leben führte. Im gleichnamigen Band kommt auch noch eine "alte Kräuterfrau" zu Wort. Sie erzählt dass etwa Heublumen auch gegen Vergiftungen eingesetzt wurden. Heublumen fielen früher beim Mähen der Wiesen an und rieselten im "Heustadel" dann einfach so herab. Sie wurden in Säcken aufbewahrt und vielfach eingesetzt. Am schönsten ist wohl ein Heublumenbad.

 

 

Zubereitung: Heublumenbad

6 Hände voll Heublumen (evt. vom Biobauern) in

5 Liter kochendes Wasser geben und öfters umrühren

15 Minuten ziehen lassen

Sieb in die Wanne stellen und abgießen

Nach dem Bad 15 bis 20 Minuten ruhen.

(Quelle: Eunike Grahofer, Der Pepi Onkel)

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In gut sortierten Reformhäusern, Apotheken oder Bioläden kann man heute auch fertige Mischungen kaufen. Der berühmte Pfarrer Kneipp empfahl Heublumenbäder sogar bei Koliken (bitte dazu aber ärztliche Anweisungen einholen).

Der "Pepi-Onkel" wiederum wusste wie man Franzbranntwein herstellen konnte.Ein Balsam bei allen möglichen und unmöglichen Muskelverspannungen. Auch dazu findet sich ein Rezept in dem Buch.- Der ganze Band besteht hauptsächlich aus Erzählungen über die Kräuteranwendungen und das Leben früher und ist somit sehr unterhaltsam. Am Ende des Buches finden sich dann noch die einzelnen Rezepte aufgelistet. Wer eine rein pharmazeutische Abhandlung oder ein reines Rezeptbuch sucht, wird eher enttäuscht sein. - Mir persönlich hat es aber vor allem aufgrund der Kombination von lebendigen Erzählungen mit Kräuterwissen und Rezepten gefallen.

 

 

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