Versöhnung als Sakrament

Schon seit vielen Jahren ist in den Gemeinden ein starker Rückgang der Beichtpraxis zu beobachten. Viele Seelsorger sind frustriert und wissen nicht, wie sie dem Aussterben der Tiergattung "Beichtschlange" entgegenwirken sollen. Trotz vieler Bemühungen: Die Beichtstühle bleiben leer! Die Gründe dafür sind vielfältig und müssen sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart gesucht werden.

Was ist Schuld?

Der Umgang mit und die Frage nach der eigenen Schuld hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert und spielt im religiösen Leben der Menschen heute eine andere Rolle als noch zu Beginn des letzten Jahrhunderts. In unserer Gesellschaft wird der Begriff "Schuld" inflationär und verharmlosend verwendet, wenn man beispielsweise vom "Parksünder" oder der "sündhaft" teuren Kleidung spricht. Auf diese Weise wird die Schuld des Menschen auf eine Ebene herabgestuft, die ihn nicht mehr wirklich betroffen zu machen vermag. Die eigene Schuld wird von vielen Menschen auch nicht mehr wirklich als etwas wahrgenommen, das unter Umständen ernste Konsequenzen hat. In den Medien werden wir heute derart mit Meldungen über geschehenes Unrecht überflutet, dass wir langsam abstumpfen und ein Gefühl der Gleichgültigkeit gegenüber Schuld entwickeln.

Glaube als Privatsache

Außerdem haben sich die Bereiche Religion und Glaube zunehmend zu einem sehr privaten Thema entwickelt, über welches in der Gesellschaft nicht mehr laut gesprochen wird. Dadurch ist natürlich auch das Thema der Schuld aus dem Blick der Öffentlichkeit verschwunden. Sehr oft hört man selbst von aktiven Christen, dass ihre Sünden niemanden etwas angingen und sie solche Dinge mit Gott selbst ausmachen würden. Solche Tendenzen der "Privatisierung" ergeben sich nicht zuletzt aus einem nicht mehr erfahrbaren Gemeinschaftsgefühl. Dabei wäre es für die Vertiefung des eigenen Glaubens doch so immens wichtig, über wichtige Themen im Gespräch zu bleiben Nur in einem lebendigen Miteinander kann letztlich solch ein persönliches Thema wie Schuld wieder zur Sprache kommen und ein Umdenken bewirken.

Verändertes Selbstverständnis der Gläubigen

Spätestens seit der Aufklärung hat sich der Mensch neu positioniert und ein verändertes Selbstbewusstsein entwickelt. Die Aufklärung hat den Menschen zum Mittelpunkt gemacht, damit Gott an den Rand gedrängt und damit seine Bedeutung für eine positive Lebensgestaltung des Menschen relativiert. Schuld und Sünde werden von der Aufklärung als erfundene Stützbalken für die Herrschaft der Kirche abgetan.

Falsche Verkündigung als Knackpunkt?!?

Ein wichtiger Grund für den Niedergang der Beichte ist wohl darin zu suchen, dass die Seelsorge in der Vergangenheit sowohl in der Beichte selbst als auch in der Verkündigung durch Predigt und Katechese oft nur in verengter oder sogar falscher Weise von Schuld und Sünde gesprochen haben. Vor allem im ausgehenden Mittelalter hat die Theologie nur noch auf die äußere Tat gesehen und dabei die inneren Beweggründe des Sündigens unberücksichtigt gelassen. Es fand ein Wandel statt, weg von der "Lebensbegleitung" hin zum "Strafgericht".

Sexualität als "Hauptsünde"

Einhergehend mit dieser nach außen gewandten Sichtweise auf die Sünde, wurde die Sexualität des Menschen von der Kirche zu einem Hauptthema in den Beichtstühlen und in der Verkündigung "herangezüchtet". Die anderen, ebenso wichtigen Lebensbereiche des Menschen gerieten zunehmend in den Hintergrund. Grundlegend für die Sexualität als Sünde waren die Lehren der großen Kirchenväter zum Thema Sexualität.

Der Priester als Richter

Ein Blick muss auch auf die liturgische Form der Beichte und die Rolle des Priesters geworfen werden, will man die Krise dieses so wichtigen Sakramentes verstehen.

Die Kirche legt großes Gewicht auf die sakramentale Form der Beichte unter Mitwirkung des Priesters. Der Ort dieser Feier ist in der Regel der Beichtstuhl, ein kalter, dunkler und meist muffig riechender, enger Raum. Auch die Haltung des Kniens im Beichtstuhl trägt nicht zu einer feierlichen Atmosphäre, die für eine sakramentale Feier angemessen wäre, bei. Durch das Knien vor dem Priester hat sich bei vielen Gläubigen seit ihrer Kindheit zudem das Gefühl des "Abgeurteiltwerdens" eingeprägt. Der Priester wird schon längst nicht mehr als Begleiter wahrgenommen, sondern nur noch als Richter. Zusätzlich zur stark ritualisierten Struktur des Beichtvorgangs kam es auch zu einer starken, einseitigen Überbetonung der Dimension einer geschenkten Versöhnung. Der menschliche Anteil, also seine eigene "Umkehrarbeit" dagegen fiel mehr und mehr dem alles allein bewirkenden Gott zum Opfer.

Neue Offenheit ist notwendend

Nur wenn es gelingt, das Thema der Schuld wieder offen ins Gespräch zu bringen und so dem Menschen Denkanstöße zu bieten, wird sich etwas verändern. Ansonsten wird sie in der Tat aussterben, die "Beichtschlange".

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