Argumentation gegen eine "theologische Moral"

Wie eingangs bereits angedeutet geht es Kant letztlich um seine "Moraltheologie" in Ablehnung einer "theologischen Moral". Gegen letztere zeigt Kant nun folgend ein paar Gegenargumente auf:

1.) Die Vorstellung, dass ethisch gute Werte und Prinzipien ausschließlich durch das Dasein und die Wesensart Gottes geboten sind ist letztlich ein Zirkelschluss, denn damit Gott diese Eigenschaften zugeschrieben werden können, muss dem Menschen bzw. dem Denken des Menschen ein bereits vorausgehender Begriff dieser ethischen Attribute zu Eigen sein. Damit betont Kant, dass die menschliche Vernunft bereits vor dem Gedanken an Gott ein Wissen vom moralisch Guten besitzt und der Ursprung des Letzteren also im menschlichen Denken selbst zu finden ist.

2.) Außerdem, so Kant weiter, haben nicht alle Menschen das gleiche göttliche Offenbarungsdenken als Grundlage ihres religiösen Verständnisses, was wiederum zur Folge hat, dass Gott quasi für jede unterschiedliche Religion auch unterschiedliche ethische Regeln setzen müsste. Da es Kant aber um ein kategoriales, d.h. allgemein gültiges und notwendiges Prinzip von Ethik geht, ist dies ein gültiges Argument für Kants moralphilosophische Strategie.

3.) Ein weiterer Einwand Kants gegen die Geltung einer "theologischen Moral" dreht sich um den Begriff der freien Willkür Gottes, denn wäre Gott allein jener, der ethische Statuten erlässt, so wäre der Mensch der göttlichen Willkür total ausgeliefert, denn Gott hätte per Definition keine Instanz mehr, vor der er Rechenschaft ablegen müsste. Somit könnte Gott frei nach Belieben auch schlechte und böse ethische Prinzipien als Gebote festsetzen, wobei in diesem Fall dann ein Gottesbild bestünde, welches Gott auch moralische Verdorbenheit zu schriebe und sodann das Verhältnis zwischen Mensch und Gott über Macht-, Gewalts- und Herrschaftsansprüche definieren würde. Genau das möchte Kant in seiner Ethik jedoch verhindern, geht es ihm letztlich doch um die moralische Vollkommenheit des Guten, sowohl in Gott als auch im Menschen.

Die Kantische "Moraltheologie"

Was sind aber nun die Kernaussagen von Kants "Moraltheologie"? Das Hauptmerkmal, welches in der Einleitung bereits erwähnt wurde, ist, dass die Erkenntnis von Moralität unumgänglich zur Idee Gottes führt und nicht, dass ethische Prinzipien als von Gott gegeben und dadurch blind, also ohne Selbstreflexion der praktischen Vernunft, zu befolgen wären. Die moralischen Werte, welche der Mensch mittels seiner praktischen Vernunft als ethisch gut erkennt, bezeichnet Kant als "göttliche Gebote", wobei "göttlich" nicht von Gott statuierte Gebote meint, sondern, dass den vernünftig erkannten ethischen Regeln des Menschen ein göttlicher Wert beiwohnt. Nach Kant kann deshalb jeder Mensch mittels seiner Vernunft den "Willen Gottes" erkennen oder anders formuliert: die durch die menschliche Vernunft erkannte Sittlichkeit führt unausweichlich zur Idee Gottes. Damit ist gesagt, dass die menschliche Vernunft, soll sie moralisch gut denken, eine Existenz von Gott mitdenken muss.

Von der Moralität zur Idee Gottes

Doch wie kommt Kant zu diesem Schluss? Die Begründung liegt darin, dass Gott bei Kant für das vollkommen moralisch Gute steht und somit kann das, was der Mensch als moralisch wertvoll erkennt, nichts anderes als eben jene göttliche Wesensart sein. Indem der Mensch durch seine praktische Vernunft das moralisch Richtige erkennt, bekommt er dadurch gleichzeitig eine Idee von Gott verstanden als Sinnbild des vollkommen moralisch Guten. Folglich kommt der Frage nach der Sinnhaftigkeit bzw. Endabsicht eines moralisch guten Lebens nun die Antwort zu, dass unser ethisches Handeln letztlich in Gott selbst begründet liegt und dass wir, möchten wir moralisch gut handeln, das Göttliche in uns selbst entdecken und leben müssen.

 

Literatur:

Dieter Witschen, Kants Moraltheologie. Ethische Zugänge zur Religion. LIT Verlag, Berlin (2009)

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