Das Schreckgespenst Alzheimer Demenz - Angst ist ein schlechter Ratgeber

Alzheimer DemenzDie Diagnose Demenz und Alzheimer ist für viele Menschen ein Schreckgespenst. Angst ist ein falscher Ratgeber, denn ein Leben mit Alzheimer Demenz ist keine Sackgasse der Hoffnungslosigkeit, sondern kann im Rahmen der Möglichkeiten erfüllend und bereichernd sein, sowohl für die Betroffenen als auch für die Angehörigen. Grundvoraussetzung ist eine umfassende Aufklärung über die Erkrankung sowie Informationen, wo es Unterstützung und Hilfsangebote gibt. Gegenwärtig gibt es mehr als 1,4 Millionen Menschen mit Demenzerkrankung in der Bundesrepublik mit steigender Tendenz.

Christine Waigand, die seit September 2007 in der Beratungsstelle Demenz in Aschaffenburg eingesetzt war und ihr Kollege Konrad Schmitt, seit März 2008 tätig in Miltenberg, hatten tagtäglich mit Menschen zu tun, die einen Rat im Zusammenhang mit einer dementiellen Erkrankung suchten. Beide waren zudem damit befasst, Projekte umzusetzen, welche die Situation von Menschen mit Demenz und Alzheimer sowie deren Angehörigen in der Region am bayerischen Untermain verbessern. Dazu gehörten die Ausbildung von Alltagsbegleitern für Menschen mit Demenz oder die Unterstützung von Selbsthilfegruppen. Wie sich ihre Arbeit darstellte und was sie sich wünschten, ist im nachfolgenden Interview zu erfahren.
Mittlerweile gibt es die in den Beratungsstellen integrierten Fachdienste, die von den Pflegestütztpunkten koordiniert werden wie beispielsweise im Landkreis Miltenberg.

Konrad Schmitt und Christine ...

Konrad Schmitt und Christine Waigand von der Beratungsstelle Demenz Untermain (Bild: Foto: Ruth Weitz)

Unwissenheit über Demenzerkrankung schürt Angst - Aufklärung und Hilfsangebote sind gefordert

Pagewizz: Wo liegen die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?

Christine Waigand: Unsere Arbeit steht auf mehreren Säulen: Angehörigenarbeit, Öffentlichkeitsarbeit, konzeptionelle Arbeit und  Vernetzung. Wenn ich Angehörige berate, muss ich auch über Entlastungsangebote Bescheid  wissen. Deshalb ist es wichtig, die Vernetzung  mit bestehenden Einrichtungen und Initiativen zu betreiben und neue Angebote zu erschließen. Auch politisch muss Einfluss genommen werden.

Konrad Schmitt:  Wir geben auch Impulse, neue Wege zu gehen und Angebote effektiver zu gestalten. Zum Beispiel hinterfragen wir, ob es zielführend ist, Demenzgruppen nur nachmittags anzubieten.  Menschen mit Demenzerkrankungen haben erwiesenermaßen morgens ihre beste Zeit.  Weiterhin qualifizieren wir Alltagsbegleiter für Menschen mit Demenz, um Angehörige zu entlasten.

Pagewizz: Was liegt den Menschen, die zu Ihnen kommen, besonders am Herzen?

Christine Waigand:  Es dreht sich meist um rechtliche Fragen, ums Krankheitsbild und  die Diagnostik. Weiterhin geht es um die Pflegeversicherung und das Procedere einer Einstufung in eine Pflegestufe. Was im individuellen Fall wichtig ist, muss man im Gespräch herausfinden. Wenn jemand finanziell klamm ist, raten wir dazu, zunächst einen Antrag auf Pflegegeld zu stellen.  Wir schauen, ob eine Pflege zuhause möglich ist oder nicht. Wir haben dabei nicht nur den Betroffenen, sondern auch die Angehörigen im Blick. Ich erkläre immer, dass der Umgang mit der Krankheit ganz wichtig ist.

Konrad Schmitt: Wenn die Ratsuchenden kommen,  sind sie  total unter Spannung und meist sehr betrübt. Unser Ziel ist es, dass die Leute mit Hoffnung die Beratungsstelle verlassen und eine Perspektive erhalten.  Ein großer Anteil ist psychosoziale Beratung. Oft bekomme ich gesagt: "Endlich versteht mich mal jemand". Ich rate generell dazu, möglichst früh eine Beratung aufsuchen, um sich zu informieren. Je früher man weiß, was man tun kann, desto bester ist eine Betreuung zu organisieren. Man sollte nie so lange warten, bis die Hütte brennt.

Pagewizz: Welche dringendsten Aufgaben sehen Sie für die Zukunft?

Christine Waigand: Es muss verstärkt Aufklärung durch Öffentlichkeitsarbeit betrieben werden. Die Unwissenheit über die Erkrankung Demenz schürt Angst. Menschen mit Demenz haben noch viele Ressourcen und Freude am Leben. Das Wissen "Ich stehe nicht alleine, anderen geht's auch so" muss mehr in den Vordergrund rücken. Dazu gehört, offen mit der Demenz umzugehen und aufzuzeigen, dass das Leben mit dieser Krankheit keine Sackgasse ist. Menschen mit Demenz zwingen uns, uns auf das Wesentliche zu reduzieren. Es ist die Einfachheit, die uns verlorengegangen ist, weil wir in der schnelllebigen Zeit behaupten müssen.

Konrad Schmitt:  Betroffene und Angehörige müssen  Notwendigkeiten einfordern und mehr Selbstverständnis für Menschen mit Demenz in die Öffentlichkeit bringen.  Menschen mit Demenz sind ein Teil unserer Gesellschaft und sie müssen auch die Chance haben, sich einzubringen.

Die Beratungsstelle Demenz Untermain - Ein Modellprojekt am bayerischen Untermain

Am 9. November 2007 wurde die Beratungsstelle Demenz Untermain für die Stadt und den Landkreis Aschaffenburg als Modellprojekt des Bezirks Unterfranken und einem Zusammenschluss von Wohlfahrtsverbänden der Region bayerischer Untermain eröffnet. Im März 2008 wurde eine weitere Beratungsstelle in Miltenberg und im Dezember 2008 eine Zweigstelle in Erlenbach am Main eingerichtet. Ziel des Modellprojekts war eine Verbesserung der häuslichen Betreuung der Menschen mit Demenz. Es geht vor allem um die Unterstützung der pflegenden Angehörigen durch Beratung und Schaffung von wohnortnahen, bedarfsorientierten Hilfsangeboten. Die Beratungen erfolgen kostenlos, trägerunabhängig und unterliegen der Schweigepflicht. Weitere Informationen im Internet unter www.bd-untermain.de. Mittlerweile wurden Pflegestützpunkte eingerichtet. Im Kreis Miltenberg beispielsweise sind alle Fachstellen im Pflegestützpunkt integriert. 

Krimifreundin, am 19.10.2012
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