Der Amityville Horror
Wurde die Familie Lutz tatsächlich von Geistern und Dämonen geplagt?Realer Horror in Amityville
Faktum ist, dass es 1974 in dem beschaulichen Ort namens Amityville (Long Island) zu schrecklichen Mordtaten kam. Dieser Horror war irdischer Natur: Der junge Ronald DeFeo löschte am 13. November jenes Jahres seine gesamte Familie aus. Er tötete kaltblütig seine Eltern sowie vier Geschwistern. Nach seiner Verhaftung behauptete er unter anderem, die Mafia hätte seine Verwandten ermordet. Auch hätten ihn angeblich "Stimmen" zu den Morden getrieben. Bis heute verbüßt Ronald DeFeo eine sechsmal lebenslange Strafe.
Ein Jahr später bezog die aus fünf Mitgliedern bestehende Familie Lutz das berüchtigte Anwesen. Das auf Grund der furchtbaren Ereignisse günstig angebotene Haus schien perfekt für die Neuankömmlinge: Geräumig, mit Swimmingpool und sogar einem Bootshaus. Doch nur 28 Tage später befand sich die Familie Lutz auf der Flucht aus dem vorgeblichen Traumhaus. Die angeblichen Auslöser für dieses ungewöhnliche Verhalten stellten Millionen Menschen die Nackenhaare vor Schreck auf.
"Amityville Horror": Geister und Teufelsspuren
In seinem Bestseller "The Amityville Horror" erzählte ein gewisser Jay Anson die dramatischen Geschehnisse nach. Sein Buch lieferte die Grundlage für den gleichnamigen Film mit James Brolin in der Hauptrolle. Die Liste der furchteinflößenden Ereignisse liest sich wie ein Potpourri paranormaler Phänomene.
Schleim soll die Fliesen im Badezimmer hinuntergeflossen sein, die Haustür wurde von unsichtbaren Kräften aus einer der Angeln gehoben, Insektenschwärme trieben die Familie Lutz zur Verzweiflung und des Nachts starrten rotglühende Augen durch die Fenster. Hufeisenförmige Teufelsspuren sollen im frischen Schnee sichtbar gewesen sein.
Höhepunkt des Treibens: Ein zur Hilfe gerufener Priester wurde angeblich von einer dämonischen Stimme zum Verschwinden aufgefordert – und kam dem unmissverständlichen Befehl rasch nach.
Hollywood ist begeistert!
Einen solchen Stoff konnte sich Hollywood natürlich nicht entgehen lassen, hatte doch etwa der gleichfalls paranormale Phänomene aufgreifende "Der Exorzist" für Einspielrekorde gesorgt. 1979 lehrte "Amityville Horror" Millionen Kinobesuchern weltweit das Fürchten und zog nicht weniger als 7 Remakes nach sich. 2005 erfolgte ein Remake des ersten Teils – Fortsetzungen nicht ausgeschlossen.
Die Erklärung für den sagenhaften Erfolg der Filmreihe ist verblüffend einfach: Während Horrorfilme wie eben "Der Exorzist", "Rosemarys Baby" oder "Das Omen" stets klar als fiktive Stoffe gekennzeichnet worden waren, schmückte sich "Amityville Horror" mit dem kassenträchtigen Etikett der Dokumentierung realer Ereignisse. Aber hatten die behaupteten paranormalen Zwischenfälle überhaupt je stattgefunden?
Keinerlei paranormale Phänomene
Der amerikanische Skeptiker Joe Nickell nahm sich der Behauptungen an und untersuchte den Fall genauer. Seine Nachforschungen waren ebenso gründlich, wie eindeutig. Zum einen wussten die Nachmieter des zuvor von der Familie Lutz bewohnten Hauses keinerlei ungewöhnliche Phänomene zu berichten. Zum anderen hielten viele der Behauptungen einer Überprüfung nicht stand.
Beispielsweise befanden sich die angeblich von "dämonischen Angriffen" beschädigten Türen und Fenster in tadellosem Zustand. Weiters konnte sich der angeblich aus dem Haus geflüchtete Priester an keinerlei ungewöhnliche Ereignisse erinnern. Ebenso wenig wie die örtliche Polizei, die zu keinem einzigen Einsatz gerufen worden war, was im Gegensatz zu den Behauptungen stand. Selbst Details wie die unheimlichen Hufspuren im Schnee lösten sich plötzlich in Luft auf: Wetteraufzeichnungen zeigten, dass im betreffenden Zeitraum kein Schnee gefallen war.
Die Entstehung des "Amityville Horror"-Mythos
Tatsächlich dürfte es sich bei den Erzählungen rund um "Amityville Horror" um den typischen Fall einer sich wie von selbst entspinnenden Geschichte handeln, wenngleich mit tragischem Hintergrund. William Weber, der Anwalt von Ronald DeFoe, gestand viele Jahre später, dass er sich gemeinsam mit den Lutzes die ganze Geschichte "bei vielen Flaschen Wein" ausgedacht habe. Motiv war vermutlich der Versuch, mit Hilfe der abenteuerlichen Horrorgeschichten entlastendes Material für seinen Mandanten zu sammeln, der ja von Stimmen berichtet hatte, die ihm den Mord an seiner Familie befohlen hätten.
Was bleibt somit vom "Amityville Horror"-Mythos übrig? Bei objektiver Betrachtung der Fakten gar nichts. Den zahlreichen Behauptungen stehen statt Beweisen nur berechtigte Zweifel gegenüber. Trotzdem hält der Mythos hartnäckig allen Gegendarstellungen stand. Zu reizvoll und sensationell sind die gruseligen Erzählungen, um sie einfach als das ad acta zu legen, was sie aller Wahrscheinlichkeit nach sind: Mehr oder weniger phantasievolle Geistergeschichten. Und deshalb wird der "Amityville Horror" wohl auch weiterhin für Angst und Schrecken sorgen – wenngleich als Spuk, der ausschließlich in den Köpfen des Publikums sein Unwesen treibt.