Der europäische Adel zwischen Blüte und Niedergang
Der europäische Adel war seit dem Hochmittelalter eine einflussreiche Macht. Erst ab dem 18. Jahrhundert endete die Feudalherrschaft.Was ist überhaupt mit „Adel“ gemeint?
Unter Adel versteht man eine spezielle soziale Gruppe, die durch ihre Exklusivität gekennzeichnet ist. Das Wort stammt vom dem Althochdeutschen "adal" oder "edili" und kann mit "edles Geschlecht" übersetzt werden. Der Adel genoss lange Zeit einen gesellschaftlichen Vorrang und war an der Herrschaft von Ländern maßgeblich beteiligt. Die Herrschaftslinie wurde in der Regel innerfamiliär übergeben. Dabei galten stets das Abstammungsrecht sowie der Anspruch auf die göttliche Ordnung. Den Adel bzw. jene Form einer gesellschaftlichen Elitegruppierung gab es schon in frühen Hochkulturen. Die Idee, dass eine kleine Elite unter Bezug auf eine göttliche Absicht ein Volk regieren dürfe, lässt sich in vielen Kulturen wiederfinden.
In vielen Ländern hat der Adel keinerlei Machtbefugnisse mehr – zumindest nicht aufgrund seiner Abstammung. Dies ist beispielsweise in Deutschland der Fall. Hier wurde der Adel als Stand nach dem Ende des Ersten Weltkrieges abgeschafft. In anderen Staaten ist der Adel nach wie vor präsent – entweder ist er direkt an der Machtausübung beteiligt oder er übernimmt eine repräsentative Funktion. Auch wenn in Europa der Adel weitgehend entmachtet wurde und die Standesprivilegien abgeschafft wurden, ist er noch immer eine weitgehend geschlossene gesellschaftliche Gruppierung, die eigene Lebensweisen und Umgangsformen praktiziert.
Burg Hohenzollern - Sitz des deutschen Adelsgeschlechts der Hohenzollern (Bild: Andrea Damm / pixelio.de)
Die Blüte des Adels
Der europäische Adel ging aus dem römischen Adel der Antike hervor. Zwar spielten auch regionale Gesellschaftsordnungen eine wichtige Rolle, aber der Einfluss der römischen Gesellschaftsordnung war dominierend. Im frühen Mittelalter regierten noch die germanischen Herrscher in den tradierten Stammesstrukturen. Durch die Zusammenführung einzelner Stämme ergaben sich erste Staatsbildungen im weitesten Sinne. Die Stammesführer mussten von da an stammesübergreifende Funktionen wahrnehmen.
Seit dem 11. Jahrhundert vermehrten sich die sogenannten Ministerialen. Ministerialen sind abhängige Adelsfamilien. Dies ist auf den verstärkten Einsatz jener Familien unter Königen, Herzögen und geistlichen Fürsten zurückzuführen. Die abhängigen Adelsfamilien arbeiteten als Gutsverwalter. Durch die Ausdifferenzierung dieses Abhängigkeitssystems entwickelten sich unterschiedliche Adelsränge. Der Aufstieg der Ministerialen in den Hochadel gelang durch den Erwerb des verwalteten Besitzes als Reichslehen. Der Besitz durfte dann innerhalb der eigenen Familie weitergegeben werden. Ab dem 14. Jahrhundert versuchte der hohe Adel sich von der kaiserlichen und königlichen Macht loszusagen. In Deutschland wird dieser Emanzipationsprozess an der Herausbildung von Herzogtümern, Markgrafschaften, Landgrafschaften usw. deutlich.
Militärische Dienstpflichten des Lehenswesens waren die Grundlage, auf der sich eine einheitliche Adelskultur in ganz Europa etablieren konnte – das Rittertum. Der Werdegang des Adels ist seitdem eng mit der Entwicklung von Waffen und Rüstungen verbunden. Wappen wurden zur Identifikation von Freunden und Feinden auf dem Schlachtfeld eingeführt. Das ritterliche Turnier wurde zum gesellschaftlichen Kampfspiel herausgebildet.
Der Niedergang des Adels
Der Absolutismus war von der Macht und der Prunksucht des Adels geprägt. In Frankreich führten das verhärtete Ständewesen und die auf Staats- und Volkskosten praktizierte Lebensform des Adels zu großer Armut und gesellschaftlichen Missständen. Mit der Französischen Revolution und der Etablierung einer neuen gesellschaftlichen Ordnung, die durch den Aufstieg des Bürgertums gekennzeichnet war, wurde der Adel mehr und mehr entmachtet. Das Bürgertum übernahm in weiten gesellschaftlichen Teilen staatliche Aufgaben. Als im 19. Jahrhundert die Bauernbefreiung erfolgte, war der Adel eine gesellschaftliche Größe mit einem Machtvakuum. Die Feudalherrschaft ging dem Ende entgegen. Dadurch konnte der Adel nicht mehr von Abgaben und Diensten leben, sondern musste als Unternehmer agieren.
Im 20. Jahrhundert ging der Adel als Überrest feudaler Strukturen endgültig unter. In vielen Ländern wurden Republiken ausgerufen, konstitutionelle Monarchien eingeführt oder kommunistische Systeme begründet. Dadurch war der Machtverlust auch staatlich begründet. Dies änderte aber nichts daran, dass der Adel bis in die Gegenwart hinein in vielen Führungspositionen vertreten ist. Heutzutage organisiert sich der alte Adel in Adelsvereinen und Adelsverbänden. Weil er immer noch eine besondere Ausstrahlung besitzt, gibt es immer wieder Versuche, feudale Strukturen durchzusetzen oder mit mehr oder weniger erlaubten Maßnahmen Teil des Adels zu werden. Der Deutsche Adelsrechtsauschuss prüft die Grenzen und Möglichkeiten des heutigen Namensrechts in Bezug auf adlige Familiennamen. Hierbei spielt vor allem das Adoptionsrecht eine wichtige Rolle, weil es immer wieder Fälle gibt, in denen nichtadlige Menschen sich von adligen Personen für bestimmte Geldsummen adoptieren lassen.
Literatur
Dominic Lieven (1995): Abschied von Macht und Würden. Der Europäische Adel
1815–1914. Frankfurt am Main: S. Fischer.
Eckart Conze (Hrsg.) (2005): Kleines Lexikon des Adels. Titel, Throne, Traditionen.
München: Beck.
Plinio Correa de Oliveira (2008): Der Adel und die vergleichbaren traditionellen
Eliten. Wien: Österreichische Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie
und Privateigentum.
Ronald G. Asch (2008): Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit. Stuttgart: Böhlau.
Bildquelle:
Barbara Lechner-Chileshe
(Warum gibt es unterschiedliche Haut- und Augenfarben?)