Fortsetzung "DER TRESEN"

Und so schaltete gegen 18.00 Uhr Kremmel den Thüringer Polizeifunk "Schmücke 11" ein, um zu hören, was in den einzelnen Kanälen so zwischen Eisenach, Meiningen, Gotha passiert. Ab "Freitag um Eins macht jeder seins" gilt aber sein hundert Jahren in Südthüringen, also es passiert nicht viel. Bei plötzlichem Regenwetter rauscht mal jemand in dem Feierabendhektik in Gumpelstadt gegen einen Apfelbaum. Man ist ansonsten um diese Zeit mit Familie und Verwandschaft intensivst beschäftigt. Die braven Bürger und die weniger braven.
Also besucht PK Gerd Kremmel nun seine Oma Guste, die inzwischen schon zwei Stunden mit dem Rollator die Gänge entlang wedelt. Guste ist praktisch veranlagt und hat am Rollator zwei feuchte Wischfeudel montiert, mit denen sie verantwortungsvoll im Auftrag einer Rumänischen Reinigungskraft schon seit Wochen am späten Nachmittag die Flure wischt. In den Feudeln hat sie Kölnisch Wasser 4711 versprenkelt, um den Flur duftiger duften zu lassen. Den Tipp bekam sie von ihrem behandelten Arzt, Dr. Wehrs, der wegen ihrer ein wenig lädierten und vergrößerten Milz mal geäußert hatte, daß im medizinischen Lehrbetrieb die Merkregel 4711 für die Normgröße der menschlichen Milz gilt. Ein durchschnittliches, gesundes Organ weist demnach etwa folgende Abmessungen auf: "Breite 4 cm, Höhe 7 cm und eine Länge von 11 cm. Bei Überschreitung dieser Werte liegt eine Splenomegalie vor" Oma Kremmel hatte die "Splenomegalie"!
PK Gerd Kremmel hatte dann von seiner Oma am Freitag Nachmittag die Antwort bekommen, "Nach Erfurt nie und nimmer, da gibt es keine langen Flure, die sich wischen lassen, um dann mit der rumänischen Reinigungskraft stundenlang Kaffe zu trinken, weil die Flure eben frisch und duftig sind!"
Kremmel nervt das aber nur wenig, er vermeint, der Oma Kremmel geht es gut und er braucht nur noch seine Schwester zu beruhigen, sie in Bad Salzungen zu belassen und lediglich die Besuchsfrequenz zur "Glücklichmachung" der Oma zu erhöhen. Es ist mit sein Part für die Oma zu sorgen, seit seine Eltern vor zwei Jahren an der türkischen Mittelmeerküste bei einem Schiffsunglück ertrunken sind.
Was Kremmel an diesem Junitag noch nicht weiß, ist der Fakt, das in der Telefon-Meldeliste für die Meldung von Tatbeständen er ab Freitag 23.59 Uhr als verantwortlicher "Kriminaler" für Bad Salzungen eingetragen ist.
Um Nulluhrzwölf klingelt ihn das Telefon der Polizeiinspektion Bad Salzungen in der Rosa-Luxemburg-Straße Nummer 2 aus dem Bett. Nachtdienst am Telefon hat ein "Praktikant" aus Gotha, der vermeldet, ein Mann in einer kurzen blutigen Unterhose und einem Müllsack um die Schultern hätte vor wenigen Minuten ein Anzeige wegen dem "§ 253 StGB" räuberische Erpressung in seine Schreibmaschine mit vollendetem Vierfingersystem so schnell wie gesprochen diktiert.
Nach Zehn Minuten ist Kremmel mit dem alten Damenfahrrad der Oma in de der Polizeiinspektion Bad Salzungen in der Rosa-Luxemburg-Straße Nummer 2. Erst mit seinem LKA Thüringen-Dienstausweis lässt man ihn passieren. In einem Dienstraum in der ersten Etage sitzt das "Opfer", ein junger Gastronom mit blutender Nase aus Bad Salzungen, der eine Geschichte wie aus einem sehr, sehr schlechten Mafiafilm zur Aussage bringt.
Denn, er hätte die Absicht gehabt, in Bad Salzungen ein Restaurant zu eröffnen und in diesem Zusammenhang in der Weststadt Eisenachs ein Zehn Meter Tresen in einer Pleite gegangenen Kneipe, besichtigt. "Einen amerikanischen zehn Meter Tresen". Seine Planungen am Kirchplatz in Bad Salzungen für ein Restaurant lassen aus baulichen Gründen aber nur maximal vier Meter zu. Zehn Meter Amitresen geht einfach nicht. Sechs Meter Platz fehlen da einfach. Die Noch-Besitzer eines sehr unerfolgreichen Zehn Meter Tresens in Eisenach haben wohl zu viele Mafia-Filme im Fernsehen gesehen und müssen den überteuerten Einhunderttausenddollartresen Tresen schleunigst und schnell und überhaupt sehr fix los werden.
Sie haben furchtbar viele Schulden. Denn, der überteuerte amerikanische Kneipen-Tresen mit schnörkeligem Rückbuffet landete zwei Jahre vorher über New York in einem PKW Container als Zuladung nach Frankfurt am Main. Einige clevere Händler verdienten bisher an diesen Transaktionen, oder vermeinten daran zu verdienen. Nur, amerikanischen Langtresen kosteten in Holland zu dieser Zeit, so Zweihundert Mark der Meter. Summa- Summarum wären das Zweitausend Deutschmark zu dieser Zeit gewesen. Das alles war veraltete uneffektive Gastronomiekultur, mit denen sich wenige ernsthafte Gastronomieplaner noch beschäftigten.
Drei semiprofessionelle Gangster aus Eisenach aber nicht. Einer war mal Türsteher in Frankfurt am Main. Ein andrerer war sowas wie ein Wirtschafter, Organisator eines wohl viertklassigen Bordells in Fankfurt. Der Dritte war gar nix, sondern hatte neun Jahre diffuse Knasterfahrung in Stuttgart Stammheim intus. Diese drei "EXPERTEN" erpressten den Salzunger Gastronomen emotional sehr effektiv auf einen Schrottplatz hinter Langenfeld nach Hohleborn in dieser Nacht, wie sie vermeinten.
Einer ballerte mit einer echten 7,65 Pistole theatralisch in eine Melone und in Blech-Schrott-Teile. Ein anderer schlug ihn mit der Faust sehr gekonnt ins Gesicht und der dritte zog ihn aus bis auf die Unterhose und nötigte ihn, einen Kugelschreiber zu benutzen, um einen Kaufvertrag für einen Zehn Meter Tresen aus Amerika zu unterschreiben.
PK Gerd Kremmel hatte in wenigen Stunden nach dem Verhör der Tatbeteiligten in Eisenach am nachfolgendem Vormittag die Zusammenhänge recherchiert. Die dazu gehörigen Verhöre organisierte für ihn ein professionelles Verhörteam aus Eisenach. Die hatten den kompletten Tathergang inklusive der Verhörprotokolle über das Internet dem Kremmel dokumentiert.
Alle drei Tatverdächtigen wurden noch vor dem Eisenacher Sonnenaufgang inklusive Hausdurchsuchung verhaftet und verhört. Alle drei Tatverdächtigten beschuldigten sich gegenseitig in einer Art und Weise, das jeder Staatsanwalt die Höchststrafe um die fünf Jahre locker und leicht fordern konnte - So um zwei bis drei Jahre bekam wohl jeder, die er in Untermaßfeld absitzen musste, wegen der komischen Zehn Meter Tresen aus New York, dem es nun nicht vergönnt war in Bad Salzungen aufgestellt zu werden. Wochen später machte ein Beamter in Erfurt ein Häckchen in das Statistikformular; "§ 253 StGB Fall Nr. 17 ist zu 100% gelöst!"
Als PK Kremmel am Montag um vierzehn Uhr das erste mal offiziel zum Dienst erschien, hatte er seinen ersten Fall schon gelöst - um Neun Uhr Vormittag konnte er nicht zum Dienst erscheinen, weil er seine Oma besuchen musste...
© 2014 Richard Hebstreit (Text für SALZINGE II)
Zum statistischem Jahrbuch der Thüringer Polizei von 20012:
http://www.thueringen.de/.../statistik/jahrbuch_2012_v2.pdf
Man hat es wohl vergessen das Dokument als für die Öffentlichkeit gesperrt zu formatieren, denn......."Dieses Dokument ist ausschließlich für den Dienstgebrauch bestimmt"

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