Das Strafgesetzbuch des Deutschen Kaiserreichs

Mit der Gründung des Zweiten Deutschen Reichs im Jahr 1871 wurden regionale, überlieferte und historisch gewachsene Rechtsnormen durch eine einheitliche Gesetzgebung abgelöst. Auf diese Weise entstanden beispielsweise das Bürgerliche Gesetzbuch und die Grundlagen der heutigen Sozialversicherung. Doch ebenso wurden natürlich auch Gesetzesverstöße einer neuen Rechtslage unterstellt: Am 15. Mai 1871 trat das Deutsche Strafgesetzbuch (StGB) in Kraft und ist seitdem im stetigen Wandel begriffen. So setzten bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts Reformbestrebungen ein, deren Erfolge sich jedoch erst nach dem Untergang des Kaiserreiches zeigen sollten.

Das deutsche Strafrecht zwischen 1919 und 1945

Mit Gründung der so genannten Weimarer Republik hielt in Deutschland ab 1919 eine liberalere und demokratischer angelegte Staatsform Einzug. Diese politisch neue Ausrichtung schlug sich auch im deutschen Strafrecht nieder. So bewirkten die zu Beginn der 1920er Jahre erlassenen Geldstrafengesetze erstmalig einen prozentualen Rückgang der Freiheitsstrafen. Gleichzeitig wandelte sich durch das Jugendgerichtsgesetz von 1923 auch die Rechtsprechung für junge Täter, wobei fortan dem Erziehungsgedanken mehr Bedeutung zukam. Unter anderem wurde die Strafmündigkeit auf die heute noch gültige Untergrenze von 14 Jahren angehoben.

Allgemein gesellten sich im Strafrecht der Weimarer Republik zur reinen Ahndung einer Tat also auch die Ziele Maßregelung, Besserung und Sicherheit. Doch bereits kurz nach Hitlers Machtergreifung kam es zu einer gegenläufigen Entwicklung. 1933 trat das so genannte Gewohnheitsverbrechergesetz in Kraft. Es ermöglichte der Rechtsprechung, selbst für geringfügige Delikte die Todesstrafe auszusprechen, sofern der Täter als Gewohnheitsverbrecher eingeschätzt wurde. Die Folgen dieser juristischen Fehlentwicklung sind hinlänglich bekannt...

Das Strafgesetzbuch der BRD: Eine Geschichte des Wandels

Seit der Gründung der BRD im Jahr 1949 besteht §102 des Grundgesetzes aus einem schlichten Satz: "Die Todesstrafe ist abgeschafft." Entsprechenden Niederschlag fand dieser Umstand im neuen Strafgesetzbuch der BRD (die eine bessere Gesellschaftsordnung propagierende DDR vollzog jenen Schritt übrigens erst 1987!). Doch die Abschaffung der Todesstrafe war nur das deutlichste Kennzeichen eines modernisierten Strafrechts. Weitere Veränderungen betrafen beispielsweise die sprachliche und faktische Bereinigung der Gesetzestextes von nationalsozialistischem Gedankengut.

Seitdem erfuhr die bundesdeutsche Strafgesetzgebung immer wieder Korrekturen, die sich in sechs Strafrechtsreformgesetzen sowie weiteren Änderungsgesetzen niederschlugen. Die Anpassungen betrafen die Kronzeugenregelung sowie die Möglichkeit der Strafaussetzung oder Bewährung. Doch auch verschärfte Sanktionen, beispielsweise bei Sexualdelikten, fanden Einzug in das Strafgesetzbuch. Die bundesdeutsche Justiz wurde durch diese flexibel gestaltete Gesetzgebung in die Lage versetzt, auf jeweils neue Gesellschaftsprobleme wie Drogenmissbrauch, Terrorismus und schließlich auch die Internetkriminalität angemessen reagieren zu können.

Aufbau und Grenzen des bundesdeutschen Strafgesetzbuches

Das Strafgesetzbuch der BRD untergliedert sich in zwei große Zyklen. Der Allgemeine Teil enthält vorwiegend Definitionen zu Täter, Tat und Rechtsfolgen, ungefähr nach dem Schema: Wer kann wann unter welchen Umständen wie bestraft werden? Der Besondere Teil hingegen befasst sich mit einzelnen Delikten und ist daher naturgemäß wesentlich häufiger von Änderungen betroffen.

Das heutige Strafgesetzbuch unterscheidet sich jedoch nicht nur durch die Aufnahme neuer Delikte von seinen Vorgängern. Es ist auf dem Grundsatz der Humanität aufgebaut und beachtet die Verhältnismäßigkeit zwischen Schuld und Strafe. Zudem überwindet das bundesdeutsche Strafgesetzbuch eine Hürde, an welcher sein Vorgänger von 1871 noch scheiterte: Das Strafrecht konzentriert sich nun auf den Kreis tatsächlicher Straftaten. Die Fülle bürgerlicher Ungehorsamkeiten hingegen findet (seit 1952) ihre Maßregelung unter anderem im "Gesetz über Ordnungswidrigkeiten".

Dennoch kann ein einzelnes Gesetzbuch natürlich nicht allumfassend sämtliche Straftaten ahnden. So gibt es für wirtschaftliche, völkerrechtliche oder militärische Angelegenheiten zusätzlich spezifische Strafgesetze. Strafandrohungen finden sich zudem in zahlreichen weiteren Gesetzeswerken, beispielsweise die Bußgeldbestimmungen und der "Punktekatalog" im Verkehrsrecht oder die im Betriebsverfassungsgesetz aufgeführten Rechtsverstöße.

Donky, am 30.09.2019
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