Die Altersvorlieben von Männern und Frauen bei der Partnerwahl
Die Altersvorlieben von Männern und Frauen bei der Auswahl eines Lebenspartners sind Resultat der Evolution, unterliegen aber auch sozioökonomischen, psychologischen und kulturellen Einflüssen.Zur Bedeutung der Benachteiligung von Frauen
Die Beobachtung, dass rund um den Globus bei Frauen das Bedürfnis nach finanzieller Sicherheit im Vordergrund steht, wenn sie ihren Partner wählen, und deshalb gutsituierte ältere Männer bei jungen Frauen große Chancen haben, verweist über ihre evolutionäre Bedingtheit hinaus auf ein soziales Problem, nämlich auf die große Bedeutung sozialer Ungleichheit und die damit verbundene Benachteiligung von Frauen in vielen Gesellschaften. Das heißt: Das Faktum, dass der Mann häufig älter ist als seine Frau, kann auch damit zusammenhängen, dass Berufs- und Karrierechancen für Männer und Frauen immer noch sehr unterschiedlich sind, dass also die Berufsperspektiven sowie die damit verbundene Einkommens- und Vermögensentwicklung für Frauen immer noch deutlich schlechter sind als für Männer – vor allem und erst recht, wenn Kinder dazukommen.
Die Flexibilität der Strategien bei der Partnerwahl
Dass bestimmte Partnerwahlstrategien, wie die männliche Vorliebe für junge Frauen und die weibliche Vorliebe für Männer mit Geld, zwar im Laufe der Evolution entstanden sind, aber ihre Realisierung von den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen abhängt, zeigen auch neuere Forschungsergebnisse, denen zufolge in Gesellschaften, in denen Männer und Frauen annähernd gleichgestellt sind, die traditionellem Muster der Partnerwahl verschwinden. Daraus kann weiter gefolgert werden, dass die Gehirne von Männern und Frauen offenbar nicht auf bestimmte Auswahloptionen festgelegt sind.
Ist die Menopause das Resultat der männlichen Auswahlstrategie?
Auf diese Flexibilität der Auswahloptionen verweist auch ein anderes Resultat der Evolution, das bisher für das Überleben der menschlichen Spezies für wichtig gehalten wurde und das sich im Lichte neuer Forschungsergebnisse nun ebenfalls völlig anders darstellt. So war bisher davon ausgegangen worden, dass die Menopause und die damit verbundene Unfruchtbarkeit verhindern, dass ältere Frauen sich fortpflanzen. Es könnte aber auch, so die These amerikanischer Biologen, genau umgekehrt sein, dass sich nämlich die Menopause überhaupt erst entwickelt hat, weil ältere Frauen seltener einen Partner für die Fortpflanzung finden. Danach hätten die Männer durch die starke Bevorzugung jüngerer Frauen als Geschlechtspartnerinnen in der menschlichen Stammesgeschichte die Chancen älterer Frauen auf eine Empfängnis reduziert. Folglich wäre das Entstehen der Menopause das ungewollte Ergebnis einer speziellen Selektion durch das männliche Geschlecht und keine Entwicklung, die das Überleben der menschlichen Spezies verbessert. Es ist deshalb auch vorstellbar, dass, wenn die Frauen jüngere Männer als Partner bevorzugt hätten, im Laufe der Zeit die älteren Männer unfruchtbar geworden wären.
Der Mann als Vaterersatz und die Frau als Statussymbol
Wie stark evolutionär geprägte und damit für das Überleben der menschlichen Spezies funktionale Strategien bei der Partnerwahl durch andere Faktoren beeinflusst werden können, zeigt auch das Phänomen heterosexueller Beziehungen, in denen der Mann wesentlich älter ist als die Frau, also vom Alter her ihr Vater sein könnte. Psychologen vermuten in einem solchen Fall bei der Frau einen Vaterkomplex. So besagen auch Statistiken, dass Töchter alleinerziehender Mütter häufig nach einem Vaterersatz, nach einem "Sugardaddy", suchen, mit dem das "Sugarbaby" dann alles nachholen will, was es als Kind vermisst hat. Der Mann wiederum hat Angst vor starken Frauen und genießt die Rolle des Beschützers in der Beziehung zu der wesentlich jüngeren Frau. Zudem ist ihm mit ihr an seiner Seite die Bewunderung seines männlichen Umfelds sicher. Insofern dient sie ihm auch als Statussymbol.
Der Traum von der zweiten Jugend - Die Frau als Jungbrunnen
Von ausschlaggebender Bedeutung aber ist für den Mann die Funktion der jungen Frau als Jungbrunnen. Das heißt, er glaubt, in der Beziehung mit der deutlich jüngeren Frau neue Lebenskraft gewinnen und so den Verfall, vor dem er sich fürchtet, weit nach hinten schieben zu können. Er möchte sich zumindest für eine Weile der Illusion hingeben können, dass das Leben nicht endlich ist. Die junge Frau, die zu ihm aufblickt, scheint mit anderen Worten manchem Mann das probate Mittel, um den Traum von einer zweiten Jugend wahr werden zu lassen. Die junge Liebe erscheint ihm wie ein neues Leben.
Zwei verschiedene Welten
Im "grauen Alltag" kann allerdings der Traum älterer Männer, mit der jungen Frau an ihrer Seite die "Midlife Crisis" zu überwinden, schnell zum Alptraum werden, und zwar dann, wenn offensichtlich wird, dass die Interessen beider Partner aufgrund des Altersunterschieds weit auseinanderklaffen. Versucht dann der Mann, seine Interessen denen der jungen Frau anpassen, kann er irgendwann nicht mehr mithalten und gerät unter Dauerstress. Der große Altersunterschied bringt es auch mit sich, dass die Betroffenen unterschiedliche Denkmuster und Wertvorstellungen haben, und zwar sowohl bei Fragen des Alltagslebens als auch bei Fragen von Politik und Moral. Konflikte und Unstimmigkeiten sind so vorprogrammiert. Hinzukommen die unterschiedlichen Lebensziele. So hat die Frau womöglich noch eine langjährige Berufstätigkeit vor sich, während der Mann seine wohlverdiente Rente genießen möchte. Die Partner befinden sich also in unterschiedlichen Phasen ihrer Biographie.
Der Wandel der Alterspräferenzen bei Frauen
Der Traum älterer Männer, eine deutlich jüngere Frau zu "erobern", scheint zudem immer öfter mit den Wünschen der Frauen zu kollidieren. So zeigt eine Studie, dass nur wenige Frauen einen deutlich älteren Partner suchen. Das heißt: Nur fünf Prozent der Frauen unter 29, die befragt wurden, haben Interesse an einem Mann, der mehr als 15 Jahre älter ist als sie, und auch ältere Frauen suchen einen Partner auf Augenhöhe, also einen Mann, der ihnen möglichst auch gesundheitlich und kräftemäßig ebenbürtig ist, und ein deutlich älterer Mann kann diese Ansprüche oft nicht mehr erfüllen, weil diese Frauen meist sehr vital und lebensfroh sind.
Ungleiche Rechte von Männern und Frauen bei der Partnerwahl
Für ältere Frauen, die einen Partner suchen, stellt sich generell das Problem, dass die Männer im "passenden Alter" oft nicht mehr "fit genug" oder dass sie "vergeben" sind, so dass sich die Frauen eigentlich einen jüngeren Partner suchen müssten. Falls der Partner deutlich jünger ist, können nun natürlich die Probleme auftreten, die auch die Partnerschaften zwischen älteren Männern und jungen Frauen belasten. Weitaus gravierender sind jedoch bei Beziehungen zwischen älteren Frauen und jungen Männern die Einflüsse von außen. So merkt eine ältere Frau, die eine Beziehung mit einem deutlich jüngeren Mann eingeht, recht schnell, wie eingangs bereits angedeutet, dass es kein gleiches Recht für beide Geschlechter gibt, dass eine ältere Frau, die für sich das Recht in Anspruch nimmt, in einer Beziehung mit einem jüngen Mann "einen zweiten Frühling erleben zu wollen", vielmehr missbilligende, wenn nicht sogar verächtliche Blicke ihrer Umwelt erntet, während sich der Mann, der das "Wagnis" einer Beziehung mit einer älteren Frau eingeht, oft die herabsetzenden Bemerkungen seiner Geschlechtsgenossen anhören muss. Beide werden mit anderen Worten "für ihre Abweichung von der Norm bestraft".
Die Beziehung von Frauen zu jüngeren Männern als Tabubruch
Man könnte fast den Eindruck gewinnen, als sei die Beziehung zwischen einer Frau und einem Mann, der jünger ist als sie, in modernen Industriegesellschaften genauso gesellschaftlich geächtet wie eine sogenannte "nichtstandesgemäße Ehe" im 19. Jahrhundert, oder stelle einen Tabubruch dar, wie in jüngster Vergangenheit die ersten offen gelebten homosexuellen Beziehungen. Es ist deshalb zu befürchten, dass die Betroffenen dem Druck, der von außen ausgeübt wird, nicht standhalten und wie in den unseligen, alten Zeiten auf ihre "große Liebe" verzichten, alleine bleiben oder sich einen Partner suchen, der "der Norm entspricht". Zwar gibt es eine Reihe von prominenten Paaren, vor allem im Showbusiness, bei denen der Mann zum Teil deutlich jünger ist als die Frau, aber dieser Einstellungswandel hat sich an der gesellschaftliche Basis noch nicht durchgesetzt.
Ein Verstoß gegen das „genetische Gesetz“?
Unterschwellig könnte bei der Aversion gegenüber einem Paar, bei dem die Frau deutlich älter ist als der Mann, eine Rolle spielen, dass dieses Paar offensichtlich gegen die für ehern gehaltenen Grundsätze optimaler Reproduktion verstößt. Dem Mann könnte mit anderen Worten insgeheim der Vorwurf gemacht werden, dass er "seine Jugend an eine Frau verschwendet, die für die Reproduktion von Nachwuchs nicht mehr taugt". Auch hier könnte die umgekehrte Sichtweise weiterhelfen. Das heißt: wenn man die oben beschriebenen Forschungsergebnisse so interpretiert, dass die Menopause bei älteren Frauen nicht natürlich, sondern "produziert" und folglich unter bestimmten Bedingungen reversibel ist, leisten Männer, die eine Beziehung mit einer älteren Frau eingehen, in Wirklichkeit einen Beitrag dazu, die Menopause aufzuschieben und damit die Fruchtbarkeit der Frau über einen längeren Zeitraum zu erhalten.
Unterschiedliche Definitionen des Älterwerdens bei Männern und Frauen
Dass Frauen, die eine Beziehung mit einem jüngeren Mann eingehen, oft "mit Verachtung gestraft werden", während ältere Männer, die eine junge Frau "erobert haben", eher bewundert werden, könnte aber auch - wie eine wissenschaftliche Studie zeigt – tiefere soziokulturelle Ursachen haben. Dabei geht es um die unterschiedlichen Definitionen des "Älterwerdens" bei Männern und Frauen, die sich im Laufe der Kulturgeschichte herausgebildet haben, sowie um die gesellschaftliche Konstruktion von Sexualität und deren Verbindung mit Macht. Generell bedeutet Älterwerden – so die Studie - Werteverlust und damit Verlust an Respekt und Anerkennung. Während jedoch Männer nicht primär durch Jugend und Schönheit, sondern durch Status und Geldbeutel wertemäßig definiert werden und somit anscheinend zunächst im Alter entsprechend wenig an Wert verlieren, ist es bei Frauen ganz anders. Das heißt: In dem Moment, wo Frauen vor allem Jugend, da Jugend gleich Schönheit, verlieren, da werden sie - zumindest öffentlich - "wertlos". Wenn Männer in ihren zweiten Frühling eintreten, treten Frauen oft ein in die Schatten des Unsichtbaren.
Die „Entmachtung“ der älteren Frauen
Während Männer im Alter Potenz und Präsenz durchaus bewahren, wird der nicht mehr jugendlichen Frau nicht nur sexuelle Potenz, sondern auch sexuelles Begehren abgesprochen und damit auch Macht. In diesem Zusammenhang wird in der Studie die Frage aufgeworfen, ob in dieser politisch-sexuellen Norm nicht vielleicht doch noch ein Stückchen "Zähmung" der "widerspenstigen" Frauen durch die sich fürchtende Männerwelt in unserer sonst so modernen Zeit sichtbar wird, und es wird darauf verwiesen, dass im Mittelalter vor allem ältere, arme und alleinstehende Frauen als Hexen diffamiert und hingerichtet wurden. Der Hass gegenüber älteren Frauen, der hier beschrieben wird, und auch die geschilderte Abwendung der Männer von älteren Frauen könnten aber meines Erachtens auch durch Entwicklungen in der Menschheitsgeschichte verursacht worden sein, die noch weiter zurückliegen. Ich meine hier den Übergang vom Matriarchat zum Patriarchat vor rund 6000 Jahren. Denn damit begann der Siegeszug eines Paradigmas von Herrschaftsstreben, Machtgier und Gewalt, die sich vor allem gegen den "unterlegenen Gegner" richtete, und das waren primär die älteren "weisen" Frauen. Man könnte deshalb auch einem jungen Mann, der sich an eine ältere Frau bindet, attestieren, dass er dieser Frau ein Stück Macht zurückgibt.
Fazit
Die Normen, die auch in hochentwickelten, "aufgeklärten" Industriegesellschaften explizit oder implizit die Partnerwahl von Männern und Frauen bestimmen, sind ein Beleg dafür, dass der Weg hin zu einer Gesellschaft, in der Männer und Frauen wirklich gleichberechtigt, noch weit ist. Das heißt: Wirklich gleichberechtigt werden Männer und Frauen erst dann sein, wenn es für beide Geschlechter normal ist, Beziehungen mit deutlich jüngeren Partnern einzugehen.
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(Wer gute Beziehungen möchte, sollte "Giraffensprache" sprechen: Gew...)