Die Chimäre – ein feuerspeiendes Monster und Ungeheuer

 

Nach Homer war die Chimäre (lat. Chimaira) ein dreiköpfiges Monster. Es hatte den Kopf eines Löwen, einer Ziege und einer Schlange. Dieses Wesen lebte einst in Lykien (heute Teil der Türkei). Es verbreitete in der Region Angst uns Schrecken. Mit feurigem Atem äscherte es ganze Dörfer ein, brachte Menschen um und zerstörte die Ernte. Die Chimäre war im Königreich Lykien zur großen Plage geworden.

Eines Tages kam der tapfere Bellerophontes, noch ein Jüngling,  an den Hof von Jobates, König von Lykien. Der König betraute ihn mit dem Himmelsfahrtkommando das brandschatzende Ungeheuer zu vernichten. Bisher war es noch keinem gelungen das Monster zu besiegen. Alle hatten bei dem Versuch den Tod gefunden. Auch König Jobates rechnete fest damit, dass Bellerophontes scheitern und den Tod finden würde. Doch der Jüngling hatte die Göttin Athene auf seiner Seite. Sie sorgte dafür, dass das sagenhafte geflügelte Pferd Pegasus mit ihm in die Schlacht gegen die Bestie zog. Auf Pegasus Rücken nahm der Held die Chimäre mit Pfeil und Bogen unter Beschuss. Doch allein ein Pfeilhagel vermochte nicht die Kreatur zur Strecke zu bringen. Vielmehr drohte der feurige Atem des Ungeheuers den Helden zu verbrennen, als er ihm zu nahe kam. Und so kam Bellerophontes eine Idee. Er befestigte an seinen Speer einen Bleiklumpen. Auf diese Weise bewaffnet griff er das Fabelwesen von vorne an und stieß, als er dem Tier nahe genug war, seinen Speer in den Rachen. Der heiße Atem des Biestes schmolz das Blei. Es breitete sich sodann im ganzen Rachenraum aus. Letztendlich erstickte die Bestie an dem Metallklumpen. 

Und dort, wo das sterbende Monster zu Boden fiel, entzündete es die immer währenden Feuer. Nach den Überlieferungen soll auch an dieser Stelle der einstige Wohnort des Ungeheuers gewesen sein.

Chimära nicht weit vom Badeort Side in der Türkei entfernt

Heute weiß man, dass es sich bei den brennenden Steinen von Yanartas um ein geologisches Phänomen handelt. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass dort brennbare Gase wie Methan austreten und sich entzünden. Doch die damaligen Menschen konnten sich das immer währende Feuer auf einem Felsplateau nicht erklären. Und so lag über den Ort über eine längere Zeit eine Aura des Mystischen. Wer den mythischen Schauplatz selbst besucht, wird sich der Magie nicht entziehen können.

Die Feuer aus dem Felsgestein sind heute eine ganz besondere Attraktion der südlichen Türkei. Von der Touristenhochburg Side aus erreicht man das außergewöhnliche Naturphänomen in ungefähr zweieinhalb Stunden. Doch die Flammen aus der Erde entschädigen einen auf jeden Fall für die längere Anfahrt.

Schotterweg führt zum Berg Chimaira

Schotterweg führt zum Berg Chimaira (Bild: Foto:ToniVipa)

Die brennenden Steine von Yarnatas sind eine Sehenswürdigkeit im Süden der Türkei

Überwiegend ist man auf der gut ausgebauten Küstenstraße 400 bis zur sichtbar ausgeschilderten Ausfahrt "Yanartas/Cirali" unterwegs. Ab da an mutet sich der weitere Weg ein wenig abenteuerlich an. Enge Serpentinen führen durch ein schattiges Waldstück nach unten. Im Tal angekommen stößt man noch auf einen touristisch angehauchten Vorposten menschlicher Zivilisation. Nach dem Überqueren einer Brücke tauchen nur noch sporadisch kleine Bauernhäuser auf, die man bald hinter sich gelassen hat. Die Straße wird zunehmend zu einer Schotterpiste. Die Hinterreifen des Wagens wirbeln soviel Staub und Dreck auf, so dass sich innerhalb kürzester Zeit eine riesige Staubwolke hinter dem Fahrzeug gebildet hat.

Schrittgeschwindigkeit und äußerste Vorsicht ist hier angesagt. Der Fahrer muss sich auf der Piste zwischen spitz heraus ragenden Steinen und Schlaglöcher schlängeln, die immer breiter und tiefer werden. Man läuft hier leicht Gefahr sich einen Platten einzufangen. Der Schotterweg scheint nicht mehr enden zu wollen. Irgendwann taucht dann doch in der Ferne ein kleines Wäldchen auf, vor dem unter den Schatten spendenden Bäumen bereits ein paar Autos parken. Endlich, das Ziel ist erreicht: Chimaira.

Pfad zu den ewigen Feuern

Pfad zu den ewigen Feuern (Bild: Toni Vipa)

Idyllischer Wanderweg ins Reich der Sagen und der Mythologie

Am Fuße des mythologischen Berges Chimaira angekommen, vom Waldrand aus, sind noch 1000 Meter per Pedes zu bewältigen. Es führt ein idyllischer Pfad den bewaldeten Berg bis zum epochalen Schauplatz der Heldensaga hinauf. Nadelbäume säumen den Weg und spenden Schatten. Wer in den Sommermonaten in der  Türkei schon mal war, weiß, wie heiß es tagsüber werden kann und wie dankbar man über jeden Schatten ist. Nach einem 20-minütigen Aufstieg, lichtet sich der Wald und ein felsiges Plateau breitet sich vor einem aus. Auf der Lichtung scheint jegliche Vegetation gewichen zu sein. Nur nackter Fels ist zu sehen. Nachdem sich das Auge an das Szenario gewöhnt hat, nimmt man langsam an diversen Stellen dunkle Flecken im Gestein wahr. Aus diesen züngeln Flammen unterschiedlicher Intensität. Die dunklen Bereiche scheinen über das gesamte Hochplateau verstreut zu sein. Dabei ist auffallend, dass das gesamte felsige Areal ringsum durch Bäume umgeben ist. Es wirkt so, als ob hier ein Flugzeug abgestürzt wäre. Jedenfalls wird man das Gefühl nicht los.

auf dem Felsplateau die brennenden ...

auf dem Felsplateau die brennenden Steine von Yanartas (Bild: Toni Vipa)

Tempel und Kultplatz – Chimära, ein Kraftort im Süden der Türkei

Hier hat Bellerophontes auf dem Rücken des geflügelten Pferdes Pegasus das feuerspeiende Ungeheuer, die Chimäre besiegt. Der Schauplatz ist faszinierend. Dass sich um den Ort in der Vergangenheit ein regelrechter Kult gebildet hat, ist nicht verwunderlich. Umgestürzte Säulen und Stelen in der Nähe der Feuerstellen zeugen noch von der Verehrung des Feuerplatzes. Am Rande der Lichtung sind noch die Ruinen eines verfallenen Tempels zu bestaunen. Hier stand einst ein Hephaistos-Tempel. Doch die Gemäuer, die heute noch zu sehen sind, stammen von einer dreischiffigen, christlichen Basilika.

Hier stand einst der Hephaistos-Tempel

Hier stand einst der Hephaistos-Tempel (Bild: Toni Vipa)

Hephaistos war der Sohn von Gottvater Zeus und seiner Gemahlin Hera.  In der griechischen Mythologie galt er als Gott des Feuers und der Schmiede. Er versorgte die Götter des Olymps und die Helden und Heroen mit unbesiegbaren Waffen und zauberhaften Artefakten.

Es erstaunt einen nicht, dass Hephaistos gerade an diesem Ort des Feuers gehuldigt wurde. Im nahegelegenen Ort Olympos galt der Gott des Feuers als der Hauptgott schlechthin. Hier oben auf dem Felsplateau ist die Magie und die Kraft regelrecht in der Luft zu spüren. Auch wen man der mythologischen Entstehungsgeschichte der immer während brennenden Steine keinen Glauben schenken mag, ist der Ort doch ein erstaunliches Naturwunder, das Jahrhunderte, wenn nicht schon Jahrtausende bereits währt. 

Ewige Feuer oder der Atem der Chimäre (Bild: Toni Vipa)

Die brennenden Steine von Yanartas sind ein geologisches Naturphänomen

Schon Plinius der Ältere (1. Jahrhundert vor Christus) schrieb von Flammen, die aus der Erde schossen. Man brauche nur mit einem brennenden Stock die Erde zu berühren. Betrachtet man heute die Stellen, aus denen das Feuer kommt, sieht man ausgehöhlte, schwarze Erdlöcher im Gestein. An manchen brennt kein Feuer. Entzündet man jedoch oberhalb der schwarzen Flecken ein Zündholz, bildet sich sogleich eine kleine Flamme. Über die Jahrhunderte haben sich die Bestandteile der Gase geändert. So erklärt sich auch, dass die Flammen in der Vergangenheit höher loderten als heute. Seefahrer berichteten bereits in der Antike, dass man die Feuer von Chimära des Nachts bereits vom Meer her gut sehen konnte. Kapitän Sir Francis Beaufort, der im Jahr 1811 vor der Südküste der Türkei segelte, erwähnte sogar im seinem Logbuch Flammen, die über ein halben Meter hoch gewesen sein sollen. Dies kann man sich gut vorstellen, wenn man auf  Steinplateau steht und eine gute Aussicht hinunter aufs Meer hat.

 Ob nun durch die Sage inspiriert oder durch das geologische Phänomen beeindruckt, das Plateau der brennenden Steine von Yanartas ist eines der Orte auf der Welt, dem das gewisse Magische anhaftet. Man möchte gerne glauben, dass es sich hier tatsächlich und das sagenumwobene, mythologische Schlachtfeld handelt, auf dem die Chimäre besiegt wurde.

Übrigens: Unter vorgehaltener Hand wird sogar noch heute gemunkelt, dass die Chimäre nicht wirklich getötet worden sei. Das göttliche Fabelwesen lebe unter dem harten Felsengestein und dessen Atem gelange noch heute an die Oberfläche und halte die Feuer am Brennen. Wer weiß, vielleicht ist an diesem Gerücht etwas dran?

Ergänzende Informationen

Chimäre (deutsch), Chimaira (lat.) stammte von Typhon und Echidna ab, die ebenfalls Ungeheuer der griechischen Mythologie waren. Thyphon galt dabei als ein unsagbar hässliches Monster. Es war ein riesiges Ungeheuer mit Hunderten von Drachen- und Schlangenköpfen.

Die Chimäre war kein Einzelkind. Sie hatte Furcht einflößende Brüder und Schwestern. Hierzu zählte die Hydra, ein mehrköpfiges Schlangenungeheuer, der dreiköpfige Höllenhund Kerberos, der den Eingang zum Hades bewachte,  die Sphinx, ein Löwe mit Flügeln und Frauenkopf, Ethon, einen gigantischen Adler, sowie den zweiköpfigen Hund Orthos.

 

Autor seit 12 Jahren
10 Seiten
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