Das Agieren Präsident Trumps

Aufgrund seiner weitreichenden Befugnisse wäre der US-Präsident der wichtigste Akteur im Kampf gegen die Ausbreitung einer gefährlichen, hochansteckenden Krankheit. Er müsste also die notwendigen Entscheidungen treffen und Maßnahmen anordnen, um dieser Epidemie Herr zu werden. Aber dazu müsste er natürlich erst einmal zur Kenntnis nehmen, dass ein solcher Notstand existiert. Und bei Donald Trump, dem derzeitigen Präsidenten der Vereinigten Staaten, war das zunächst nicht der Fall. Denn als im Januar dieses Jahres in den Medien die ersten Meldungen über ein neues Virus auftauchten, das eine gefährliche Lungenkrankheit verursacht und sich von China aus über weitere Länder ausbreiten könnte, tat er diese Meldungen als "Fake News", als Erfindung der Demokraten, ab.

Als dann in den USA tatsächlich immer mehr Menschen an COVID-19 erkrankten, spielte er die Gefahren herunter und meinte, diese Krankheit sei wie eine Grippe, und es gäbe auch nur wenige Fälle. Die ganze Sache wäre schnell vorbei. Jedenfalls ist durch dieses Leugnen und Bagatellisieren wertvolle Zeit verstrichen, in der sich das Coronavirus in den USA ungehindert ausbreiten konnte. Als Trump endlich erkannte, dass es sich um eine gefährliche Krankheit handelt, und ernsthafte Gegenmaßnahmen wie das "Social Distancing" und das dadurch bedingte Herunterfahren der Wirtschaft veranlasste, war das Kind sozusagen schon in den Brunnen gefallen.

Und die stärkste Motivation, um schließlich doch entschlossen gegen die weitere Ausbreitung des Coronavirus vorzugehen, bestand bei Präsident Trump offensichtlich nicht primär in der Sorge um das Wohlergehen der Amerikaner, sondern vor allem in der Sorge, wegen dieses Desasters im November dieses Jahres nicht wiedergewählt zu werden. Deshalb versucht er auch, die Schuld an der Corona-Katastrophe in den USA anderen in die Schuhe zu schieben, vor allem der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die seiner Meinung nach die Ausbreitung des Virus vertuscht hat, um China einen Gefallen zu tun. Aus diesem Grund hat er auch die Zahlungen an die WHO vorläufig eingestellt, gefährdet damit aber die Finanzierung wichtiger Projekte im Kampf gegen das Coronavirus.

Die wichtigsten Fakten zur Corona-Katastrophe in den USA

Besonders stark betroffen von der Verbreitung der Lungenkrankheit COVID-19 ist der US-Bundesstaat New York, wo 20 Millionen Menschen leben, davon 8,4 Millionen Einwohner in New York City. New York City ist inzwischen das Zentrum der Corona-Pandemie. Hier sind allein bisher 12 000 Menschen an COVID-19 gestorben. Und wenn niemand die Toten kennt oder wenn sich die Hinterbliebenen keine Beerdigung leisten können, werden sie – anonym - auf Amerikas größtem Armenfriedhof bestattet: einer Insel vor der Küste des Stadtteils "Bronx" mit dem Namen "Hart Island", und damit an einem Ort, wie man ihn sich – das zeigen Bilder - trostloser kaum vorstellen kann. Von einer würdevollen Bestattung kann hier jedenfalls keine Rede sein. Mich erinnert das Ganze eher an "Entsorgung von Abfall".

Aber auch die Bundesstaaten Michigan mit der Metropole Detroit und Louisiana mit der Metropole New Orleans weisen hohe Zahlen von Infizierten und Verstorbenen auf. In Louisiana sollen sich zahlreiche Menschen bei den Karnevalsveranstaltungen im Februar mit COVID-19 angesteckt haben. Und es sind vor allem Schwarze, die durch das Coronavirus sterben. Das heißt: Das Todesrisiko ist für Afroamerikaner sieben Mal höher als für Weiße. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass viele Afroamerikaner arm sind und deshalb in beengten Wohnverhältnissen leben sowie an Vorerkrankungen leiden.

Auffällig ist auch, dass entgegen den Erwartungen in den USA Jüngere stärker vom Coronavirus bedroht sein könnten. So sind nach Angaben des "Centers for Disease Control and Prevention" fast 40 Prozent der US-amerikanischen Covid-19-Patienten, die ins Krankenhaus eingeliefert wurden, unter 55 Jahre alt und 20 Prozent zwischen 20 und 44 Jahre alt. Es hat sogar schon Todesfälle bei Säuglingen gegeben.

 

Die Folgen für das Gesundheitssystem und die Wirtschaft

Es wird zudem immer deutlicher, dass das amerikanische Gesundheitssystem auf eine Pandemie dieses Ausmaßes überhaupt nicht vorbereitet war. Denn dort, wo die Seuche am schlimmsten wütet, arbeiten die Hospitäler schon an der Grenze der Belastungsfähigkeit. Es fehlt an allem: an Atemmasken und Schutzkleidung, Handschuhen und Beatmungsgeräten. In dieser Notlage sind in New York schon mehrere Behelfskrankenhäuser eingerichtet worden, unter anderem in einer gotischen Kathedrale und im Central Park, und Privatleute haben - u.a. mit Spenden - helfend eingegriffen. Das alles zeigt, dass das amerikanische Gesundheitssystem dann versagt, wenn es Leistungen erbringen soll, die für seine Betreiber nicht profitabel sind.

Hinzu kommt ein ökonomisches Desaster. Das heißt: Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben in den USA den stärksten Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität seit 1947 zur Folge, so dass viele Amerikaner ihren Arbeitsplatz verloren und sich arbeitslos gemeldet haben. Und zwar haben seit Mitte März rund 26 Millionen Menschen Arbeitslosenhilfe beantragt. Und da viele Amerikaner über ihren Arbeitsplatz krankenversichert sind, verlieren sie bei Arbeitslosigkeit oft auch ihren Versicherungsschutz. Außerdem gibt es in den USA keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und kein Kurzarbeitergeld. Knapp 30 Millionen Menschen in den USA waren nie krankenversichert. Gesundheitsminister Alex Azar hat aber angekündigt, dass die Behandlungskosten für Corona-Patienten ohne Krankenversicherung übernommen würden.

Donald Trump, der Wohltäter?

Die US-Bürger werden zurzeit noch mit weiteren sozialen Wohltaten beglückt. So ist als Reaktion auf die sich abzeichnende schwere Rezession vom Kongress ein Hilfspakt mit einem Volumen von 2 Billionen Dollar beschlossen worden, in dem die Leistungen der Arbeitslosenversicherung massiv ausgebaut worden sind, so dass sich nun etwa auch Freiberufler und Selbständige arbeitslos melden können, wenn sie durch die Corona-Krise keine Aufträge mehr bekommen. Und die Regierung in Washington legt auf die reguläre Unterstützung für jeden Arbeitslosen zusätzlich wöchentlich noch 600 Dollar drauf.

Ferner sollen 70 Millionen Amerikaner eine direkte Finanzspritze von 1.200 Dollar erhalten. Pro Kind soll es noch 500 Dollar zusätzlich geben. Die Auszahlung dieser Gelder hat sich jedoch verzögert, weil Präsident Trump darauf bestanden hat, dass sein Name auf den Schecks erscheint. Die glücklichen Empfänger sollen also sofort sehen, wem sie den unerwarteten Geldsegen zu verdanken haben. Auch hier geht es wohl weniger um Nächstenliebe als um Wahlkampf. Und durch die zusätzlichen finanziellen Hilfen für viele US-Bürger soll auch die Massenkaufkraft gestärkt werden, um die Wirtschaft in den USA vor einem völligen Absturz zu bewahren. Grundsätzlich ist es aber sicherlich richtig und wichtig, dass in der derzeitigen Situation die Republikaner mal ihre Abneigung gegen Sozialleistungen vergessen und gemeinsam mit den Demokraten den Bürgern finanziell unter die Arme greifen.

König Donald von Amerika?

Dass Präsident Trump aber nach wie vor "der Alte" ist und sich auch in der derzeitigen katastrophalen Lage nicht etwa "vom Saulus zum Paulus" gewandelt hat, zeigt der Machtkampf, den er sich mit zurzeit mit den Gouverneuren einzelner Bundesstaaten liefert und bei dem er regelrechte Allmachtsphantasien entwickelt, was einen Gouverneur zu der Mahnung veranlasst hat, Amerika habe keinen König, sondern einen gewählten Präsidenten.

Bei dieser Auseinandersetzung geht es vor allem um Trumps Forderung nach einer schnellen Lockerung der Maßnahmen, die zur Eindämmung der Pandemie ergriffen worden sind. Offensichtlich verfolgt er das Ziel, dass sich die Wirtschaft bis zum Herbst wieder so weit erholt, dass er mit einer glänzenden Bilanz in den Präsidentschaftswahlkampf starten kann. Und dabei kann er mit der Unterstützung seiner Anhänger rechnen. Diese protestieren inzwischen lautstark gegen die Einschränkungen des öffentlichen Lebens und treten mitunter schwerbewaffnet auf. Dann plädiert Trump wieder – seine Umfragewerte fest im Blick – für eine Verlängerung der strikten Maßnahmen. Wenn man sich also bei Trump auf etwas verlassen kann – dann ist es seine Unberechenbarkeit.

Schlusswort

Im Hinblick auf die weitere Entwicklung in den USA halte ich zwei Horrorszenarien für möglich:

  1. Die Corona-Pandemie nimmt in den USA solche Ausmaße an, dass Trump damit rechnen muss, nicht wiedergewählt zu werden, und deshalb die Ausbreitung des Virus zum Vorwand nimmt, um die Präsidentschaftswahl abzusagen, so dass er – auf unbestimmte Zeit – weiter im Amt bliebe. Er würde dies damit begründen, dass sich Amerika im Krieg gegen einen unsichtbaren Feind befindet – er pflegt ja jetzt schon eine Kriegsrhetorik – und würde an den Zweiten Weltkrieg erinnern, als Präsident Roosevelt wegen der besondere Umstände länger als zwei Amtszeiten regieren durfte.
  2. Die Präsidentschaftswahl findet trotz der Corona-Katastrophe statt, Trump verliert, weigert sich aber, seine Niederlage anzuerkennen, mit dem Argument, die Auszählung der Wählerstimmen sei nicht korrekt gewesen. Militante Gruppen am rechten Rand machen daraufhin mobil, um "ihren Präsidenten" weiter im Amt zu halten. Sie verüben Anschläge auf verhasste Gegner und wollen die USA in einen neuen Bürgerkrieg hineintreiben, der nun noch zur Corona-Katastrophe hinzukäme. Die USA wären endgültig der Drittweltstaat geworden, der sie auch heute in Teilen schon sind, wenn man an die krasse soziale Ungleichheit und die Diskriminierung der Armen denkt.

Beide Szenarien müssen natürlich nicht eintreten. Es ist auch vorstellbar, dass Präsident Trump wegen seiner "Verdienste" im Kampf gegen die Corona-Pandemie wiedergewählt wird oder dass er die Präsidentschaftswahl wegen seines Versagens verliert, und es zu einer reibungslosen Amtsübergabe an seinen Nachfolger kommt. Es steht allerdings zu befürchten, dass nach der Krise die Republikaner "zur Tagesordnung übergehen" und die Menschen wieder in ihren existenziellen Nöten alleinlassen wollen. Vielleicht führt aber diesbezüglich die Corona-Katastrophe zu einem Mentalitätswandel.

Zum Schluss noch ein – zugegeben makabrer – Witz: Präsident Trump trifft sich mit dem Sensenmann und fragt ihn, warum es ausgerechnet in den USA die meisten Corona-Toten gäbe. Antwortet der Sensenmann: "America first".

 

Bilder von der Toteninsel kann man sich hier anschauen:

https://www.spiegel.de/politik/ausland/corona-friedhof-fuer-new-yorks-arme-hart-island-die-toteninsel-a-f11cea22-c291-420d-a698-bdd091ff01a7?sara_ecid=nl_upd_1jtzCCtmxpVo9GAZr2b4X8GquyeAc9&nlid=rllbdrav

 

Autor seit 11 Jahren
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