Die grundlegenden Voraussetzungen der politischen Wende von 1989

Bis 1989 schienen die grundlegenden politischen Verhältnisse, die Einteilung der Welt in zwei Blöcke, nämlich in NATO und Warschauer Pakt, die sich mehr oder weniger feindselig in einer Art "Kalter Krieg" gegenüberstanden, wie zementiert. Dabei wird gerne übersehen, dass diese starre Konfrontation zwischen Ost und West bereits seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu bröckeln begann, und zwar zunächst durch die von dem damaligen Bundeskanzler Willi Brandt initiierte sogenannte Entspannungspolitik gegenüber der Sowjetunion. In den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts kam es zwar immer wieder zu neuen Verhärtungen im Verhältnis zwischen Ost und West, aber letztlich gewannen auf beiden Seiten die Bemühungen um politische Verständigung die Oberhand.

Von ausschlaggebender Bedeutung war dabei die Wahl Michail Gorbatschows zum Generalsekretär der KPDSU 1985 und schließlich auch zum Präsidenten der Sowjetunion. Denn Gorbatschow war ein Politiker, der das politische System der Sowjetunion unter den Leitmotiven "Glasnost" und "Perestroika" reformieren, damit ein Stück weit demokratisieren, aber auch auf die sowjetische Vormachtstellung in Ostmitteleuropa verzichten wollte. Dadurch wurden politische Veränderungen in Gang gesetzt, die auch auf andere Länder des damaligen Ostblocks übergriffen. In Polen war bereits vor der Ära Gorbatschow eine vom Staat unabhängige Gewerkschaft entstanden – die "Solidarnosc".

Der Ablauf der Ereignisse im Revolutionsjahr

Polen war auch das erste Land, in dem 1989 die Alleinherrschaft der kommunistischen Partei beendet wurde, und zwar mit der – halbfreien – Wahl im Juni. Dann folgten mit Bestrebungen um Reformen Ungarn, dessen kommunistische Regierung im Mai begann, den Grenzzaun zu Österreich abzubauen, und damit den "Eisernen Vorhang", der bis dahin Ost und West getrennt hatte, durchlässig machte, sowie die Tschechoslowakei. Was aber geschah in der DDR? Am 7. Oktober wurde von den SED-Oberen noch pompös der vierzigste Jahrestag des Bestehens der DDR gefeiert, aber zu dem Zeitpunkt war bereits unübersehbar, dass auch ihr Herrschaftssystem immer mehr ins Wanken geriet. Deutlichste Indizien dafür waren die immer größere Ausmaße annehmende Massenflucht von DDR-Bürgern über andere Ostblockstaaten wie Ungarn und die Tschechoslowakei in den Westen sowie die stark wachsende Protestbewegung in der DDR, deren Macht letztlich in Massendemonstrationen zum Ausdruck kam.

Immer mehr DDR-Bürger ließen sich also durch drohende oder auch erlebte staatliche Repression und Gewalt nicht mehr einschüchtern und gingen in immer größerer Zahl auf die Straße, um friedlich zu demonstrieren. Dabei gilt die Massendemonstration am 9. Oktober in Leipzig als Wendepunkt der friedlichen Revolution. Denn an diesem Tag verzichtete die SED-Führung erstmals auf jegliche Gewaltanwendung gegenüber den Demonstranten. Offensichtlich hatten die Verantwortlichen vor der riesigen Menschenmenge kapituliert.

Ein wichtiger Auslöser der Protestbewegung war die offensichtliche Fälschung der Ergebnisse der Kommunalwahlen vom 7. Mai 1989. Solche Fälschungen waren zwar "an der Tagesordnung", aber diesmal wollten viele DDR-Bürger dies nicht mehr hinnehmen. Hinzukamen die katastrophale wirtschaftliche Lage der DDR und der – im Vergleich mit den Regierungen anderer "sozialistischer Bruderländer" – eklatante Mangel an Reformbereitschaft bei den politisch Verantwortlichen. Viele DDR-Bürger waren auch davon abgestoßen, dass die SED-Oberen die kommunistische Führung in China nach der blutigen Niederschlagung der Studentenrebellion im Juni 1989 demonstrativ unterstützt hatten.

Die SED versuchte dann noch durch ein Auswechseln ihrer Führungsspitze, also die Ersetzung von Erich Honecker durch Egon Krenz am 18. Oktober, und durch die Wahl des als Reformer geltenden SED-Politbüromitglieds Hans Modrow zum Ministerpräsidenten, ihre Macht und damit das politische und gesellschaftliche System der DDR zu retten, aber nach der Öffnung der Grenzen zwischen DDR und Bundesrepublik am 9. November - die Ausdruck der Ratlosigkeit der SED-Führung war - fuhr der Zug in eine andere Richtung, nämlich Auflösung der DDR und letztlich der Beitritt Ostdeutschlands zur Bundesrepublik.

Wichtige Träger des Protests und ihre Ziele

Aus heutiger Sicht erscheint der Ablauf der Ereignisse im Revolutionsjahr 1989 beinahe wie ein Automatismus, und man könnte auch den Eindruck gewinnen, dass von den Protestierenden frühzeitig die deutsche Wiedervereinigung angestrebt worden sei. Tatsächlich hatten jedoch Diejenigen, die bei der Organisierung und Durchführung des Massenprotests besonders aktiv waren – darunter viele Pfarrer und Theologen - offensichtlich zunächst andere Ziele. Diese gründeten nämlich oppositionelle Vereinigungen wie das "Neue Forum", "Demokratie Jetzt" und "Demokratischer Aufbruch", die sich als basisdemokratisch organisierte Bürgerbewegungen verstanden und sich für politische Reformen in der DDR, also für eine Erneuerung der DDR, einsetzten.

Neben grundsätzlicher Kritik am Sozialismus gab es also in der DDR auch Stimmen, die für eine Reform des Systems der DDR im Sinne eines demokratisch erneuerten Sozialismus plädierten und der "westlichen Konsumgesellschaft" eher ablehnend gegenüberstanden. Hinsichtlich der Haltung zum Sozialismus, zur Marktwirtschaft und zur Wiedervereinigung aber auch zum Thema "Ausreise" gab es folglich bei den oppositionellen Gruppierungen unterschiedliche Positionen. Eine gemeinsame Kernforderung war die Abhaltung freier und geheimer Wahlen. Darüber hinaus forderten sie in einer "Gemeinsamen Erklärung" vom 3. November 1989 eine Verfassungsreform, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie Pressefreiheit.

Nach dem Fall der Mauer am 9. November 1989 war die SED-Führung auch bereit, über politische Reformen in der DDR zu diskutieren. Resultat war die Einrichtung des zentralen "Runden Tisches", an dem sich am 7. Dezember 1989 zum ersten Mal Vertreterinnen und Vertreter von sieben oppositionellen Gruppen mit Vertretern der SED und der inzwischen aufgelösten vier Blockparteien (CDU, LDPD, NDPD, DBD) trafen. Auf Beschluss des Gremiums wurden acht Vertreterinnen und Vertreter der Opposition ab dem 5. Februar 1990 an der Regierung beteiligt. Auch auf regionaler und kommunaler Ebene fand eine solche Machtteilung statt. Der Runde Tisch traf sich insgesamt sechzehnmal und beriet am Ende auch über eine Reform der DDR-Verfassung.

Im Eiltempo zur Wiedervereinigung

Am Ende des Jahres 1989 hatte also die SED-Führung, nachdem sie sich bereits personell erneuert hatte, die Vertreterinnen und Vertreter der politischen Opposition als gleichberechtigte Gesprächspartner anerkannt und ihnen eine Teilhabe an der Macht ermöglicht – alles Dinge, von denen frühere Generationen von DDR-Oppositionellen nur träumen konnten. Doch nicht die Ergebnisse, die an den Runden Tischen erzielt wurden, entschieden letztlich über die Zukunft der DDR und ihrer Bürger, sondern von entscheidender Bedeutung dafür war die Machtverteilung, die durch die erste freie Volkskammerwahl am 18. März 1990 zustande kam.

Im Vorfeld dieser Wahl hatten sich das "Neue Forum", die Initiative "Frieden und Menschenrechte" sowie "Demokratie Jetzt" zum "Bündnis 90" zusammengeschlossen. Der Demokratische Aufbruch hatte mit der CDU-Ost und der "Deutschen Sozialen Union" die "Allianz für Deutschland" gebildet. Die Allianz war mit 48 Prozent die große Siegerin der Wahl, während das Bündnis 90 nur 2,9 der Stimmen erreichte. Ausschlaggebend für den Wahlerfolg der "Allianz für Deutschland" war die Unterstützung im Wahlkampf durch Bundeskanzler Helmut Kohl. Denn dieser stellte eine schnelle Wiedervereinigung in Aussicht und entsprach damit offensichtlich den Wünschen vieler DDR-Bürger. Der Wahlausgang am 18. März bedeutete damit eine politische, wirtschaftliche und sozialpolitische Richtungsentscheidung, und diese wurde durch die Verträge, die zum 1. Juli 1990 die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion einleiteten, bestätigt sowie durch den Einigungsvertrag langfristig befestigt.

Am 1. Juli 1990 hat Kohl dann noch in einer Fernsehansprache die Zuversicht geäußert, es würde niemandem schlechter gehen als zuvor und überall würden "blühende Landschaften" entstehen. Genau das erwarteten die allermeisten Menschen im Osten, die am 18. März 1990 für die Allianz gestimmt hatten. Der Wahlausgang am 18. März 1990 war deshalb nach Expertenmeinung auch ein Indiz dafür, wie stark die ostdeutsche Gesellschaft bereit war, die Diktatur gegen neue Heilsversprechen einzutauschen. Man könne hier auch von einem traditionellen Etatismus sprechen: Der Staat würde es schon richten. Viele Ostdeutsche glaubten offenbar auch - im Sinne eines naiven ethnischen Nationalismus - ihre Zugehörigkeit qua Geburt zur "deutschen Nation" würde eine Art umfassende, familiäre Hilfe der Westdeutschen möglich machen.

Die deutsche Wiedervereinigung wurde dann formell am 3. Oktober 1990 vollzogen, und zwar durch den Beitritt der ostdeutschen Länder zur Bundesrepublik nach Artikel 23 GG.

Ich möchte in meinen nächsten Artikeln zeigen, wie die deutsche Wiedervereinigung konkret abgelaufen ist und was aus den Hoffnungen und Träumen der Ostdeutschen geworden ist.

Quellennachweis:

https://de.wikipedia.org/wiki/Wende_und_friedliche_Revolution_in_der_DDR

http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/296711/ddr-buergerrechtsbewegungen

http://www.bpb.de/apuz/295455/das-letzte-jahr-der-ddr

Bildnachweis:

Peter Dargatz/pixabay.com

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