Die ökonomischen und sozialen Auswirkungen des Krieges

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat bereits weltweite ökonomische und soziale Auswirkungen. Denn aufgrund ihrer vielfältigen Handelsbeziehungen ist die Ukraine ein wichtiger Faktor in der Weltwirtschaft, der nun ausfällt. Infolge des Krieges sind also wichtige Lieferketten unterbrochen. Das gilt insbesondere für Getreide. Da Russland mittlerweile mit zahlreichen Sanktionen belegt ist, droht auch ein Ausfall der Getreidelieferungen aus Russland. Folge könnte ein erheblicher Anstieg der Getreidepreise sein, so dass die Menschen in den armen Ländern des Südens diese nicht mehr bezahlen können. Es droht deshalb eine Hungersnot, von der mehrere Milliarden Menschen betroffen sein könnten. Es könnten sich folglich auch viele von Hunger bedrohte Menschen auf den Weg nach Europa machen, die dann zu der großen Zahl von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine noch hinzukämen.

Hier stellt sich die Frage, wie die Unterbringung und Versorgung so vieler Flüchtlinge finanziert werden soll. In Deutschland zeigen sich schon viele Kommunen durch den Zustrom der Flüchtlinge aus der Ukraine überfordert, rufen deshalb nach Unterstützung durch die Länder, und diese rufen nach Unterstützung durch den Bund. Es besteht hier meines Erachtens die Gefahr, dass aufgrund von finanzieller Überforderung in Zukunft zwischen Flüchtlingen erster Klasse, nämlich denen aus der Ukraine, und Flüchtlingen zweiter Klasse, nämlich denen aus Ländern des armen Südens, unterschieden und versucht wird, letztere so schnell wie möglich in das Elend, das in ihren Herkunftsländern herrscht, zurückzuschicken.

Hinzukommen könnte eine finanzielle Überforderung des Staates bei dem Versuch, den derzeitigen massiven Anstieg der Preise für Öl und Gas auszugleichen. Folge könnte sein, dass die "Zeche" letztlich doch die Verbraucherinnen und Verbrauer bezahlen müssen, sich diese deshalb an anderer Stelle einschränken müssen, so dass der Konjunkturaufschwung, der nach der Corona-Pandemie gerade wieder an Fahrt aufnahm, wieder abgewürgt würde. Aufgrund der hohen Energiepreise drohen zudem Firmenpleiten, was wiederum einen Anstieg der Arbeitslosigkeit und damit eine weitere finanzielle Belastung des Staates nach sich ziehen könnte. Ferner gibt es in Deutschland mittlerweile 3000 marode Brücken, die ebenfalls mit staatlichen Geldern saniert werden müssten. Und das Personal in den Alten- und Pflegeheimen sowie in den Krankenhäusern soll ja auch in Zukunft besser bezahlt werden.

Risikofaktor "Aufrüstung"

Geradezu "Dynamit" für unseren Staat aber könnte eine Reaktion auf Putins Krieg darstellen, die als ein Rückfall in die Denkmuster des "Kalten Krieges" mit ihrer Ideologie der "Abschreckung" umschrieben werden kann, denn diese beinhaltet auch ein kräftiges Drehen an der Rüstungsschraube mit dem entsprechenden Finanzbedarf. Beste Beispiele dafür sind die von Bundeskanzler Olaf Scholz auf den Weg gebrachte - im Grundgesetz abgesicherte - Einrichtung eines Sondervermögens von 100 Milliarden Euro für die Aufrüstung der Bundeswehr sowie die Aufstockung des "normalen" Rüstungsetats auf über 2% des Bundeshaushalts. Gleichzeitig soll die Schuldenbremse im Grundgesetz wieder eingehalten werden.

Folglich birgt nach Ansicht der Initiatoren eines Appells mit dem Titel "Demokratie und Sozialstaat bewahren – Keine Hochrüstung ins Grundgesetz!", der am 22. März veröffentlicht worden ist, der Plan eines Sondervermögens für die Bundeswehr die Gefahr massiver Kürzungen im sozialen, im kulturellen, im öffentlichen Bereich, hätte also dramatische Folgen für den Sozialstaat, für Liberalität und Mitmenschlichkeit. Und diese Kürzungen würden meines Erachtens mit Sicherheit kommen, weil der Staat ja auch noch die von mir oben beschriebenen finanziellen Lasten stemmen muss. Eine Folgewirkung könnte darin bestehen, dass verarmte Bevölkerungsgruppen, die sich selbst überlassen würden, bei Wahlen mehrheitlich AfD wählen, so dass die Bildung einer stabilen Regierung enorm erschwert würde. Wenn wir also nicht aufpassen, drohen infolge einer unangemessenen, überzogenen Reaktion auf Putins Krieg auch in unserer Gesellschaft Chaos und Verfall.

Der bisherige Kriegsverlauf

Wenn man das Kriegsgeschehens in der Ukraine selbst betrachtet, ist zunächst bemerkenswert, dass, obwohl die russische Armee den Truppen der Ukraine haushoch überlegen ist, auch nach mehreren Wochen Krieg kein Ende des Widerstands, den die Ukrainer leisten, in Sicht ist. Allerdings steigt von Tag zu Tag die Zahl der zivilen Opfer, die der Krieg fordert, und die großen ukrainischen Städte sind aufgrund des massiven russischen Bombardements schon stark zerstört.

Von Seiten westlicher Politiker und in den Massenmedien des Westens wird dieser Widerstand der Ukrainer, insbesondere ihres Präsidenten Selenskyj, schon als heldenhaft verklärt. Meiner Meinung nach muss man sich aber fragen, ob es sich hier wirklich um Heldentum handelt, ob man hier angesichts der hohen Zahl an zivilen Opfern nicht vielmehr von Unvernunft, wenn nicht sogar von Verantwortungslosigkeit, sprechen müsste. Verantwortungslos waren meines Erachtens auf jeden Fall die Versuche von Präsident Selenskyj, mit der Bitte um die Einrichtung einer Flugverbotszone über der Ukraine die NATO in den Krieg hineinzuziehen. Schon hat ja Putin den Einsatz von Atomwaffen angedroht, falls die NATO eingreift. Präsident Selenskyj meinte diesbezüglich, dass Putin nur bluffe. Aber was ist, wenn Putin es wirklich ernst meint? Das wäre dann der Dritte Weltkrieg, in dem auch von der Ukraine nichts übrigbliebe. Hier zeigt sich, dass Gewalt und Gegengewalt, auch wenn Selbstverteidigung legitim ist, eine Spirale der Gewalt antreiben, die außer Kontrolle zu geraten droht und alle Beteiligten letztlich in den Untergang reißen kann.

Ich möchte daher auch die – für viele Zeitgenossen sicherlich ketzerische - Frage aufwerfen, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn die ukrainische Regierung beim Einmarsch der russischen Armee sofort kapituliert hätte, um all das Leid und die Zerstörung, die wir jetzt erleben, abzuwenden. Denn auch eine Besetzung der Ukraine durch russische Truppen und die Einsetzung einer "russlandhörigen Marionettenregierung" hätten meiner Meinung nach niemals eine solche Katastrophe zur Folge gehabt. In diesem Fall hätten die Ukrainer auch immer noch zu den Mitteln des zivilen, gewaltfreien Widerstands greifen können. Und es ist längst erwiesen, dass gewaltfreier Widerstand gegen gewaltsame Besatzer genauso erfolgreich ist wie gewaltsamer Widerstand – und mit weit weniger menschlichem Leid und Tod sowie Kosten verbunden. Hier möchte ich auch noch mal auf die Frage des Heldentums zu sprechen können. Meines Erachtens sind diejenigen Ukrainer Helden, die sich den russischen Panzern unbewaffnet in den Weg stellen, und diejenigen Russen, die gegen den Krieg protestieren, obwohl sie mit harten Strafen rechnen müssen.

Die eigentlichen Ursachen des Krieges

Sich lautstark über den Krieg Putins gegen die Ukraine zu empören oder die Kriegstaktik von Präsident Selenskyj zu kritisieren, hilft jedoch nicht wirklich weiter, sondern man sollte sich mit der Komplexität des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine und dessen Ursachen beschäftigen. So haben sich die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine seit der Zusage der NATO-Beitrittsperspektive für die Ukraine 2008 aufgebaut. 2014 erfolgte dann die Annektierung der Halbinsel Krim durch Russland, und die kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ostukraine begannen.

Zum Konflikt zwischen Russland und der Ukraine schrieb der ehemalige amerikanische Außenminister Henry Kissinger einen aufschlussreichen Artikel, der am 6. März 2014 in der "Washington Post" veröffentlicht wurde. Darin heißt es: "In der öffentlichen Diskussion über die Ukraine geht es nur um Konfrontation. Viel zu oft wird die ukrainische Frage als Showdown dargestellt: Ob sich die Ukraine dem Osten oder dem Westen anschließt. Doch wenn die Ukraine überleben und gedeihen soll, darf sie nicht der Vorposten der einen Seite gegen die andere sein – sie sollte als Brücke zwischen beiden Seiten fungieren…Der Westen muss verstehen, dass die Ukraine für Russland niemals nur ein fremdes Land sein kann. Die russische Geschichte begann in der sogenannten Kiewer Rus. Von dort aus verbreitete sich die russische Religion. Die Ukraine ist seit Jahrhunderten Teil Russlands, und die Geschichte der beiden Länder war schon vorher miteinander verflochten."

Henry Kissinger hat also bereits 2014 das besondere, aus der Geschichte sich ergebende Verhältnis zwischen Russland und der Ukraine sowie das fehlende Verständnis des Westens für dieses besondere Verhältnis beschrieben, das zur jetzigen Eskalation beigetragen hat. In diesem Zusammenhang möchte ich auch darauf hinweisen, dass ein anderer bedeutender amerikanischer Außenpolitiker, nämlich der ehemalige "Kalte Krieger" George Kennan, bereits 1997 die NATO-Osterweiterung als "verhängnisvollen Fehler", als Treiberin von Nationalismen, bezeichnet hat.

Schlusswort

Ein Ausweg aus dem Ukraine-Krieg kann meiner Meinung nach nur gefunden werden, wenn die Länder des Westens sich nicht von der Kriegsdynamik, die Putin entfacht hat, mitreißen lassen, sondern innehalten und darüber nachdenken, was jetzt wirklich richtig und wichtig ist. Bisher setzt sich jedoch – neben der lautstarken Empörung - die wenig effektive oder sogar kontraproduktive Politik des Westens gegenüber Russland fort. So hatte man ja im Vorfeld des Krieges im Zuge der diplomatischen Bemühungen, einen Einmarsch Russlands in die Ukraine zu verhindern, die Bedenken, die Russland hinsichtlich einer Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO geäußert hatte, nie wirklich ernst genommen, sie vielmehr entrüstet zurückgewiesen und versucht, Russland durch die Androhung harter Sanktionen "zur Räson zu bringen". 

Ich frage mich, ob man wirklich ernsthaft geglaubt hat, man könnte die russischen Anliegen einfach vom Tisch wischen und Putin würde seine Truppen aus Angst vor den Sanktionen sang- und klanglos abziehen. Man konnte vielmehr beobachten, wie bei Putin, eben weil er sich mit seinen Anliegen nicht ernstgenommen fühlte, eine immer stärkere Verhärtung eintrat, so dass er schließlich die Gespräche abgebrochen hat. Offensichtlich war nun für ihn "das Maß voll" und Krieg die "Ultima Ratio".

Die Aufrüstungspläne der Ampel-Koalition sind zwar ein verständlicher Reflex auf den Angriff Russlands auf die Ukraine, aber sie sollten noch einmal überdacht werden. Denn die vielen Milliarden, die jetzt in die Aufrüstung gesteckt werden sollen, würden dringend gebraucht, um die Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels zu finanzieren. Und würden die erneuerbaren Energien jetzt im Rekordtempo ausgebaut, bräuchte unser Wirtschaftsminister Habeck auch nicht Lieferverträge für Öl und Gas mit anderen dubiosen Staaten abzuschließen.

Insgesamt ist meines Erachtens der Rückfall in den Aufrüstungswahn des Kalten Krieges – der jetzt auch in den USA stattfindet – eine Bankrotterklärung der Politik gegenüber den politischen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft und speziell in Deutschland eine Ohrfeige für die Wähler der der Ampelkoalition angehörenden Parteien, da diese eine ganz andere Politik erwartet hatten. Zu ihrer Rechtfertigung wird von den verantwortlichen Politikern gerne das Argument ins Feld geführt, dass Putins Krieg gegen die Ukraine generell ein Angriff auf die freiheitliche Demokratie in den westlichen Ländern sei. Das mag stimmen. Aber mit ihrer verfehlten Politik als Reaktion auf diesen Krieg bringen unsere Politiker selbst die Demokratie in Gefahr, und zwar spätestens dann, wenn sich herausstellt, welche Bevölkerungsgruppen die Leidtragenden sein werden, wenn die vielen Milliarden neue Schulden, die die Bundesregierung jetzt aufnimmt, zurückgezahlt werden müssen. Die Reichen und Superreichen werden es vermutlich nicht sein, denn über diese hält ja Finanzminister Lindner seine schützende Hand.

Quellennachweis:

https://www.sicherheitneudenken.de/media/download/variant/273106/kurzfassung-snd-impulse-fuer-eine-entschlossene-und-besonnene-reaktion-auf-putins-krieg-18.03.2022.pdf

https://web.de/magazine/politik/spd-politiker-appell-aufruestung-36714892

https://www.focus.de/politik/experten/gastbeitrag-von-gabor-steingart-kissinger-verstand-den-ukraine-konflikt-schon-2014-besser-als-die-meisten-anderen_id_65260337.html

Bildnachweis:

Bild: pixabay.com

Laden ...
Fehler!