Die Qual der Wahl - besser als ihr Ruf
In der Demokratie zählt jede Stimme - warum Wählen keine Last, sondern ein Geschenk ist.Wählen bleibt wichtig (Bild: Plenarsaal © DBT/Neumann)
"Ich verstehe Politiker nicht, von vielen Themen habe ich keine Ahnung." Nettes Argument, nachvollziehbar. Aber auf einen Grabstein schreibt man auch nicht "Wusste nicht, was die rote Ampel bedeutet". Soll heißen: Ahnungslosigkeit darf kein Grund zur tatenlosen Ignoranz sein. Wer sich für Politik interessiert, der braucht in der heutigen Zeit sowieso nicht lange, um sein Wissen über spezielle Gebiete und Themen aufzufrischen. Politisch Uninteressierte (auch nur Menschen) müssen einsehen, dass auch sie wichtig für unser Land sind. Der Wahl-o-Mat bietet zum Beispiel die Möglichkeit, eine PDF mit den Statements jeder Partei zu jedem Gebiet runterzuladen. So machen immerhin ein Kreuz, ein Strich oder ein Häkchen deutlich, welche Partei sich wie positioniert. Wenig Aufwand und immerhin ein erster Schritt, sich dem dicken Kind anzunähern.
Andere den Job erledigen lassen
Hilft alles nichts und man fühlt sich nach wie vor uninformiert, sollte man trotzdem Wählen gehen, denn: Wenn ich selbst nichts davon verstehe, dann sollen sich die richtigen Leute um diese Angelegenheiten kümmern und nicht diejenigen, die "übrig" waren. Natürlich haben diese Personen selten den Charme eines Dieter Nuhrs, den Sportsgeist eines Jürgen Klopps oder das (junge) Gesicht einer Heidi Klum – aber sie setzen sich freiwillig (wenn auch gut bezahlt) in die sterilen Büros und Sitzungen, debattieren über Finanzen und Paragraphen und halten ihr Gesicht und ihre Stimme hin, wenn es darum geht sich für eine Sache gerade zu machen. Nicht jeder ist nett, nicht jeder ist umgänglich, aber wollen wir uns wirklich von einem Entertainer regieren lassen? Bei der richtigen Wahl ist Politiker X gewillt Dinge zu ändern, Arbeit zu machen auf die wir keine Lust haben und das alles ohne von der Öffentlichkeit breites Lob zu ernten. Natürlich gibt es auch schwarze Schafe in der Politik, aber eben das lässt sich mit der eigenen Stimme am ehesten eindämmen.
Bundestag olé olé olé
"Die Partei, die ich wähle, gewinnt aber nie" – Nun ja, der FC Schalke 04 holt auch nix und trotzdem ist das Stadion jedes zweite Wochenende rappelvoll. Wählen heißt nicht Lotto-Spielen. Eine Partei vertritt Meinungen und Interessen und im besten Falle ändert sich ihre Richtung auch nie. Wer sich selbst treu bleibt, der schenkt der Sache auch weiterhin seine Stimme. Selbst wenn es keine 5 Prozent werden - "Deutscher Meister wird nur die FDP" darf dessen ungeachtet gesungen werden.
TV Duell 2013 (Bild: AP)
Trotzdem sind alle Politiker doof? Selbst wenn wir nur die Wahl zwischen kleinem, großem und riesen Übel haben, sollten wir uns motiviert genug fühlen, das in unseren Augen kleinste Übel zu wählen. Wahlenthaltung bringt gar nichts, denn sie wird statistisch nicht mal als Protest ausgewertet. Auch in den Medien wird sie kaum gefeiert, obwohl sie zuletzt oft an der absoluten Mehrheit vorbeischrammte. Es werden so oder so alle Sitze im Bundestag besetzt. Geht man Wählen und besitzt dabei mehr Verstand als ein Pflasterstein, so nimmt man immerhin den rechtsextremen Parteien Stimmanteile (Ausgelutschtes Argument? Stimmt. Aber ich mag diese Parteien einfach nicht!). Und wenn alle Politiker doof sind und das der einzige Grund ist nicht zu wählen, dann bleibt noch immer die Chance selbst politisch aktiv und der erste Undoofe im Parlament zu werden.
Einem geschenkten Gaul...
Wichtig ist doch vor allem der Fakt, dass ICH selbst mitbestimmen kann. Diese Stimme kann einem keiner nehmen und man kann sie schon selten genug einsetzen. Ist es nicht ironisch, dass soziale Medien so erfolgreich sind, weil jeder gerne "liked", kommentiert und seinen Senf dazu gibt, gleichzeitig aber viele den Gang zum Wahllokal meiden? Wählen lohnt sich! Wie viel bekommt man heute noch umsonst? Die Chance frei und anonym eine Stimme abzugeben ist ein Geschenk für das in der deutschen Geschichte lange gekämpft werden musste. Es ist keine Pflicht, sondern ein Privileg. Das Privileg eines McDonalds-Coupons oder eines Studentenrabatts nutzen wir doch auch, wo wir können – warum also nicht dieses Privileg? Frei wählen zu können ist ein Gutschein, den Menschen in anderen Ländern nur zu gerne einlösen würden. Sie können es aber nicht, wir hier in Deutschland schon.