Dr. Elisabeth Selbert und ihr Kampf für die Gleichberechtigung der Frauen
Wie schwer es 1949 war, den Satz "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" im Grundgesetz zu verankern und wie hart Dr. Elisabeth Selbert dafür gekämpft hat, zeigt ein TV-Fim mit Iris Berben.Die Arbeit von Dr. Elisabeth Selbert wird erstmalig verfilmt
Viel zu lange ist ihr die öffentliche Wertschätzung nicht in dem Maße entgegengebracht worden, wie sie sie zu Lebzeiten verdient hätte. Das sollte sich ändern, dachten sich einige ebenfalls engagierte Frauen und so ist in den vergangene Monaten ein 90-minütiger TV-Film über ihren Kampf für das Recht auf Gleichberechtigung der Frauen entstanden, der dem Publikum eindrucksvoll und spannend ein Stück wenig bekannter Zeitgeschichte präsentiert.
Titel des Filmes, der am Mittwoch, 21.5.2014 um 20.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt wird, ist "Sternstunde ihres Lebens" - und er stellt keine Kreation der Filmemacher dar, sondern beruht auf eigenen Worten von Dr. Elisabeth Selbert, die den Tag, als ihre Forderung nach Gleichberechtigung endlich in das Grundgesetz aufgenommen wurde, als absolute Sternstunde ihres Leben bezeichnete.
Die Rolle der Dr. Elisabeth Selbert wird gespielt von Iris Berben, die man schon aus vielen beeindruckenden Charakterrollen wie "Die Buddenbrooks", "Der Wagner Clan" und anderen TV-Produktionen kennt. Sie verkörpert Dr. Selbert auf sehr sensible Weise und veranschaulicht, welchen Schwierigkeiten und Widerständen sich diese Frau mit ihrer ruhigen, zurückgenommenen, aber dennoch entschlossenen und mutigen Art damals konfrontiert sah und wie schwierig es sogar war, Weggefährtinnen und Kolleginnen im Parlamentarischen Rat von ihrem Vorhaben zu überzeugen.
Der Film zeigt unter anderem auch das Verhältnis zu ihrer Sekretärin, Irma Lankwitz – ausdrucksstark gespielt von Anna Maria Mühe - die zunächst von Gleichberechtigung und der damit verbundenen Verantwortung nicht viel hält. Sie ist eine naive, junge Frau, die sich nichts sehnlichster wünscht als Geborgenheit und eine Familie. Als sie eines Tages am eigenen Leibe die Benachteiligung als Frau erlebt, ändert sie ihre Einstellung und beschließt, ihrem eigenen Leben eine neue Richtung zu geben und sich für etwas einzusetzen und sich auch etwas zu trauen:
Den Frauen in Deutschland endlich zu einer eigenen Stimme und zur Selbstbestimmung über ihr Leben zu verhelfen.
In weiteren Rollen: Maja Schöne, Rudolf Kowalski, Max von Thun, Eleonore Weissgerber, Walter Sittler und viele Andere..
Doch für diesen Film standen nicht nur viele Frauen vor der Kamera, neben Regie (Erica von Möller) waren auch Drehbuch, Kamera, Licht, Casting bis hin zur Produktion und Redaktion in weiblicher Hand. Trotzdem ist "Sternstunde ihres Lebens" alles andere als ein Frauenfilm. Er stellt eine mutige, entschlossene und kämpferische Sozialdemokratin in den Mittelpunkt und veranschaulicht, dass der Weg zu Veränderungen immer über das Engagement des Einzelnen führt.
Wer war Elisabeth Selbert? Einige wichtige Stationen in ihrem Leben
Obwohl schon in der Weimarer Verfassung verankert stand: "Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten" – mit den Ausnahmen zur "Pflicht der Haushaltsführung" für Frauen und des "Entscheidungsrechts des Mannes" - arbeiteten im Nachkriegsdeutschland Frauen in Fabriken, in technischen Berufen, bauten das Land wieder auf, ohne arbeits- und zivilrechtlich den Männern vollständig gleichgestellt zu sein. Vielen Frauen genügte das so wie es war, Dr. Elisabeth Selbert aber nicht.
Als eine der vier ''Mütter des Grundgesetzes'' brachte sie genügend Erfahrung als Familienrechtlerin mit. Aus der Praxis wusste sie, dass Frauen im Alltag, im Falle einer Scheidung, der Geschäftsfähigkeit, der Arbeitsverträge, nicht gleichberechtigt waren. Hierzu bedurfte es eines "imperativen Auftrags an den Gesetzgeber". Für das Ziel der Gleichberechtigung hat sie jahrelang entschlossen, mutig und mit juristischen Mitteln gekämpft. Ihrer Hartnäckigkeit haben es Millionen Frauen zu verdanken, dass sie seit 65 Jahren dieses juristische Recht haben. Schon früh war sie der Auffassung, dass sich nichts ändern wird, wenn man sich nicht persönlich dafür einsetzt. Eine Tatsache, die auch heute noch gilt.
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Elisabeth Selbert, geborene Martha Elisabeth Rohde, wurde am 22.9.1896 in Kassel geboren hatte 3 Geschwister und stammte aus einfachen Verhältnissen. So weit es ihnen möglich war, haben ihre Eltern sie unterstützt, wenn auch ihr anfänglicher Weg eher dem der meisten Frauen dieser Zeit entsprach: Sie lernte sticken, stricken, nähen und hatte weniger Zeit zum Lesen.
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Da das Mädchengymnasium für die Familie nicht bezahlbar war, besuchte sie zunächst eine Gewerbe-und Handelsschule des Frauenbildungsvereins, um später Lehrerin zu werden. Dieser Versuch scheiterte und so arbeitete sie später als Postbeamtenanwärterin im Telegrafendienst.
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Hier lernte sie ihren späteren Mann, Adam Selbert, kennen, der sie politisch förderte. 1918 tat sie es ihrem Mann gleich und trat in die SPD ein.
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1921 und 1922 erblickten ihre Söhne Gerhart und Herbert das Licht der Welt.
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1926 holte sie ihr Abitur nach und studierte im Anschluss daran Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten Marburg und Göttingen, wo sie eine von 5 Frauen unter 300 Männern war. Nach dem Ersten Juristischen Staatsexamen promoviert sie über das Thema "Ehezerrüttung als Scheidungsgrund" zum Dr.jur. und im Oktobe 1934 legte sie ihr 2. Staatsexamen ab.
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In Kassel übernahm sie die Kanzlei zweier jüdischer Rechtsanwälte und bearbeitet bis 1943 dort Wirtschaftsstrafsachen, Meineidsverfahren und Jugendgerichtsdelikte.
Mit dem Bombenangriff auf Kassel und der Zerstörung der Praxis endet ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin. Gerne hätte sie nach ihrem Studium als Staatsanwältin gearbeitet, was allerdings Frauen in der Nazi-Zeit verboten war. -
Als nach Kriegsende für das neue Deutschland im Parlamentarischen Rat eine Verfassung formuliert werden sollte, sah sie ihre Zeit endlich gekommen, diesen Gleichberechtigungssatz auch im Grundgesetz zu verankern. Keine leichte Aufgabe als eine von 4 ''Müttern des Grundgesetzes'' unter 61 Männern, die von sich aus gar nicht auf diese Idee gekommen wären beziehungsweise es so nicht gewollt hätten. So wird der von ihr geforderte Satz "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" im Hauptausschuss zunächst abgelehnt.
Daraufhin wandte sich Selbert an Presse und Öffentlichkeit. Die Folge war ein Beschwerdeansturm von Frauen beim Parlamentarischen Rat, der schließlich dem öffentlichen Druck nachgab und schließlich 1949 den Gleichheitsgrundsatz als unveräußerliches Grundrecht in die Verfassung aufnahm.
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Bei den Wahlen zum Ersten Deutschen Bundestag scheiterte sie knapp und auch in den späteren Jahren blieb ihr ein weiterer politischer Einfluss verwehrt. Sie galt – so wissen es ihre Enkel in einem filmischen Portrait zu berichten - vielen Männern jener Zeit als zu unangepasst, unbequem und hatte ihre eigenen Vorstellungen. Auch dass sie – über die eigene Partei hinaus – Freundschaften pflegte, wurde ihr verübelt.
So blieb sie nur noch im Hintergrund politisch tätig und zog sich 1958 komplett aus der Politik zurück. - Elisabeth Selbert verstarb 90-jährig im Jahr 1986 in ihrer Heimatstadt Kassel.
Ehrungen, die ihr zuteil wurden
1956 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz für ihr Engagement im Einsatz für Frauenrechte
1969 wurde sie mit dem Wappenring der Stadt Kassel ausgezeichnet
1978 wurde ihr die Wilhelm-Leuschner-Medaile durch den hessischen Ministerpräsidenten verliehen.
1984 ernannte sie die Stadt Kassel zur Ehrenbürgerin
Im Anschluss an die TV-Ausstrahlung dieses Filmes am 21.5.2014 beschäftigt sich das Wirtschafts-Magazin "Plusminus" ebenfalls mit dem Thema Gleichberechtigung.
Die Autorin dieses Artikels hatte im November 2013 das große Vergnügen, Iris Berben persönlich am Set in Wuppertal zu sehen und auch kurz zu sprechen und war erstaunt, mit wie viel Sorgfalt, Zeit und Detailgenauigkeit die Filmcrew dort jede einzelne Szene gedreht hat – unabhängig von Regen oder Wind. Die Zuschauer dürfen sich gewiss auf ein ein spannendes Stück Zeitgeschichte freuen.
Elisabeth Selbert. Die große Anwältin der Gleic... | Das Recht auf Gleichheit und Differenz. Elisabe... | 200 Frauen: Was uns bewegt - Frauen, die den Bl... |
Bildquelle:
Kerstin Schuster
(Warum es in literarischen Werken keine "Neger" mehr geben darf)