Eine Glosse zum Jahresauftakt
Sie wollen nach Bayern auswandern? Dann hier eine kurze sprachliche und gesellschaftliche Einweisung...Als ankommender Gast tragen Sie die Bezeichnung "Zuagroaster"
und? Was heißt das? Wollen Sie jetzt wissen, es heißt übersetzt "Zugerannter".
Das ist, zugegeben, nicht sehr schmeichelhaft und beinhaltet bereits einen Anteil der den Bayern eigenen, sehr von sich überzeugten Einstellung.
Die höfliche Anredeform des "Sie" können Sie in diesem Zusammenhang ebenfalls vergessen, denn als eben dieser "Zugroaste" wird Ihnen die in der Regel nicht zuteil, da heißt es eher nur: "Wo kimmst ätzat Du her?" (Hier ist die Übersetzung noch einfach: "Wo kommst jetzt Du her?")
Aber, nicht verzagen -
mit dieser kleinen Fibel werden Sie, falls Sie über die nötigen Voraussetzungen verfügen (die noch ausführlich behandelt werden) doch noch in die Sphären eindringen, die Bayern und ihre Ureinwohner so ausmachen...
Ein wichtiger Ausspruch, den Sie in jedem Fall verinnerlichen sollten...
"Hundt sans scho!", ist ein typisch bayrischer Ausruf. Er hat mit der chinesischen Sprache nichts, aber auch gar nichts zu tun – obwohl er sich so anhört. In Normdeutsch übersetzt lautet er: ‚Hunde sind sie schon!‘
Was in den Resten der Republik möglicherweise eine Beleidigung sein könnte, ist in Bayern eine Anerkennung; es entspricht in etwa dem französischen, Hochachtung ausdrückenden, ‚Chapeau!‘
Sie ahnen es bereits - es muss anders gedacht werden. Denn viel Bewunderung schwingt in diesem Ausspruch mit, ob nun französisch oder bayrisch. Doch die bayrische Variante meint damit noch ein Stück mehr: sie sagt demjenigen, der weniger ‚ein Hund‘ ist, dass mit Hinterlist und einer von Demut getarnten Bauernschläue der Reibach locker in die eigenen Taschen gewirtschaftet werden kann – er muss sich einfach nur trauen und schon ist ihm die Zustimmung gewiss - selbst wenn dafür einige Tränen rollen müssen.
Kurz nebenbei:
Wieso für diesen Vorgang aber ausgerechnet der Hund herhalten muss, erschließt sich nicht so ganz; denn wahre Freunde des Hundes sind die Bayern nur vereinzelt – ansonsten ist ihre Beziehung zu ihm eher desinteressiert, denn eine ordentliche Schweinshaxn, oder ein Bifflamott (ein ‚Boeuf a la mode‘), lassen sich aus ihm nun mal nicht machen.
Was Ihnen auch längst bekannt sein sollte -
in Bayern gehen die Uhren anders – und nimmt man die von Ministerpräsident Seehofer vorgebrachten Worte als bare Münze, dann ist Bayern sowieso der Vorhof zum Paradies – also was will man da noch sagen, außer: nichts wie hin!
Allerdings sollte das katholische Gebetbuch vorsichtshalber fest unter den Arm geklemmt sein. Nicht, dass man es wirklich einsetzen müsste; noch nicht mal beim sonntäglichen Kirchgang. Der, am besten in der Tracht des jeweiligen Landesteils, allerdings Pflicht ist, wenn in den Olymp vorzudringen als Programm angedacht ist, und Ihre Einwanderungspläne nach wie vor stehen.
Der Kirchgang -
vor allem in den idyllisch gelegenen Gemeinden auf dem Land gehört unbedingt dazu - wie auch die anschließenden Bücklinge vor den ebenfalls anwesenden Honoratioren. Dafür entschädigt dann jedoch die am Stammtisch üppige Brotzeit mit Weißwurscht, Leberkaas, Weißbier und Breezn. Bitte hier keinen Fauxpas begehen und "Bräzel" sagen, das würde zum sofortigen Ausschluss aus dieser gediegenen Runde führen.
Jedenfalls, will man Macht und Ansehen erreichen, hilft das Gebetbuch und eine devote Haltung einen ganzen Sprung weiter - neben einer ordentlichen Portion Bakschisch natürlich; die, in die richtigen Kanäle geleitet, ohne größere Nachfragen die Portale öffnet, den Weg in eben diesen Vorhof des oben bereits angesprochenen Paradieses freigibt und Ihre Ansiedlungspläne ein gehöriges Stück nach vorne katapultiert.
Auch Standfestigkeit ist mitzubringen –
damit man bei den schnellen Drehungen der wechselnden Meinungen nicht die Balance verliert und versehentlich in die verkehrte Richtung kippt. Weiter dient sie dazu, dass der Maßkrug (Mass- wie ‚Hass‘, nur mit ‚M‘ ausgesprochen, um das mal endlich klarzustellen) beim Mitschunkeln der lautstark vorgebrachten Hymne vom "mia san mia und uns kon kauna" (wir sind wir und uns kann keiner) nicht außer Kontrolle gerät.
Was ist noch zu beachten, um in diesen Himmel der Glückseligkeit einzufahren?
Der bayrische Dialekt mit seinen vielen hintersinnigen Deutungen ist unbedingt zu erfassen; ohne ihn geht nun mal überhaupt nichts – aber da stößt dann wohl der Kopf eines Normalbürgers aus Nicht-Bayern mit seinen gesamten Plänen an seine Grenzen – denn was kann er wohl schon damit anfangen, wenn es heißt: "Wia macha des unta uns sejba aus!" (Wir entscheiden das unter uns!).
Fazit: nichts wird‘s,
zumindest nichts mit dem Vorhof zum Paradies. Das klappt einfach nur, wenn man in Bayern von bayrischen Eltern geboren und großgezogen wurde.
Aber die eigentlichen Pläne, sich eine neue Heimat im "Land der Bayern" zu schaffen, könnten vielleicht doch noch klappen:
Wenn man in der Hirschledernen (nur eine Kniehose aus Hirschleder mit fein besticktem Hosentürl vor dem 'Gmächt' der ‚Mannsbuider‘ ist standesgemäß) auftritt, die oben angeführten Regeln befolgt, und in besagter Hirschledernen ordentlich mit dem "Diridari" (Geld) klimpern kann, es großzügig an exponierte Stellen verteilt und und, und...
"Do san dann oi finfe wieda grod" (da sind dann alle fünf wieder gerade), und vom Zuagroasten, der zum Paradiesanwärter anvansiert, heißt es anschließend vielleicht:
"aba a Hund is a scho!"
Also - wenn Sie partout in Bayern einwandern wollen - viel Glück!
Bildquelle:
Droemer-Verlag
("Wunder muss man selber machen" von Sina Trinkwalder - mehr als ein...)