Aus dem Stoffgeschäft in Savoyen hinaus in die Welt der Mode

Mit der Geburt von Pierre Balmain am 18. Mai 1914 in Savoyen beginnt eine einzigartige Geschichte. Die Kindheit im Umfeld des großens Stoffgeschäftes seiner Eltern prägt den jungen Pierre nachhaltig. Inmitten von Ballen von Seide und exklusivem Nähzubehör wächst der Junge gut behütet auf. Seine Mutter wünscht sich für ihren Sohn eine Karriere als Architekt, doch er selbst träumt schon früh davon, Couturier zu werden. Zunächst wird er allerdings im Alter von 11 Jahren auf ein Internat in Chambéry geschickt und setzt anschließend seine Ausbildung in Paris fort. Er zeichnet – unter anderem Kostüme für das Lido – und entdeckt seine frühere Liebe zur Mode wieder. Sein Entschluss steht fest: Er gibt die Architektur endgültig auf und wendet sich der Mode zu.

Und er hat Glück: im Atelier von Edward Molyneux wird er auf Probe eingestellt und erhält dort 1934 eine Festanstellung. Es ist die beste Schule, die er dort antreffen kann, denn Molyneux steht gerade zu dieser Zeit hoch im Kurs bei den Damen der Gesellschaft. Mit dem Eintritt bei Lucien Lelong im Jahr 1939 macht er einen weiteren Schritt auf der Leiter seiner Karriere, die jedoch schon bald durch den Beginn des Zweiten Weltkriegs unterbrochen wird. Immerhin kann er dort seine schnitttechnischen Fähigkeiten vervollkommnen. Er wird Anfang des Zweiten Weltkriegs zum Militär einberufen, aber schon 1940 wieder demobilisiert und kehrt zunächst in sein Elternhaus zurück. Dort sucht ihn Lucien Lelong auf der Durchreise auf und überredet ihn, gemeinsam mit dem jungen Christian Dior die kreative Leitung seiner Kollektionen zu übernehmen. Balmain kehrt in die Hauptstadt zurück und bringt trotz des ungeheuren Mangels an Material und Geld außerordentliche Leistungen zustande. Eins seiner Modelle – ein Trauerkleid aus schwarzem Crêpe mit dem sarkastischen Namen "Kleiner Gewinn" – wird von 360 Kundinnen bestellt.

Gertrude Stein vor einer amerikanischen Nationalflagge (Bild: Foto von Carl van Vechten)

Die Nachkriegsmode Balmains avanciert zum "New French Style"

Noch im ersten Jahr nach Kriegsende 1945 beschließt Pierre Balmain, sich mit einem eigenen Modehaus selbstständig zu machen und eröffnet dies in der Rue François 1 in Paris. Er zählt mit Christian Dior und Cristobal Balenciaga zu den drei Couturiers, denen die Modewelt die Erneuerung der Haute Couture in der Nachkriegszeit verdankt. Den überaus raffinierten Kreationen von Balmain sieht man die Nüchternheit und den Blick für ausgewogenes Volumen des einstigen Architektenstudenten an. Mit ihrem einzigartigen Ambiente begeistern sie die Pariserinnen. Schon 1949 entwickelt der Modeschöpfer passend zu seinen Kleiderkollektionen sein Parfum "Vent Vert", welches das erste aus einer langen Serie werden soll.

Von 1953 bis 1962 arbeitet der Modeschöpfer mit einem Assistenten, der für die breite Masse damals noch ein völlig unbekannter Newcomer ist und später, wie Balmain selbst, Weltruhm erlangen sollte: Karl Lagerfeld.

Der gewagte und zugleich kultivierte Stil des Hauses Balmain, ausgerichtet auf die aktive, elegante und verspielte Dame seiner Zeit, hat schon sehr bald Nachahmer. Die Schriftstellerin Gertrude Stein findet mit dem Ausdruck "New French Style" eine treffende Bezeichnung für die Handschrift des Designers voller Eleganz, Opulenz und Klasse.

Im Jahr 1956 arbeiten mehr als 600 Mitarbeiter daran, der unaufhaltsamen Flut von Bestellungen anspruchsvoller Kundinnen optimal gerecht zu werden. Die Abendroben Balmains mit ihren perfekt ausbalancierten Drapierungen, ausgeklügelten und häufig ziemlich gewagten Details erfreuen sich bis in die höchsten Kreise des internationalen Jet Sets enormer Beliebtheit. Alles, was unter Filmstars Rang und Namen hat, wird von dem Designer eingekleidet. Marlene Dietrich, Katherine Hepburn, Brigitte Bardot oder Sophia Loren sind nur einige der Diven, die Balmain tragen und den Namen noch bekannter machen. Auch für royale Kreise arbeitet das Modehaus, so für die Königinnen Belgiens, Dänemarks und Thailands, die er mit ihrer kompletten Garderobe ausstattet.

Auf der Höhe seiner Popularität entwirft er auch Uniformen für Fluggesellschaften und die Kleidung der Olympiamannschaft 1968. Bis 1970 ist Balmain zu einer der ersten Adressen für Haute Couture auf internationaler Ebene geworden. Er beschließt, sich nun auch der Prêt-à-porter Mode verstärkt anzunehmen. Schon bald zeichnet sich jedoch ab, dass er unheilbar krank ist und er stirbt am 29. Juni 1982.

Das schwierige Erbe Pierre Balmains

Wie so oft, wenn der Mittelpunkt eines Unternehmens nicht mehr vorhanden ist, so erlebt auch das Haus Balmain nach dem Tod des Gründers eine schwere Krise. Balmains rechte Hand und Lebenspartner Erik Mortensen führt zwar das Geschäft noch einige Jahre, aber seine Kollektionen reichen nicht an den Ruhm von einst heran. Das ändert sich, als das Modehaus 1992 den Stardesigner Oscar de la Renta zum Artdirektor beruft. Er verhilft mit seinem genialen Talent der Modelinie über 10 Jahre zu neuem Ruhm und knüpft Verbindungen zu Celebrities wie Liza Minelli, Jackie Onassis oder Faye Dunaway.

Als Oscar de la Renta ebenfalls das Modehaus verlässt und seine eigene Linie aufbaut, treibt das kapitänslose Schiff einige Jahre ab, bis Christophe Decarnin, ein früherer Mitarbeiter bei Paco Rabanne, bei Balmain einsteigt und schnell zum Liebling aller Fashionistas avanciert. Der stille Designer vereint geschickt den Glamour und Prinzessinnen Look der 50er Jahre mit modernen Punk- und Glitzerelementen. Die Abendmode von Balmain wird ab 2006 ultrakurz, aufwändig dekoriert und präsentiert sich in einer speziellen Art von Aristo-Stil, der bei Stars wie Celine Dion oder Gwyneth Paltrow, aber auch der breiten Masse gut ankommt.

Seit 2011 weht bei Balmain erneut ein neuer Wind, denn mit dem Nachwuchsdesigner Olivier Roustaing aus Bordeaux erhält das Haus wiederum eine Artdirektion, die schon auf Erfolge bei anderen Modemarken zurückblicken kann. Nach seinem Abschluss an der ESMOD im Jahr 2003 arbeitete Roustaing fünf Jahre lang bei Roberto Cavalli.

Quellen:

http://www.balmain.com/histoire-maison-de-couture-balmain/

http://www.balmain.com/olivier-rousteing-maison-balmain/

http://www.tendances-de-mode.com/2008/05/31/880-balmain

Bildquellen:

Titelbild: Pierre Balmain und Ruth Ford, fotografiert von Carl van Vechten, 1947

Portrait of Gertrude Stein, with American flag as backdrop, Carl van Vechten (1880-1964)

Die Fotos sind Eigentum des Carl van Vechten Estates, Verwendung ohne Fotoveränderungen frei.

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