Unterschiede zum Sportklettern

Im Gegensatz zum verbreiteten Sport- oder Felsklettern, ist man beim Eisklettern sehr viel mehr für die eigene Sicherheit und die des Kletterpartners verantwortlich. Fertige Bohrhaken und Standplätze - wie beim Sportklettern - gibt es beim Eisklettern meist nicht. Sicherungen (Eisschrauben) werden selbst gelegt und während der Begehung eines Wasserfalls auch wieder entfernt. Auch Stürzen ist im Eis tendenziell gefährlicher als beim Sportklettern: Eiskletterer tragen Steigeisen und haben spitze Eisgeräte in Händen, die es beim Sturz, sofern überhaupt möglich, zu kontrollieren gilt. Bevor man also mit Eisklettern beginnt, sei an dieser Stelle stark empfohlen, sich mit den alpinen Sicherungstechniken wohl vertraut zu machen, d.h. Standplätze bauen, Sicherungen selbst legen, einen kühlen Kopf bewahren und v.a. niemals bei Überforderung die Flucht nach vorne anzutreten.

Wasserfall-Eisklettern im steilen Eis - Die Weltmeisterin Ine Papert in Aktion am Pitztaler Gletscher

Ausrüstung und Kosten

Eisklettern ist eine wahre Materialschlacht: Es wird wesentlich mehr Equipment als zum Felsklettern benötigt. Zusätzlich zur Standardausrüstung des Alpinkletterns, das Doppelseile und mobile Sicherungsgeräte wie etwa Klemmkeile und Camelots bzw. Freinds erfordert, benötigt man zum Eisklettern:

  • Steigeisenfeste Schuhe
  • Steigeisen, im Idealfall Steileis-Steigeisen oder sogar Eiskletterschuhe mit integrierten Zacken
  • Zwei technische Eisgeräte
  • Pro Zweier-Seilschaft minimum 8 Eisschrauben
  • Diverses Zubehör, wie Eis-Clipper, Eissanduhr-Fädler, Reepschnüre
  • Geeignete Kleidung, insbesondere Eiskletterhandschuhe sind vorteilhaft

Klettergurt mit Ausrüstung beim EiskletternEiskletterausrüstung ist Spezialequipment, das entsprechend wegen geringerer Produktionszahlen teuer ist: So kostet eine gute Eisschraube ab ca. 60 EUR, ein technisches Steileisgerät ca. 150 - 250 EUR (und man benötigt zwei davon), Steigeisen ab ca. 120 - 200 EUR und steigeisenfeste Schuhe ca. 300 EUR. Glücklicherweise halten diese Ausrüstungsgegenstände, wenn man sorgfältig damit umgeht, sehr sehr lange.

 

Qualitätsansprüche

Eisklettern stellt die Ausrüstungsgegenstände teils auf eine harte Probe. Nicht alle für das Sportklettern exzellenten Geräte eignen sich auch für das kalte Eisklettern. Mechanische Teile können innerhalb von Sekunden zufrieren, d.h. Karabiner mit Ball-Lock, Twist-Lock oder ähnlichen automatischen Verschlüssen vereisen leicht und müssen zum Öffnen mühsam mit den Händen aufgetaut werden (Siehe Bild: Eiszapfen an Karabinern und EisschraubenDie kleinen Eiszapfen am Karabiner sind innerhalb von 5 Minuten gewachsen). Mechanische Sicherungsgeräte, wie etwa das Petzl Grigri sind für das Eisklettern undenkbar. Empfehlenswert sind desweiteren Drahtschnapper als Verschlüsse aller Karabiner (außer HMS), da diese weniger hart vereisen und sich leichter öffnen lassen. Nicht-Drahtschnapper frieren häufig ein und müssen durch Anhauchen gelöst werden. Auch bei Eisgeräten gibt es große Unterschiede: Billige Geräte "ziehen" nicht besonders gut ins Eis oder brechen ab bzw. verbiegen - dazu sei eine kompetente Beratung in einem Kletterfachgeschäft angeraten.

Eindrücke vom Eisklettern

Christian und Frank in der Eisseefall Direkten: WI4

Eisklettern lernen

Um Eisklettern sicher zu erlernen sollte man im Idealfall a) an einem Eiskletterkurs teilnehmen oder b) mit einem im Eisklettern erfahrenen Freund losziehen. Die Sportart ist an sich nicht gefährlich. Bei mangelnder Erfahrung oder unsachgemäßer Handhabung der Ausrüstung jedoch, lauert Gefahr im wahrsten Sinne des Wortes hinter nicht jeder, aber zumindest vielen Ecken.

Eine Abalakow-Eissanduhr zum Abseilen aus einem gefrorenen WasserfallViele erstaunliche Techniken, wie etwa das Fädeln einer Abalakow-Eissanduhr zum Abseilen aus einem Wasserfall, können auch am Boden geübt werden und sollten im Ernstfall perfekt sitzen (Bild links - ja, an so etwas seilt man sich ab und meistens sogar nur an einer Sanduhr und nicht an zwei, wie hier gezeigt). Auch die Theorie und das Wissen darüber, welches Eis tragfähig und welches bedenklich ist, sollte man sich zuerst aneignen, bevor man blindlinks in einen ersten Wasserfall steigt.

Die für mich wichtigste Regel bei der Begehung von Eisfällen heißt: "Trete niemals die Flucht nach vorne an!"

D.h. bei Unsicherheit, Überforderung oder wenn die Eisscharuben ausgehen, sollte man sich niemals erhoffen, dass die Schwierigkeit des Geländes nach oben hin nachlässt und aus diesem Grund weitersteigen. Im Zweifelsfall ist ein kontrollierter Sturz aus akzeptabler Höhe immer noch besser, als ein hoffnungsvolles aber u.U. tödliches Weitersteigen in unbekanntes Gelände, ohne diesem gewachsen zu sein.

Spezielle Locations

Abseilen in das 80 Meter tiefe Ifen Hölloch und im Steileis wieder heraus

Grundtechniken

Die grundlegenden Handgriffe sollte man erstmal am Fuß des Wasserfalls üben:

  • Eisgerät beim Schwingen gerade und mit gestrecktem Arm ins Eis treiben
  • Eisgeräte aus dem Eis lösen! Auch das muss geübt werden - dazu gibt es mehrere Techniken - denn die Geräte können sich erstaunlich fest im Eis verbeißen. In Kürze: a) Hoch-runter hebeln und dabei etwas nach außen ziehen, b) mit dem Handballen von unten gegen den Hammer klopfen, um damit die Zacken der Geräte nach oben aus den Eis zu lösen, anschließend nach außen ziehen oder c) notfalls auch quer hin und her drehen (das ist wegen der hohen Querbelastungen nur für neuere, technische Geräte empfehlenswert und i.d.R. nicht so effektiv, wie man es sich vorstellt)
  • Eisschrauben ein- und ausdrehen. Die Technik sollte mit einer Hand und Handschuhen (links und rechts) beherrscht werden. Auch das Ein- und Aushängen der Schrauben und Karabiner am Gurt gehört dazu. Für das Handling der Eisschrauben am Gurt emphehlen sich dabei Eis-Clipper. Das sind vertikal angeordnete, größere Kunststoffkarabiner, die seitlich am Hüftgurt befestigt werden.
  • Standplatzbau: Minimum zwei gut platzierte Eisschrauben, möglichst mit vertikalem Abstand von mind. 80 cm. Selbst sollte man während des Sicherns in den Eisgeräten "hängen", um die Eisschrauben selbst nicht zusätzlich zu belasten und ein Ausschmelzen durch erhöhten Druck zu vermeiden. Das Verbinden der Fixpunkte erfolgt im gegensatz zum Kräftedreieck beim Alpinklettern, mit einer seriellen Schaltung von Verankerungen, so dass man effektiv immer nur in einer Sicherung hängt (s.o. Vermeidung vom Ausschmelzen der Eisschrauben durch Druck).
  • Babysteps: Beim Eisklettern sind viele kleine Schritte meist effektiver und leichter, als große Schritte. Für das Setzen der Eisgeräte gilt das Gegengesetzte: Möglichst wenige, lange Züge sparen Kraft und Zeit, denn das Lösen der Eisgeräte aus gutem Eis ist nicht selten genauso anstrengend, wie das Klettern.

Schwierigkeitsgrade

Im Eis gilt eine ganz eigene Schwierigkeitsskala. Die nach oben offene Felskletterskala nach UIAA reicht von 1 bis aktuell ca. 12, wobei 1 schwieriges Gehgelände und 12 eine überhängende Raufasertapete darstellt.

Beim Eisklettern gilt die ebenso nach oben offene Winter Ice Skala, abgekürzt WI. Diese reicht aktuell von römisch I bis VII, wobei die Grade einzeln etwa wie folgt beschrieben sind:

WI I:
Bis ca. 60° geneigtes, kompaktes Eis. Steigeiseneinsatz notwendig. Anbringung von Sicherungen problemlos möglich.

WI II:
Bis ca. 75° geneigtes, kompaktes Steileis. Sicherungen und Standplätze stellen kein Problem dar.

WI III:
Anspruchsvolles, bis ca. 75-80° geneigtes, kompaktes Steileis mit kurzen Passagen 85-90°. Sicherungen und Standplätze i.d.R. problemlos möglich, u.U. mit Hängestand (also Stand im sehr steilen Gelände ohne echte Stehfläche)

WI IV:
Sehr anspruchsvoll. Bis 90° steiles Eis, auch längere Abschnitte in meist gutem Eis, teils mit Lufteinschlüssen (Röhren, Blumenkohl). Sicherungen sind nicht überall möglich aber i.d.R. verlässlich.

WI V:
Sehr schwierig. Durchgehend senkrechtes, kompaktes Eis, frei stehende Säulen oder auch steiles, stark röhriges Eis, in dem Sicherungen häufig nicht mehr verlässlich angebracht werden können. Rückzug i.d.R. möglich. Hohe Anforderungen an Technik und Kondition.

WI VI:
Extrem schwieriges, durchgehend senkrechtes Eis von schlechter Qualität, evtl. stabile, frei hängende Zapfen. Die Anbringung von Sicherungspunkten stellt hohe Ansprüche dar und ist häufig nicht möglich. Ein Rückzug ist nicht immer möglich und es werden enorme Ansprüche an Technik und Kondition gestellt. Bleibt den Experten vorbehalten.

WI VII:
Noch steiler, noch anspruchsvoller, kein Rückzug möglich, noch höhere Anforderungen an den Kletterer. I.d.R. keine verlässliche Absicherung mehr möglich. Stürze sind hier nicht mehr drin! Noch mehr den Experten vorbehalten.

Über Eisbedingungen und Lawinenlage informieren

Wer nicht gerade in den Bergen zu Hause ist, der kann sich auf Gipfelbuch.ch über aktuelle Eisbedingungen an den Wasserfällen informieren. Hier findet man meist sehr aktuelle Berichte und häufig sogar mit Bildern.

Wichtig für Eiskletterer ist natürlich auch die Lawinenlage: DAV - Lawinenlageberichte. Insbesondere auch der Zustieg sollte, was die Lawinensituation angeht, entsprechend abgeklärt sein. Eine Lawine im Eisfall zu erleben, darauf sollte man wirklich verzichten - (siehe Bilder)!!

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