Energiewende ohne Denkwende?
Warum die Diskussion über eine Energiewende am Wesentlichen vorbei geht.Die neuen Lieblingsworte der Politik
Sie ist in aller Munde, ja selbst die ewig gestrigen kommen nicht mehr an ihr vorbei, sie ist auf Platz 1 der Phrasen-Charts eines jeden Politikers und Journalisten momentan, dabei ist sie trotz aller Diskussionen der vergangenen Wochen, trotz aller Prüf- und Umkehrversprechen kein Stück näher als vorher: die Energiewende.
Freilich, selbst FDP und CDU/CSU reden, prüfen, versichern. Vor allem aber tun sie eines: sie warnen vor angeblich exorbitanten Kosten, die eine Energiewende brächte.
Das klingt bekannt, u.a. von der "Gesundheitsreform", die ebenso wenig eine Reform war wie die jetzt diskutierten energiepolitischen Wege zu einer echten Wende führen können und werden. Es geht um Kosmetik. Es geht um Rangieren, ein bisschen mehr hier, etwas weniger da, der Steuerzahler wird‘s schon finanzieren. Hauptsache, man muss nicht wirklich grundsätzlich nachdenken. Dies könnte zur Einsicht führen, dass man sich geirrt hat und das wäre fatal. Zu dieser Ängstlichkeit kommt eine erschreckende Unfähigkeit der Verantwortlich, wirklich perspektivisch zu denken, und dies, obwohl ja gerade ein weiteres Lieblingswort "zukunftsorientiert" heißt und Frau Dr. Merkel und die ihren so gerne um den "Zukunftsstandort Deutschland" besorgt sind und alles, was anders nicht zu begründen ist, mit diesem Totschlagargument versuchen an den Wähler zu bringen. Wäre dies ernst gemeint, hätte man zu Beginn der "Krise" wohl eher statt einer kurzfristigen Abwrackprämie als Geschenk für die Automobilindustrie das gleiche Geld als Konjunkturpaket darin investieren können, alle öffentlichen und kommunalen Gebäude mit Fotovoltaik - Dächern auszustatten. Dies wäre nachhaltiger gewesen, hätte enorm viele Arbeitsplätze geschaffen und die Investitionen hätten sich gerechnet, da die Kommunen künftig weniger Energie hätten kaufen müssten.
Das eigentliche Problem jedoch liegt in der Struktur. Ökologische Energiewirtschaft ist mit einer zentralistischen Versorgung durch Großkonzerne kaum durchführbar.
Greenpeace Deutschland
Das eigentliche Problem liegt in der Struktur
Eine wirkliche Energiewende bedeutet Dezentralisierung. Dabei möchte ich nicht missverstanden werden: Nein, ich glaube nicht, dass wir (vorerst) auf die großen Energiekonzerne ganz verzichten können. Sie werden gebraucht, um die Unmengen an Energie herzustellen, die die Großindustrie benötigt. Und an dieser Stelle des Marktes sind sie auch genau richtig: Großkonzerne beliefern Großkonzerne. Wer sollte da wen über den Tisch ziehen können?
Für den privaten Bedarf aber und den öffentlich-kommunalen braucht es ein anderes Konzept.
Freilich: Windräder sind besser als Atomreaktoren, aber es stimmt auch, dass sie und die endlosen Oberleitungen die Landschaft verschandeln.
Warum investiert man nicht in den Ausbau von autarker Energieversorgung. Das Scheinargument, es sei zu teuer greift nicht, denn dieses Argument kommt bei allem zuerst und momentan wird gerade vorgerechnet, wie unglaublich teuer der Ausbau von Windparks und Stromtrassen sei.
Die Bio-Solarzelle von Prof. Grätzel
Lösungen...
Warum investiert man nicht in die Entwicklung der Bio-Solarzellen, für die Professor Michael Grätzel zu Recht ausgezeichnet wurde? Sie ist nicht abhängig vom (endlichen) Rohstoff Lithium, extrem einfach in der Herstellung (man kann sie fast zu Hause basteln) und so vielseitig, dass es denkbar ist, in Zukunft Fenster zu haben, die gleichzeitig als Solarzellen dienen. Sie verschandelt weder Haus noch Landschaft. Aber sie hat ein Problem: sie macht unabhängig. Dies ist es zwar, was wir brauchen für eine echte Energiewende, dies ist es aber auch, was Politik und Energiekonzerne um jeden Preis verhindern wollen. Denn: unabhängige Bürger sind schwer zu kontrollieren, man kann ihr Konsumverhalten nicht analysieren, nicht steuern. Und das ist es, was unsere Politiker, vereint mit den Wirtschaftsbossen und Datensammlern, den Werbeideologen und Verkaufsterroristen wollen: den Verbraucher kontrollieren.
Konrad Lorenz schrieb in seinem Buch "Die 8 Todsünden der zivilisierten Menschheit" bereits 1973:
"Dem kapitalistischen Großproduzenten wie den sowjetischen Funktionär muss gleichermaßen daran gelegen sein, die Menschen zu möglichst uniformen, ideal widerstandslosen Untertanen zu konditionieren..." und: "Wie sehr wir angeblich freien westlichen Kulturmenschen von den kommerziellen Beschlüssen der Großproduzenten manipuliert werden, ist uns gar nicht mehr bewusst.......Da wird einem ganz allmählich klar, dass die im großen betriebene Werbung der Produzenten... genau die selbe Funktion erfüllt, die im Osten den Spruchbändern zufällt." (Konrad Lorenz: Die 8 Todsünden der zivilisierten Menschheit, Piper&Co 1973)
Autarkie des Bürgers ist also ein Staatsfeind erster Güte, solange die Politik zuallererst im Sinne der Großindustrie und Banken denkt und handelt.
Konrad Lorenz - Die 8 Todsünden der zivilisierten Menschheit
Erziehung zum bewussten Verbrauch
Dabei birgt Autarkie in der Energieversorgung eine weitere Chance: die der Wende im Verbrauchsverhalten. Es wird gelegentlich - und sehr zu Recht - darauf hingewiesen, dass die Energiewende auch im Verbrauch des Einzelnen stattfinden müsse. Wie aber soll das gehen? Wir wissen alle, dass man dem Menschen lange gut zureden kann. Es nützt nichts. Würde es reichen, sähe die Welt anders aus. Es gibt nur zwei Dinge, die das Verbrauchsverhalten ändern können: höhere Preise oder ein eigenes Verhältnis zu dem zu verbrauchenden Produkt. Es liegt auf der Hand, dass höhere Preise nicht das Mittel der Wahl sein sollten. Wenn der Verbraucher aber selbst seinen Strom erzeugt oder ihn aus einem Pool bekommt, der nicht irgendwo anonym in einem Profit-Meiler verpanzert ist, sondern zum Leben in der Kommune beiträgt, ändert sich das Verhältnis, da die Entfremdung vom Produkt schwindet.
Wollen oder können sie nicht?
Solange von Politikern nur über das Für und Wider von Atomkraft gestritten wird - was absurd genug ist, angesichts allein des strahlenden Mülls, den wir wie die letzten Penner dem Universum auf Jahrmillionen hinterlassen - und kein Umdenken in der Struktur des Energiesystems stattfindet, muss man leider alle schönen Reden und Beteuerungen, und zwar von allen Seiten, als entweder nicht durchdacht oder heuchlerisch ansehen. Denn letztlich gibt es nur diese zwei Möglichkeiten: Entweder, die Verantwortlichen haben es nicht begriffen, oder sie wollen es nicht. Eines ist so schlimm wie das andere.
© C. René Hirschfeld
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