Die Elektronische Patientenakte

Zum 15. Januar 2025 wurde für jeden Kunden der Krankenkassen eine so genannte elektronische Patientenakte angelegt. Die viel beworbenen Vorteile klangen erst einmal gut. Beispielsweise die medizinische Vernetzung. Jeder Arzt hat Einblick in die Vorerkrankungen, grundsätzliche medizinische Daten usw. Nach einem Unfall kann das beispielsweise helfen, zügig die richtige Blutgruppe für eine Transfusion zu ermitteln. Ein Notarzt erkennt möglicherweise schneller, ob ein diabetisches Koma oder ein anderer Grund für die Bewusstlosigkeit vorliegt… Im Prinzip also eine nützliche Einrichtung.

Natürlich kann man der automatischen Einrichtung der ePA trotzdem widersprechen. Aber warum eigentlich? Grundsätzlich ist sie eine kostensparende und effizienzfördernde Idee. Eine weitere, sehr wichtige, Funktion besteht übrigens darin, selbst Einsicht nehmen zu können und bestimmte Angaben auch zu sperren. Das allerdings bedingt zunächst, dass man tatsächlich Zugriff darauf erhält.

Womit das Drama seinen Lauf nimmt…

 

Der Weg in den digitalen Wahnsinn: ein erster Versuch

Ein halbes Jahr nach dem Start der ePA las ich (natürlich digital) in einer Tageszeitung, nur wenige Menschen würden selbst auf ihre ePA zugreifen. Als Gründe dafür machten die Autoren unter anderem die Tatsache aus, dass der Zugriff sehr aufwendig sei. Als Mensch, der berufsbedingt sehr häufig neue digitale Anwendungen nutzt, machte ich mich daher daran, diese Aussage selbst zu überprüfen.

 Meine ersten Schritte in Richtung ePA verliefen so einfach, wie es mir die Krankenkasse suggerierte: Ich legte mir einen Account im Portal der Krankenkasse zu, gab brav meine Kartennummer sowie eine E-Mail-Adresse ein und vergab ein Passwort. So weit, so unspektakulär. Dass ich dies anschließend über eine per Mail versandte Verifizierungsnummer noch einmal alles bestätigen musste – geschenkt.

Nun glaubte ich, endlich loslegen zu können.

Weit gefehlt! Zunächst wurde mir mitgeteilt, dass ich postalisch eine PIN erhalten würde. Nach immerhin einer Woche war es dann so weit. Nahezu freudig gestimmt, gab ich die PIN ein und überzeugte das System, meine Anmeldedaten schon beim dritten Versuch zu akzeptieren. Ich war drin, endlich!

Schön, dass ich jetzt unfreiwillig einen Account im Kundenportal der Krankenkasse hatte. Ein Zugang zu meiner ePA bestand dadurch aber trotzdem nicht. Fun Fact am Rande: Die entsprechende Smartphone-App der Krankenkasse funktionierte nicht, sondern brachte permanent eine Fehlermeldung. Mir blieb somit nur der Zugang über das Online-Portal. Für eine Krankenkasse mit einem "technischen" Namen ist das besonders peinlich!

 

Der zweite Versuch: Wir lassen keine Kunden rein!

Im Portal las ich mich eine Weile schlau, um vielleicht dennoch Zugriff auf meine ePA zu erhalten. Zu lesen war beispielsweise von einer Desktop-App, über die man ganz bequem mittels Kartenlesegerät die eigene ePA einsehen könne.

Welch Glück! Ich besaß ein zu diesem Zeitpunkt modernes Kartenlesegerät. Die Desktop-App war auch schnell installiert. Zunächst musste natürlich wieder ein gerätespezifischer Account angelegt werden... Was soll's? Dann machen wir das eben auch noch.

Sie sehen, liebe Leserinnen und Leser: Ich kann sehr geduldig sein.

Anschließend legte ich nahezu euphorisch die Krankenkarte auf das Lesegerät und – erhielt die Meldung: "Unbekanntes Gerät. Es sind nur Kartenlesegeräte der Sicherheitsstufen 2 oder 3 zulässig."

 

Der dritte Versuch: Zurück ins 19. Jahrhundert

Die Desktop-App wies mich allerdings noch auf eine weitere Identifizierungsmöglichkeit hin: Eine zusätzliche Ident-App der Krankenkasse auf dem Handy. Ja, sowas kennt wahrscheinlich mittlerweile jeder. Also habe ich auch noch das installiert. Bei vielen derartigen Apps identifiziert man sich einmalig per Rufnummer oder E-Mail und kann sie dann auch nur auf diesem Gerät nutzen.

Die Identifizierungs-App meiner Krankenkasse jedoch wählte einen etwas bürokratischeren Weg: Die postalische Zusendung einer weiteren PIN. Na gut, dachte ich. Dann warte ich eben noch ein, zwei Wochen. Bevor ich die PIN beantragte, las ich jedoch zum Glück das Kleingedruckte: Dieser Brief würde mir nur ausgehändigt werden, wenn ich mich gegenüber dem Postboten oder in einer Filiale per Ausweis identifiziere. Als Mensch, der seinen Postboten nie zu Gesicht bekommt, weil er tagsüber in einem Land arbeitet, wo Postfilialen so selten wie Lottogewinne sind, war ich also raus aus der Nummer. Wie konnte ich nur glauben, das Postwesen des 19. Jahrhunderts sei mittlerweile überholt? Ich Dummerchen.

An diesem Punkt gab ich übrigens auf, damit in meiner ePA nicht irgendwann die Diagnose "Psychische Auffälligkeit in Form von Jähzorn" auftaucht.

 

Ein böser Verdacht: So geht Kundenbindung

Über Kundenbindungssysteme wurde schon viel geschrieben, diskutiert und geforscht. Im Prinzip handelt es sich meist um Rabattpunkte, Vorteils-Apps, Gewinnspiele und derlei Unfug mehr. Immer geht es darum, das Unternehmen besonders vorteilhaft erscheinen zu lassen. Bei meiner Krankenkasse war das eindeutig nicht der Fall. Dennoch kam mir irgendwann der Verdacht, dass auch das digitale Drama eine Art von Kundenbindung ist. Sollte das leidgeprüfte Kassenmitglied es nämlich tatsächlich irgendwann schaffen, Einblick in die ePA zu erhalten, wird es wohl keine großen Ambitionen mehr haben, jemals wieder die Krankenkasse zu wechseln. Denn dann ginge der Bürokratiewahnsinn aus Apps, PINs, Aktivierungscode und so weiter vermutlich von vorn los…

Donky, am 14.09.2025
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