Gefühle sind authentisch

Während eines meiner öffentlichen Workshops äußerte ein Teilnehmer eine Meinung, die sich für mich als Coach erst einmal "falsch" anhörte. Sie wirkte auf mich auch unlogisch und widersprach meiner Auffassung und bisherigen Einstellung zu dem Thema.

Und doch spürte ich in mir auch andere Resonanzen. Warum sollte das, was dieser Mensch hier offen äußerte, nicht wahr sein? Vielleicht nicht für alle Menschen, vielleicht sogar nur für ihn exklusiv? Doch was wäre daran so schlimm? Denn seine Gefühle waren authentisch, sie kamen aus ihm. Das war ein Teil von ihm und ich spürte, diese Äußerung war ihm nicht leicht gefallen. Wer also hatte das Recht, ihm zu widersprechen?

Natürlich hat jeder das Recht, seine eigene, auch andere Meinung zu äußern. Nur sollte er dabei die Meinung des Gegenübers respektieren und stehen lassen und seine eigene einfach nur daneben stellen. Denn auch diese andere Meinung ist authentisch, entspringt einem Gefühl und ist es wert, geachtet zu werden.

Wie oft jedoch negieren wir im Alltag die Gefühle unserer Mitmenschen und verletzen sie damit. Wie oft wollen wir nicht sehen, da hat jemand den Mut, seine eigene Meinung zu artikulieren, auch wenn sie nicht dem Mainstream entspricht? Und wie reagiert die Umwelt? Nach dem Motto... weil nicht sein kann, was nicht sein darf...

Doch was darf denn bitte sein und wer spielt sich als Zensor auf? Und wie würde der Zensor reagieren, wenn mit ihm so umgegangen würde?

Einfach nur akzeptieren

In wenigen Tagen werden Familien wieder unter dem Weihnachtsbaum sitzen, Gänsebraten genießen und liebe Verwandte in ihrer Wohnung zu Besuch aufnehmen.

In wenigen Tagen werden Familien sich wieder streiten, alte Ressentiments aufbrechen und ungeheilte emotionale Verletzungen wieder schmerzen.

Und warum? Weil Begriffe wie Toleranz, Nächstenliebe, Behutsamkeit, Achtsamkeit, Gelassenheit und Respekt nur ausgesprochen, doch nicht gelebt werden. Weil sie bei vielen Menschen einfach nicht aus der eigenen Person, dem eigenen Unbewussten kommen.

Dabei wäre es so einfach. Den Bruder, die Schwester, den Schwager und die Schwägerin so akzeptieren, wie sie sind. Sie in ihrer Persönlichkeit, auch mit ihren Schwächen und Macken und in ihrer Unvollkommenheit vorbehaltlos anzunehmen, würde viele Familiendramen verhindern.

Das bedeutet aber, sich selber ein Stück zurück und nicht so wichtig zu nehmen. Das heißt, den Mitmenschen als ein Geschenk anzunehmen, auch wenn es schlampig verpackt und schon gebraucht ist.

Denn was dieses Geschenk äußert, kommt aus ihm selber, im Positiven wie auch im Negativen.

Nehmen wir es einfach nur mal an. Beobachten wir es, ohne es gleich zu be-werten. Und stellen wir seine Äußerungen gelassen neben andere Aussagen und erfreuen uns an der Vielfalt.

Ich wünsche Euch ein friedliches und besinnliches Weihnachtsfest voller Harmonie und Liebe.

 

Der Autor ist Systemischer Coach mit der Spezialisierung auf Menschen mit Angststörungen.

Er lebt und arbeitet in Berlin.

Fotos by: pixabay.com

 

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