Furien: Horrorgeschichten von Richard Laymon
Mit "Furien" zieht Horrorautor Richard Laymon eine literarische Blutspur hinter sich her. Blut und Gewalt sattsam, Tabus Mangelware.Dem Artikelautor war er bis vor wenigen Jahren völlig unbekannt. Ein Umstand, der sich erst dank der in der ersten "Necrophobia"-Anthologie abgedruckten Geschichte "Die Hütte im Wald" gründlich änderte. Mit dem Band "Furien" lagen alsbald ein Kurzroman und 12 Horrorkurzgeschichten des Kultautors auf dem Nachtkästchen. Aber nicht lange ungelesen...
Nach einem etwas albernen Vorwort von Genrekollegen Dean Koontz geht es mit "Unholde" gleich in die Vollen. Marty steht im Kino plötzlich ausgerechnet jenem Mann erneut gegenüber, der sie als Mädchen vergewaltigt hatte. Völlig von der jungen Frau besessen, hat der Psychopath sie aufgespürt und ist drauf und dran, dort anzuknüpfen, wo er vor zehn Jahren aufgehört hatte...
Die rund 120 Seiten lange Novelle fährt schwerste textliche Geschütze auf. Es wird malträtiert, geschändet und gefoltert, bis die Geschichte im unausweichlich blutigen Finale mündet. So flüssig - dies möge nicht als Wortspiel verstanden werden! - die Handlung auch dahinflutscht: Spannend oder stilistisch anregend ist die Kurzgeschichte "Unholde" nicht. Vielmehr ergeht sie sich in ermüdenden Gewaltdarstellungen, deren erhoffte schockierende Wirkung sich abnutzt.
Humorvoller Horror
Dem wenig erquicklichen Auftakt folgen ein Dutzend Kurzgeschichten, die mitunter nur wenige Seiten umfassen:
- Der Katzenwurf
- Die Blutspur
- Der Anhalter in der Wüste
- Die Maske
- Vorkoster
- Die Jagd
- Einschnitte
- In der Wildnis
- Ungebetene Gäste
- Die Auserwählten
- Joyce
- Ein ruhiges, stilles Örtchen
Nicht nur in Punkto Länge, sondern auch qualitativ weisen die Storys teils drastische Unterschiede auf. Für Abwechslung ist jedenfalls reichlich gesorgt. Denn keine Kurzgeschichte gleicht der anderen. Während etwa "In der Wildnis" mit einer kurzen, knackigen Pointe schmunzeln lässt, verlaufen einige andere Geschichten völlig im Nichts und enden scheinbar völlig willkürlich.
Dabei versteht es Laymon oft auf großartige Weise, eine spannende Prämisse aufzubauen und den Leser in den Bann zu ziehen. Beispielhaft dafür ist die Geschichte "Die Jagd". Darin wird eine junge Frau offenbar von einem Serienkiller entführt, in dessen Beuteschema sie perfekt passt. Nach spannendem Beginn dümpelt die Story bis zum geradezu belanglosen Ende dahin. Bei anderen Texten ist die Schlusspointe vorhersehbar oder erweist sich als völlig an den Haaren herbeigezogen. Ein ärgerlicher Umstand bei einer atmosphärisch dichten Geschichte wie "Der Katzenwurf", die auf der letzten Seite ins Lächerliche umschlägt.
Philip-Marlowe-Verschnitt
Als am Stärksten erweisen sich ausgerechnet die subtileren und humorvolleren Geschichten. So präsentiert sich "Vorkoster" im Philip-Marlowe-Outfit, nur mit einem deutlich weniger cleveren Privatdetektiv als Protagonisten. Die Folge ist eine brüllend komische Pointe, die alleine bereits den Kauf von Laymons "Furien" rechtfertigt.
Weniger humorvoll, dafür überraschend einfühlsam liest sich "Einschnitte". Der Plot wirkt auf den ersten Blick vertraut: Student verliebt sich in Kommilitonin, wobei seine Liebe bizarrer Natur ist. Immer, wenn der Leser glaubt zu wissen, wie der Hase läuft, schlägt die Handlung einen Haken. Auch das Ende überrascht und weiß zu gefallen, da es - ohne zu viel verraten zu wollen - tatsächlich "anders" ist.
Durchaus genießbare Horrorsammlung "Furien"
Angesichts solcher literarischer Kleinode betrübt es, wenn die abschließenden Horrorgeschichten "Joyce" und "Ein ruhiges, stilles Örtchen" auf halbem Wege beginnen, sich im Kreise zu drehen und ins Absurde abgleiten.
Alles in allem ist "Furien" Horrorfans durchaus ans gewiss dunkle Herz zu legen. Anspruchsvoll oder durchwegs überzeugend ist Laymons Horrorsammlung zwar nicht. Für ein paar unterhaltsame Stunden reicht es dennoch und somit erfüllt der Band seinen Zweck.
Originaltitel: Fiends
Autor: Richard Laymon
Veröffentlichungsjahr: 2010 (auf Deutsch)
Seitenanzahl: 352 Seiten
Verlag: Festa
Bildquelle:
Karin Scherbart
(Asterix bei den Pikten – Rezension)