Mein Krähennest - eine Flut von Gedichten

Lange Zeit habe ich mich beim literarischen Schreiben auf Kurzformen beschränkt, und zwischen Märchen und Kurzgeschichten entstand auch immer wieder einmal ein Gedicht. Ungefähr um die Jahrtausendwende (während ich einen ersten Roman "in Arbeit" hatte) brach plötzlich eine ganze Flut von Gedichten über mich herein. Zunächst ging es dabei vor allem um ein Thema: Die Rückschau auf lange Jahre der Introspektion, die der Auflösung prägender Muster dienten. Die meisten dieser Gedichte enden mit einem triumphierenden Ton: Endlich sind die alten Hüllen abgestreift! Bald wurde eine weitere Befreiung notwendig: Von der Angewohnheit, jede Kleinigkeit durch die analytische Brille zu betrachten.
Darauf folgte Naturlyrik und eine ganze Serie von Gedichten, die sich mit kreativen Prozessen beschäftigen und den kreativen Ausdruck feiern. In der letzten Zeit ist Lyrik hinter Romanen und Sachtexten wieder weit in den Hintergrund gerückt — und wenn ich mal das Bedürfnis habe, etwas in lyrischer Form auszudrücken, dann kristallisiert sich dabei oft die Frage heraus: Wie gelingt es, inmitten von Trubel und äußeren Anforderungen in sich selbst zentriert zu bleiben? (Oder wieder in die eigene Mitte zu kommen, wenn mensch sich zu sehr veräußert hat). Darum geht es im Titelgedicht: Krähennest.
Einige der Gedichte sind unter dem Titel Narrenfreiheit zusammengefasst, daraus hier:

Familienbild mit schwarzer Ziege
Als Fremdling hineingeboren in eine Familie aus hellen Schafen
― schwarz und von Anbeginn an bestimmt zum Anders‑Sein.
Die Schafe schämen sich des dunklen Wesens in ihrer Mitte
sagen: <Ja, sicher gehörst du zu uns, aber dann sei auch wie wir.   
Sei hell und lieb und artig und nett.>

Als einziges bockiges schwarzes Tier
in einer ganzen Herde weißer Schafe
fühlt sich der schwarze Fremdling getrieben ins Anders‑Sein
verlässt die saftigen Kleewiesen
grast lieber auf steinigen Hängen, wo
im Steingrund unter den Hufen nichts wächst
als kratzige Disteln, stachliger Ginster:
Nahrung, die eine Botschaft enthält.
Disteln und Ginster sind zähe Gewächse
die treiben ihre Wurzeln tief in den Boden
weder Nahrung noch Wasser finden sie
an der kargen Oberfläche
und wenn sie auch bitter schmecken
so haben sie doch heilende Kraft.

Schwarz‑Sein:
das war nicht nur Anders‑Sein, Nicht‑Dazugehören
das wurde auch zu einer Maske
in deren Schutz sich Heilung vollzog
hinter der die verkannte Schaf‑Ziege zur Närrin wurde
ihre Narrenfreiheit genießen lernte
auf andere Narren traf ― um schließlich zu erkennen:
Nicht armes ausgestoß'nes  Schaf bin ich sondern Ziege
wie all die ander'n un‑angepassten Narren
zu deren Wesen es gehört
bockig und eigen‑willig zu sein.

Die Schwarze Ziege beginnt
sich wohl zu fühlen an ihren steilen Hängen
wo heilsame Kräuter wachsen
wo zwischen den Steinen schwarzglänzende Skorpione leben
die teilen des Nachts ihre Geheimnisse mit
führen ihre Tänze der Liebe auf
und dann und wann ist Pan zu Gast mit seiner Flöte.

Narren und  Ziegen lernen unterscheiden:
wo die Mitglieder der Schafherde mit ihrer Weißheit prahlen
da sieht die schwarze Ziege grauverfilzte Wolle
und sie weiß um den Glanz auf ihrem eigenen schwarzen Fell.
Die Närrin singt ihre Lieder, begleitet von Schellengeläut
vollführt ihren Akt der Balance auf dem hohen Seil
aufgespannt zwischen Bosheit und Weisheit.

Alte uralte Weiden

Ernst und würdevoll

stehn sie am Ufer

wie weise Frauen und Männer beim Ting.

 

Aus geborstner Rindenhaut

zerfurcht von Falten und Narben

streicht ihr sanfter Blick

über Wildblumenwogen zu ihren Wurzeln: Weiden & Blumen

maigrün rosa weiss lichtblau.

 

Sie erinnern ihre biegsame Jugendgestalt

und andres, schmerzvoll und böse...

Hexenverbrennungen vielleicht...

 

In eine hat das Feuer

einen Durchgang gebrannt

in die Anderswelt.

Darüber malachitgrünes Flechtenhaar.

Alle tragen lebenden Schmuck auf den Häuptern:

Gräser Lichtnelken und bittersüßen Nachtschatten.

 

Kreativität ist...

... immer im Fluß...

aus deinem tiefsten Innern sprudelt die Quelle hervorWasser im Fluss

strömt durch dich hindurch immer neu immer frisch

 

Beachtest du sie nicht

staut sich ihr Wasser, stagniert,

wird zum stinkenden Tümpel,

wird zum Morast, in dem du versinken kannst.

 

Hör auf die Stimme dieses ewigen Strömens in dir

gib ihr deine Stimme gib ihr deine Hand

deine Augen deinen Körper

gib ihr dein Leben und du selbst wirst lebendig sein.


                                                                              

Wasser im Fluss   

Krähennest


Nach einem Tag voller Tumulte

sitze ich im ParkMein Krähennest

vor mir der Teich

umgeben von einem Kreis aus Bäumen

 

Kraa! Kraa! Kraa!

 

Klingt, als vollzögen die Krähen

den gleichen Übergang wie ich:

Die Unruhe des Tages hinter sich lassen

und einen Ruheplatz suchen.

Die schwarzen Vögel bereiten sich vor auf die Stille der Nacht,

während ich das Tor zum inneren Raum des Friedens öffne,

hoch über den turbulenten Gewässern des alltäglichen Lebens

mein ganz eigenes Krähennest.


Bislang ist der Gedichtband bei Epubli erhältlich, demnächst auch bei Amazon.

www.epubli.de/shop/buch/Mein-Krähennest-Frida-Kopp/14001

www.amazon.de/Mein-Kr%C3%A4hennest-Frida-Kopp/dp/3844216227/ref=sr_1_2?s=books&ie=UTF8&qid=1333447984&sr=1-2

frida, am 06.03.2012
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Bildquelle:
Karin Scherbart (Asterix bei den Pikten – Rezension)

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