Warum dürfen schwule Männer weder Blut noch Knochenmark spenden?

Nach dem Auftauchen von HIV in den 1980er Jahren und dem großen Blutspendeskandal im Jahr 1993 wurden die Richtlinien für das Blutspenden verändert. Seitdem dürfen schwule Männer kein Blut mehr spenden, ohne zu berücksichtigen, ob ihr Sexualverhalten riskant ist oder nicht.

Blutspendedienste verweisen auf Richtlinien der Bundesärztekammer

Die Blutspendedienste sind an die Vorgaben der Bundesärztekammer gebunden. Die Kriterien werden in den Transfusionsrichtlinien genannt. Dort ist zu lesen, dass alle Personen mit erhöhtem Übertragungsrisiko, also nicht nur ernsthaft erkrankte Personen, Drogenabhängige, Häftlinge sowie männliche und weibliche Prostituierte, sondern auch homo- oder bisexuelle Männer pauschal dem Verbot unterliegen. Dabei spielt es für den Gesetzgeber keine Rolle, ob die Person in einer monogamen Beziehung lebt oder ob ihr Sexualverhalten tatsächlich riskant ist, sie also häufig wechselnde Sexualpartner hat.

Pauschale Diskriminierung von homosexuellen und bisexuellen Männern

Schwulenverbände halten deshalb eine Veränderung des momentan gültigen Fragebogens für notwendig, den jeder Spender vor dem Blutspenden ausfüllen muss. In diesem Fragebogen wird nämlich lediglich nach der sexuellen Orientierung gefragt und nicht nach dem konkreten Sexualverhalten oder besser gesagt nach der Häufigkeit wechselnder Sexualpartner. Hier hinkt die deutsche Regelung hinter Ländern wie Spanien, Portugal oder Italien deutlich hinterher, denn dort wurden in den letzten Jahren die Richtlinien und Fragebögen für Blutspenden von Homosexuellen entsprechend verändert. Bündnis 90/Die Grünen ist derzeit die einzige Partei, die dieses Thema auf ihrer Tagesordnung hat und versucht, politisch etwas zu bewegen, um auch in diesem Bereich gegen Diskriminierung vorzugehen.

Paul-Ehrlich-Institut und Bundesärztekammer bleiben untätig

Schon 2001 hat der LSVD (Lesben- und Schwulenverband Deutschland) das Paul-Ehrlich-Institut, welches in Zusammenarbeit mit der Bundesärztekammer die Transfusionsrichtlinien im Rahmen des Transplantationsgesetzes erarbeitet hat, angefragt, ob und wann mit einer Veränderung der Richtlinien zu rechnen sei. Die Antwort war unbefriedigend, denn sie machte deutlich, dass die Streichung des geltenden Ausschlusskriteriums erst vorgenommen werden soll, wenn die Statistik es zulasse. Das bedeutet allerdings nichts anderes, als dass das pauschale Verbot bestehen bleibt, bis die Zahl der HIV-Infizierten Homosexuellen genauso hoch oder niedrig ist, wie die Infektionsrate in der übrigen Bevölkerung. Aus diesem Grund muss der DRK-Blutspendedienst immer wieder darauf hinweisen, dass er an die Weisungen der Bundesärztekammer gebunden sei. Als weitere Begründung gibt er an, dass Homosexuelle noch immer eine Risikogruppe darstellen, was an den steigenden HIV-Neuinfektionen innerhalb der Gruppe deutlich ablesbar sei. Trotz zuverlässiger Tests bleibe dennoch ein Restrisiko. Um den Empfängern einer Blutspende die höchstmögliche Sicherheit zu garantieren und eine Infektion mit HIV zu vermeiden, werde die jetzige Regelung beibehalten.

Schwule Männer sind nicht pauschal untreu

Gerechterweise muss man sagen, dass viele monogam lebende schwule Männer unter dem Klischee des ausschweifenden Sexualverhaltens zu leiden haben, das sich die Szene (zumindest teilweise) selbst "erarbeitet" hat. Seit dem Aufleben der Schwulenbewegung, dem Auftreten von HIV und Aids und der bei CSD-Paraden öffentlich wahrnehmbaren Extravaganz wird Schwulsein leider bis heute mit sexueller Ausschweifung, häufig wechselnden Sexualpartnern oder gar abartigen Sexualpraktiken gleichgesetzt. Der schwule Mann wird also einzig auf eine Sexualität reduziert, die von einem Großteil Homosexueller gar nicht als die ihre in Anspruch genommen wird. Natürlich, es gibt zahlreiche Schwule, denen ihre eigene Gesundheit egal ist und die ihre Verantwortung anderen Menschen gegenüber nicht wahrnehmen. Aber viele schwule Männer leben in monogamen Beziehungen und eine ganz große Mehrheit ist sich der eigenen Verantwortung bewusst, wenn es um HIV, Aids oder andere sexuell übertragbare Krankheiten geht. Insofern darf man nicht den Fehler machen und schwule Männer durch eine Transfusionsrichtlinie der Bundesärztekammer pauschal vom Blutspenden auszuschließen, sie dadurch als zutiefst untreu abzuwerten und auf diese Weise zu diskriminieren.

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