Dank Tätowiermaschinen sind immer großflächigere Tattoos möglich geworden. (Bild: Jörg Brinckheger / pixelio.de)

Verschiedene Einmal-Griffstücke einer Tätowiermaschine. (Bild: Sandra Neumann / pixelio.de)

Erschreckende Bilanz

Bereits 2011 schlugen die Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter (CVUA) in Freiburg und Karlsruhe Alarm. Im Rahmen einer vom Gesundheitsamt Reutlingen, von der Lebensmittelüberwachungsbehörde, vom Ordnungsamt und vom Landesgesundheitsamt gemeinsam durchgeführten Überprüfung fanden die Kontrolleure in Tätowierfarben gesundheitsgefährdende und gefährliche Inhaltsstoffe. Zwei Drittel der achtunddreißig gezogenen Proben waren in ihrer stofflichen Zusammensetzung beanstandet worden.

  • Sechs Proben enthielten die nicht zugelassenen Pigmente mit den Colour Index-Nummern CI74260, CI 73900, CI 21108 und CI 11710.
  • Ebenfalls in sechs Proben waren die verbotenen, als Azofarbstoffe bezeichneten aromatischen Amine 2,4 Toluylendiamin und o-Anisidin enthalten.
  • In einer Probe konnte das gleichfalls verbotene Phenol nachgewiesen werden.
  • In einer weiteren Probe wurde der Richtwert für das Krebs auslösende Nitrosamin N-Nitrosodiethanolamin (NDELA) um ein Vielfaches überschritten.
  • In fünf Proben war der für Kosmetika nicht zugelassene technische Konservierungsstoff Benzisothiazolinon in hoher Konzentration enthalten.
  • 25 von 38 Proben wiesen keine ordnungsgemäße Kennzeichnung auf dem Etikett auf.
  • Bei ebenfalls 25 Proben wurden Farbstoffe festgestellt, die für die Verwendung als Tätowierfarbe nicht bewertet sind.

 

Nachfolgeanalysen bestätigen frühere Testergebnisse

2013 legte das Öko-Testmagazin nicht minder beängstigende Resultate vor. Demnach enthielt von zwanzig überprüften Farben jede zweite gleich mehrere gesundheitsschädigende Stoffe. Fünf farbige und zwei schwarze Tätowiertinten waren mit krebsverdächtigen und krebserregenden polyzyklischen, aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) in so gravierenden Mengen angereichert, dass sie nicht in den Verkauf hätten gelangen dürfen. In den Produkten eines US-amerikanischen Herstellers überschritt die PAK-Konzentation den vom Europarat empfohlenen Grenzwert gar um das 180-fache.

Insbesondere in den Farben Gelb und Grün wurden als krebserregend geltende, aromatische Amine nachgewiesen, die nach der deutschen Tätowiermittelverordnung verboten sind. Ebenfalls auf der Liste der verbotenen Substanzen stehen die cancerogenen Nitrosamine, die in einer Farbprobe gefunden wurden.

In den Testfarben wurden zudem krebsverdächtiges Formaldehyd und wiederum das Konservierungsmittel Benzoisothiazolinon nachgewiesen. Letzteres besitzt ein hohes Kontaktallergiepotenzial. Sieben Produkte enthielten zudem halogenorganische Farbstoffe, die zumindest umstritten sind. In zwei Farben fanden die Tester das starke Allergen Nickel. Von den 20 überprüften Tinten waren nur drei schwarze völlig schadstofffrei.

Analysen, die in Hessen, Bayern, in den Niederlanden, in Slowenien und in der Schweiz durchgeführt wurden, bestätigten die beunruhigenden Ergebnisse früherer Tests.

 

Gefährliche Grauzone in der bunten Welt der Tattoos

Bei einigen der beanstandeten Tätowierfarben handelt es sich demnach nicht um zugelassene Kosmetikfarbstoffe, sondern um technische Pigmente, die allgemein als Autolacke, Textil- und Druckfarben oder in der Kunststoffindustrie Verwendung finden. Laut Datenblätter müssen diese Farbstoffe nach Hautkontakt "sofort mit viel Wasser und Seife ab(ge)waschen" werden. Trotz der für diese Stoffe unzureichenden toxikologischen Datenlage durften sie jedoch bisher als Tätowierfarben verwendet werden.

 

Gesundheitsschädliche Farbbestandteile verbleiben im Körper 

Seit geraumer häufen sich die Hinweise, dass die per Nadel unter die Haut beförderte Farbe nur zum Teil dort verbleibt. Tierversuche an der Universität Regensburg ergaben, dass aus den tätowierten Hautpartien mehr als die Hälfte der Pigmente in andere Körpergewebe "auswandern" kann. Bei Langzeittätowierten beträgt der Anteil sogar bis zu achtzig Prozent. Chirurgen stoßen bei Operationen tätowierter Patienten immer wieder auf bunt angefärbte Lymphknoten, den wohl bevorzugten Sammelorten für Tätowierfarben im Körper. Ob die verunreinigten Farben mit dem Lymphstrom transportiert werden und ihre giftige Fracht somit auch in Organen wie der Leber, der Milz und dem Gehirn ablagern, ist derzeit noch kaum erforscht. Mit welchen gesundheitlichen Problemen Tätowierte tatsächlich rechnen müssen, lässt sich auf Grund fehlender epidemiologischer Studien bislang nicht sagen. Mediziner halten in Anbetracht der in den Farben gefundenen toxischen Stoffe Langzeitschäden wie Gewebeveränderungen bis hin zur Entstehung von Tumoren jedoch nicht für ausgeschlossen.

 

Behörden reagieren auf hohe Beanstandungsquoten

Alarmiert durch die Testergebnisse und auf Anraten des europäischen Schnellwarnsystems für Konsumgüter (Rapex) ordnen die Behörden zunehmend Rückrufaktionen beanstandeter Tätowierfarben an oder verfügen Anwendungsverbote. Insbesondere Produkte aus China, Japan, Frankreich und aus den USA mussten vom Markt genommen werden.

 

Tätowierer begrüßen amtliche Prüfungen

Die überwiegende Mehrheit der Tätowierer beklagt die mangelhafte und mitunter irreführende Informationspolitik mancher Anbieter von Tätowierfarben. Besonders der undurchschaubare Internethandel stelle ein zunehmendes Problem dar. Nach Angaben der Tätowierer unterstützen diese deshalb die Kontrollen und sprechen sich zudem für eine strenge Regulierung aus, da sie so selbst vor Regressansprüchen ihrer Kunden besser geschützt seien. Allerdings kümmerten sich viele neu eröffnete Tattoo-Studios in der Regel kaum um die gesetzlichen Anforderungen.

 

EU - Schutzregeln für Tätowierfarben angestrebt

Die CVUA Freiburg und Karlsruhe sehen mit Hinblick auf den in Deutschland ungebrochenen Modetrend zum Tattoo dringenden Handlungsbedarf. Sie wollen auch weiterhin durch geeignete Aktionen dazu beitragen, die stoffliche Zusammensetzung von Tätowierfarben transparenter zu machen. Zudem fordern sie, in Deutschland und in der EU einen verbindlichen Rechtsrahmen zu schaffen und den Verbraucherschutz wirksamer zu gestalten. Wichtig sei auch eine umfassende Aufklärung der Bevölkerung über die gesundheitlichen Risiken des Tätowierens.

In Deutschland gilt seit 1.5.2009 eine Tätowiermittelverordnung (TätV), die Kennzeichnungen regelt und verbotene Substanzen wie krebserregende Farbstoffe auflistet. Eigens zugelassen werden müssen Tätowiermittel nicht, für die Sicherheit sind die Hersteller verantwortlich.

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, in Brüssel europaweite Regeln zum Schutz vor gesundheitsschädlichen Tätowierfarben durchzusetzen. Der für Produktsicherheit zuständige Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) startete am 29. Juni 2016 die Informationskampagne "Safer Tattoo". Auf der Website www.safer-tattoo.de bietet das Ministerium Wissenswertes über gesundheitliche Risiken des Tätowierens und mögliche Schutzmaßnahmen. Zudem drängt der Minister auf einheitliche europäische Hygienestandards und strengere Regeln für Tätowierer. So soll zukünftig jeder, der ein Tattoo-Studio eröffnet, sein Können durch einen Befähigungsnachweis attestieren müssen.

 

Wie sich Verbraucher schützen können

Ingrid Neudorfer-Schwarz, Sachverständige und Lebensmittelchemikerin am Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in Oberschleißheim urteilt, es gebe neben den hochgradig verunreinigten Mischungen zweifelhafter Herkunft genügend gute Farben auf dem Markt. Um sicher zu gehen, dass nur zugelassenen Farben verwendet werden, sollten sich Tätowierwillige im Tattoo-Studio das Etikett inklusive Laborgutachten vorlegen lassen. Das Etikett sollte Namen und Anschrift des Herstellers (oder Importeurs) aufweisen. Auch das Mindesthaltbarkeitsdatum, die Verwendungsdauer nach dem Öffnen und die Chargennummer sowie eine Liste der Inhaltsstoffe sollte darauf vermerkt sein. Das Gutachten sollte Aufschluss darüber geben, ob die Produkte negativ auf aromatische Amine, Schwermetalle und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe getestet wurden. Im Zweifel ist man gut beraten, seine Haut, immerhin das größte Organ des Menschen, einem anderen Studio anzuvertrauen.

 Quellen:

  • Bericht der Kosmetik-Sachverständigen der CVUAs Freiburg und Karlsruhe vom 18.02.2011
  • Oliver Karthaus: Viele Tätowierfarben enthalten krebserregende und verbotene Stoffe; www.dailygreen.de vom 03.01.2013
  • Volker Mrasek: Gift im Arschgeweih; www.spiegel.de vom 14.02.2013
  • rbb Praxis News vom 18.02.2015

 

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