Inhalt: Götz von Berlichingen und die Situation im Reich

Seit der Bischof von Bamberg einen seiner Knappen gefangen hält, hat ihm Götz von Berlichingen die Fehde erklärt: Der Reichsritter lässt eine Kränkung seiner Ehre und Integrität nicht lange auf sich sitzen. Gleich seinen Freunden Franz von Sickingen und Hans von Selbitz ist er ein Reichsritter vom alten Schlag – auf seine Freiheit bedacht und nur dem Kaiser Gehorsam schuldig.
Doch die Machtverhältnisse im Reich sind in Bewegung. Während Götz beim Volk beliebt ist – er gilt als tapfer, rechtschaffen und steht so manchem Hilfesuchenden bei – gerät er in Konflikt mit den aufstrebenden Fürsten und Städten. Für jene sind Götz und seinesgleichen Raubritter, die sich fürstlicher Macht verweigern und durch Überfälle auf Kaufleute dem Geschäft schaden.

Die Figuren Weislingen, Maria und Adelheid

Berlichingens einstiger Freund Weislingen hat die Zeichen der Zeit erkannt und sich dem Fürstenhof angeschlossen. Als Gefangener auf Burg Jagsthausen – dem Sitz derer von Berlichingen – verliebt er sich in dessen Schwester Maria. Er verspricht sie zu heiraten und will sich aus der Abhängigkeit der Fürsten lösen. Doch: An den Hof des Bischofs gelockt, gerät der wankelmütige Ritter in den Bann der verführerischen Adelheid, die ihn zurück auf die Seite des Hochadels zieht. Weislingen bringt den Kaiser gegen Selbitz und Berlichingen auf, indem er ihren aufrührerischen Geist für Unruhen im Volk verantwortlich macht.

Der Kaiser und die Reichsritter – das Versprechen von Götz

Schweren Herzens befiehlt der Kaiser die Gefangennahme der Ritter. Götz entscheidet eine Feldschlacht für sich, danach wird Jagsthausen belagert. Dem Reichsritter wird freier Abzug garantiert, das Versprechen jedoch schmählich gebrochen. Vor dem Rat von Heilbronn wird er beschuldigt, ein Rebell und Räuber zu sein. Gerade noch rechtzeitig rückt Franz von Sickingen mit einem Aufgebot an und presst ihn frei. Götz muss allerdings sein ritterliches Wort geben, auf seiner Burg zu bleiben und sich ruhig zu verhalten.

Der Bauernaufstand und das Ende des Götz von Berlichingen

Bald darauf bricht in Schwaben ein Bauernaufstand aus. Die Bauern wollen Götz als Hauptmann – sich dem kaiserlichen Arrest widersetzend sagt er zu, um weitere Gräueltaten zu verhindern. Der hehre Plan schlägt jedoch fehl: Einige rachedurstige Bauern wollen das Morden und Brennen nicht beenden und zünden die Stadt Miltenberg an. Weislingen besiegt die Aufständischen. Der verwundete Götz findet kurzzeitig Unterschlupf bei Zigeunern, wird schließlich aber gefangengenommen. Verzweifelt bittet Maria Weislingen um das Leben ihres Bruders. Dieser zerreißt das Todesurteil, sein eigenes ist derweil gefällt: Adelheid ließ ihn vergiften, um ungestört mit dem kaiserlichen Erben Karl anbandeln zu können.

Doch auch sie ereilt ihre gerechte Strafe durch das Urteil eines geheimen Gerichts. Von seinen Wunden, der Schuld des eigenen Wortbruchs und Enttäuschung über die verdorbene Welt geplagt, liegt Götz im Turm zu Heilbronn. Kommende Zeiten des Betrugs prophezeiend und den Ruf nach Freiheit auf den Lippen verscheidet der Ritter.

Der Dichter in Pose: Johann Wolfgang von Goethe

Interpretation: Götz als Rebell für die Freiheit

Historisch fällt der Stoff in die Zeit der Bildung von Territorialherrschaften und des Übergangs vom Mittelalter zur Neuzeit – große Fürsten gewannen auf Kosten kleinerer an Macht. Dabei kam es häufig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen (-> Raubritter). Im Drama verläuft die Konfliktlinie dementsprechend zwischen dem rechtschaffenen Kaiser/Reichsrittern und den machtgierigen Fürsten. Letztere werden als egoistisch, intrigant und dekadent dargestellt. Götz verweigert sich folglich nicht der Ordnung selbst, sondern ihren unwürdigen Repräsentanten, der von allgemeinem Niedergang geprägten neuen Zeit und den mit ihr einhergehenden Beschränkungen seiner Freiheit.

Sturm und Drang – Kritik am Absolutismus, Selbstbestimmung, Genie und Freiheit

Hier ist ein deutlicher Bezug zum Sturm und Drang erkennbar: Dessen Vertreter wandten sich gegen den Absolutismus und forderten eine Emanzipation des Bürgertums. Gemäß der Idee vom Genie soll der nach Freiheit strebende Götz – von Goethe selbst als nicht rechtlich, aber gerecht handelnder "Selbsthelfer in anarchischer Zeit" betitelt – in seiner kompromisslosen Selbstbestimmung eine Vorbildfunktion für seine Zeitgenossen erfüllen. Der Ausspruch "Die Welt ist ein Gefängnis" von Berlichingens Frau Elisabeth drückt im Gegenzug (ebenso wie das Ringen des Ritters selbst) das von den Stürmern und Drängern beklagte Gefühl der Enge und Beschränktheit aus.
Dem provokanten Charakter sowie dem Freiheitsgedanken des Stücks entspricht die Form des Schauspiels, die nach dem Vorbild Shakespeares mit der klassischen Einheit von Zeit, Raum und Handlung bricht.

Götz von Berlichingen – das Allgemeine im Speziellen

Goethe gestaltete die Geschichte des Götz von Berlichingen – in bewusster Abwandlung der Vorlage – als steten Niedergang: Ein negatives Ereignis jagt das andere. Das Schicksal des Reichsritters ist dabei mit der positiv dargestellten Epoche des Mittelalters gleichgesetzt. Berlichingen und seine Tugenden gehen mit der alten Zeit und diese mit ihm unter. Sein Ende ist mit dem Beginn der neuen, negativ charakterisierten Gesellschaftsordnung der Neuzeit verbunden und wird so zum Exempel für die allgemeine Entwicklung der Geschichte.

Bezüge zu Herder und Rousseau bei Goethe

Diese stellt sich nicht zuletzt in Berlichingens Prophezeiungen einer neuen Zeit – hier finden sich Bezüge zu Herders frühem pessimistischen Geschichtsbild und zur Zivilisationskritik von Rousseau – als Degeneration dar. Typischer Vertreter dieser neuen Zeit ist der schwache Weislingen, aber auch Götz allzu gesitteter Sohn Carl. Götz selbst stemmt sich gegen die negative Entwicklung, wird jedoch von den unaufhaltbaren Veränderungen überrollt – seine Tugend, Stärke und sein Freiheitsbedürfnis sind nicht mehr zeitgemäß: Der anarchische Selbsthelfer wird zum Anachronismus. Zum Scheitern verurteilt scheitert er durch den Wortbruch gegenüber dem Kaiser letztlich auch an seinen eigenen Idealen. Sein Tod stellt den einzigen Ausweg aus der drohenden Fremdbestimmung und Entfremdung dar.

Nicht die feine Redensart: "Du kannst mich mal Götz von Berlichingen"

Übrigens: Die vom Volksmund verwendete Redensart "Du kannst mich mal Götz von Berlichingen" bezieht sich auf einen Ausspruch des Reichsritters während der Belagerung seiner Burg im dritten Akt. Auf ein Kapitulationsangebot des Hauptmanns entgegnet er wenig schmeichelhaft "Er aber, sag's ihm, er kann mich im Arsch lecken …"

Autor seit 9 Jahren
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