Das Rittertum an der Schwelle zur Frühen Neuzeit

Gegen Ende des Mittelalters saß der alteingesessene Ritteradel in der Klemme: Seine weitgehende politische Unabhängigkeit wurde durch die Bildung von Territorialherrschaften und der damit einhergehenden Machtkonzentration auf die Landesherren bedroht. Gleichzeitig wurden ritterliche Privilegien vom aufstrebenden Bürgertum infrage gestellt. Angesichts dieser Konkurrenzsituation fanden bürgerliche Chronisten selten gute Worte für den Ritterstand. Und es blieb nicht immer bei Worten: Städte und Fürsten erklärten Rittern, Ritter Städten und Fürsten die Fehde.

Was waren die Raubritter?

Da Raub innerhalb der Fehde lediglich ein probates Mittel darstellte, den hinter Mauern sitzenden Gegner zu schwächen, stellt sich die Frage: War die gravierende Zunahme des Raubrittertums an der Schwelle zur Frühen Neuzeit dem Widerstand gegen die doppelte Bedrohung geschuldet und durch das Fehderecht legitimiert, wurden die Ritter Opfer von Rufmord? Oder waren die Raubritter das Resultat des moralischen Verfalls einer verrohenden (und angesichts der militärischen Entwicklung zunehmend an Bedeutung verlierenden) Ritterschaft?

Das Fehderecht als Rechtsmittel

Aufgrund der problematischen Unterscheidung zwischen rechter und unrechter Fehde wurde diese in vielen mittelalterlichen Quellen generell kriminalisiert. Obschon es ohne Zweifel Missbrauch des Fehderechts zur eigenen Bereicherung gab, blieben diese Fälle jedoch höchstwahrscheinlich Ausnahmen. Tatsächlich stellte die Fehde bis zum Ende des 15. Jahrhunderts ein – bei korrekter Anwendung des Fehderechts – legales Instrumentarium dar, angesichts der exekutiv schwachen Gerichtsbarkeit Rechtsansprüche durchzusetzen.

Die Fehde: Berechtigung, Rechtsgrund und Absage

Im Mittelpunkt der Fehde stand ein quasi formales Verfahren mit den Eckpunkten Fehdeberechtigung, Rechtsgrund, Absage und Einhaltung bestimmter Sanktionen. Nur wenn diese Eckpunkte befolgt wurden, besaß die Fehde eine rechtliche Grundlage.

Die Exklusivität der Fehdeberechtigung war im späten Mittelalter nicht mehr gegeben, da oft auch Bürger und selbst Bauern Fehden erklärten. Der Fehdegrund dagegen war ein entscheidendes Kriterium für die Rechtmäßigkeit einer Fehde. Als rechte Gründe konnten erlittener Schaden an Gut oder Untertanen sowie Vertragsverletzungen angeführt werden. Lagen einer Fehde dagegen Gewinnstreben, Rache oder taktische Aspekte zugrunde, sprach man von einer unrechten Fehde. Aber auch Ehrverletzungen spielten eine zentrale Rolle. Da solche leicht vorgeschoben werden konnten, war die Abgrenzung von rechter und unrechter Fehde in solchen Fällen besonders schwierig.

Mit der "Absage", meist in Form eines Briefes, wurde dem Gegner öffentlich die Feindschaft erklärt. Damit war vor Beginn der Feindseligkeiten noch einmal die Möglichkeit für eine gütliche Einigung gegeben. Kam eine solche nicht zustande, setzten die Fehdehandlungen ein.

Fehdehandlungen, Sanktionen und Sühnevertrag

Die Fehdehandlungen sollten dem Gegner einen möglichst großen Schaden an Prestige und Habe zufügen und somit zum Aufgeben bewegen. Das Instrumentarium beinhaltete Überfälle auf Personen, Dörfer und Städte, vor allem jedoch Straßenraub. Ein besonders lohnenswertes Ziel boten hierbei Kaufmannszüge, da bedeutender Schaden angerichtet und der verantwortliche Geleitherr gleichzeitig bloßgestellt werden konnte. Die Beute deckte auch entstandene Kosten ab. Bevorzugte Beute waren Pferde, Kleidung und Geld. Oft wurden aber auch Personen auf die "Raubburgen" verschleppt, um Lösegeld für sie zu erpressen.
Die Einhaltung von Sanktionen schloss im Zuge des sich entwickelnden Fehderechts zunächst bestimmte Tage, Räume und schließlich Personengruppen von der Fehde aus. Eine Fehde endete durch die Unterzeichnung eines Sühnevertrags, der den Frieden wiederherstellte.

Der Ewige Landfrieden: Das Ende von Fehde und Raubrittertum

Im "Ewigen Landfrieden" von 1495 wurde die Fehde zwar verboten, Kaiser Karl V. tolerierte sie allerdings bis Mitte des 16. Jahrhunderts. Nach seiner Abdankung begann das Verbot zu greifen, und allmählich verschwand diese Form der Selbstjustiz – gemeinsam mit dem Raubrittertum – durch die Reformierung der Gerichtsbarkeit und die Monopolisierung der Gewalt im erstarkenden Gemeinwesen. Das Rittertum verlor weitgehend an Bedeutung. Doch zurück zur Anfangsfrage. Wie ist der Raubritter quasi "posthum" zu sehen?

Raubritter: Verfechter der Fehde oder echte Räuber?

Eine Fehde brachte hohe Ausgaben und Risiken mit sich. Gewinnstreben musste somit neben dem Verursachen von Schaden eine Rolle spielen, weshalb die Grenzen zwischen beiden verschwammen – und damit auch die Grenzen zum Räuber. Umgekehrt wurden Räuberbanden seit dem Frühmittelalter mit der Fehde und Fehdeführern in Verbindung gebracht. Als Zwischenglieder fungierten vor allem Landsknechte, welche sich sowohl Räuberbanden als auch Rittern anschlossen. Diese Söldner, die sogenannten "gartenden" oder "reisigen" (umherziehenden, siehe Vaganten) Knechte, stellten neben Verwandten und Freunden die Helfer der Raubritter.

Die Lebensbeschreibungen des Götz von Berlichingen

Einen guten Einblick in die Zeit und die Mentalität eines "Raubritters" bieten die Lebensbeschreibungen des Ritters Gottfried von Berlichingen. Goethes literarische Adaption des Stoffes im Schauspiel "Götz von Berlichingen" wiederum greift nicht nur den Bedeutungsverlust des Rittertums auf, dessen Glanzzeit mit dem Mittelalter zu Ende ging: Sein Protagonist Götz wird von seinen Feinden als Räuber bezeichnet, und wenn diese nicht so niederträchtig und er selbst so treuherzig wäre – man müsste ihnen wohl recht geben. Die Frage, ob der Raubritter eher ein Räuber oder ein fehdeführender Ritter war, ist somit letztlich nicht eindeutig zu klären und bedarf der Untersuchung im Einzelfall. Für die leidtragende Bevölkerung der Zeit wird sie belanglos gewesen sein.

 

Dieser Artikel folgt einem Kapitel in: Thomas Sedlmeyr: Erzmalefikant und edler Räuber. Die Räuberdarstellung in der deutschen Literatur um 1800. VDM Verlag Dr.Müller 2008.

Einen tieferen Einblick in die Thematik gewährt: Kurt Andermann. "Raubritter" oder "Rechtschaffene vom Adel?". Thorbecke 1997.

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