Woher kommt das Sprichwort?

Heimdall gilt als Ahnherr der Menschheit - und als jemand, der das Gras wachsen hören kann.

Er wurde in der jüngeren Lieder-Edda erwähnt, einem altnordischen mythischen Werk aus Skandinavien, welches eine wichtige Quelle für Dichtung und Mythologie werden sollte.

Besagter Heimdall soll demnach einer der zwölf Wächter der Götter gewesen sein. Er bewachte die Brücke Bifröst zwischen dem Weltenreich Midgard und Asgard, dem Sitz der Götter.

Eine solche Aufgabe kann nur jemand mit besonderen Fähigkeiten ausführen und so wurde der zumindest mütterlicherseits aus dem Geschlecht der Riesen stammende Heimdall der Wächter der Regenbogenbrücke, welche die beiden Reiche verbindet.

 

Als Wächter musste er über eine besonders gute Wahrnehmung verfügen. Ihm wurde nachgesagt, dass sein Gesichts- und der Gehörsinn besonders gut entwickelt waren. Der Sage nach konnte er sowohl am Tag als auch in der Nacht soweit sehen, wie man in 100 Tagesmärschen zurücklegt. Weiterhin ist überliefert, dass er das Gras in der Erde und die Wolle auf den Schafen wachsen hört.

 

Das Gras wachsen hören ist seitdem ein geflügeltes Wort, das aber je nach Umfeld und Epoche Variationen erfahren hat. So wurden beispielsweise im 16. Jahrhundert die Redewendungen "die Krebse niesen hören" und "die Spinnen weben hören" geprägt. Heutzutage hört man wieder das Gras wachsen und die Flöhe husten.

Wenn man von jemandem sagt, er höre das Gras wachsen, die Flöhe husten oder die Spinnen weben, so soll damit der generelle Umstand ausgedrückt werden, dass diese Person einen besonders gut ausgeprägtes Gehör hat. Aber nicht nur das: Es soll ebenso zum Ausdruck bringen, dass diese Person etwas hört oder vorausahnt, was man normalerweise mit den Sinnen nicht wahrnehmen kann. 

Wie funktioniert das Gehör?

Ist es für uns überhaupt möglich, die Flöhe husten und das Gras wachsen zu hören?

Nein, ist es nicht!

Die auditive Wahrnehmung durch Schall hat ihre Grenzen.

Schallsignale entstehen durch Bewegung. Diese Schallsignale gelangen vom Ort ihrer Entstehung bis in unser Ohr. Die Schallwellen gelangen durch den Gehörgang bis zum Trommelfell und lassen dieses schwingen. Hammer, Amboss und Steigbügel sorgen dafür, dass die Wellen im Innenohr ankommen. Die dort befindliche Hörschnecke wandelt die Schallwellen in elektrische Nervensignale um, die über den Hörnerv ins Gehirn gelangen und dort interpretiert werden.

 

Schallwellen können vom menschlichen Gehör aber nur verarbeitet werden, wenn sie sich in einem bestimmten Intervall befinden und zwar in Bezug auf Lautstärke und Frequenz.

Zu hohe Töne über 20.000 Hertz können wir ebenso wenig hören wie zu tiefe Töne unter 20 Hertz.

Sind es zu wenige oder zu schwache Schallwellen, die an unser Ohr dringen, kann der Ton so leise sein, dass wir ihn ebenfalls nicht hören können.

 

Das Gras wachsen hören:

Wenn Gras wächst, ist es zweifellos in Bewegung. Allerdings tut es das so langsam, dass dabei kein Geräusch zustande kommt, das wir wahrnehmen könnten. Wer das Gras wachsen hört, tut das also nur im übertragenen Sinne, d.h. er nimmt eigentlich nichts wahr, sondern hat lediglich ein gutes Gespür für etwaige Ereignisse.

Die frühere Bedeutung der Redewendung war negativer konnotiert. Damals war jemand, der das Gras wachsen hörte jemand, der immer den neuesten Klatsch und Tratsch kannte und seine Ohren überall hatte.

Das Sprichwort erfuhr einen Bedeutungswandel und bezeichnet heute jemanden mit einem außergewöhnlichen Gespür. Es kann positiv oder negativ verwendet werden.

 

Die Flöhe husten hören:

Husten ist eine Tätigkeit, die man durchaus hören kann. Wenn jemand aber Flöhe husten hört, sieht die Sache schon anders aus.

Denn Flöhe können überhaupt nicht husten. Husten setzt eine Lungenatmung voraus. Da Flöhe aber nicht über eine Lungenatmung verfügen, sondern über Tracheen-Röhrchen atmen, können sie auch nicht husten.

Wer sprichwörtlich die Flöhe husten hört, hört also Dinge, die gar nicht existieren. Die Wendung wird für Personen verwendet, die nur glauben, etwas wahrgenommen zu haben, sich also etwas eingebildet hatten. Manchmal wird der Begriff auch für übervorsichtige Menschen verwendet, die sich bei Kleinigkeiten schon ein schlimmstmögliches Szenario ausmalen und unken, was sich daraus entwickeln könnte.

 

Die Spinnen weben hören:

Ganz sicher weben Spinnen und ganz sicher sind sie dabei auch in Bewegung. Allerdings produziert die Bewegung keine Schallwellen, die wir hören können.

Diese Schallwellen sind so schwach, dass sie weit unterhalb unserer Wahrnehmungsgrenze liegen.

Das Gras wachsen hören - kann man das lernen?

Man kann alle seine Sinne schärfen, das gilt auch für das Gehör. Mit ein bisschen Übung und bewusster Wahrnehmung werden wir schnell besser und nehmen viel mehr Dinge wahr als vorher.

Dennoch lässt sich das Gehör nicht so weit trainieren, dass man hören kann, wie das Gras wächst oder die Spinnen weben.

Unsere dahingehende Beschränktheit ist ein Schutz für uns selber. Würden wir das Gras tatsächlich wachsen hören, so würden wir auch alle anderen Geräusche hören, die ähnlich wenige Schallwellen und Schwingungen erzeugen. Das würde zu einer Reizüberflutung führen, mit der unser Gehirn nicht mehr zurechtkommt.

Das absolute Gehör trainieren
Gehörbildung im Selbststudium

Mit dem absoluten Gehör das Gras wachsen hören - geht das?

Was man hingegen sehr wohl trainieren kann, ist das absolute Gehör. Dieses ist zwar oft angeboren, aber durch regelmäßiges Üben lassen sich auch hier gute Fortschritte erzielen.

In Europa ist dieses Talent äußerst selten, nur etwa einer von 10.000 Menschen besitzt ein absolutes Gehör, bei den Berufsmusikern sind es mehr, etwa 10 Prozent. In einigen asiatischen Gebieten liegt die Quote bei 40, 50 oder 60 Prozent, das heißt, dort hat die Hälfte der Menschen das absolute Gehör. In Studien wurde herausgefunden, dass das nur Asiaten betrifft, die ihre Muttersprache sehr gut beherrschen. Asiaten, die diese verlernt haben, sie zu Hause nicht sprechen oder im Beruf häufig in einer anderen Sprache reden, ist das nicht so. Man geht davon aus, dass der melodische Singsang der asiatischen Sprachen sowie deren Betonungssystem dafür sorgen, dass im Kleinkindalter bereits das absolute Gehör erlernt wird - oder: wenn es angeboren ist, es eben nicht verlernt wird.

 

Aber das Gras wachsen hören? Das können auch Menschen mit dem absoluten Gehör nicht. Denn das absolute Gehör bezieht sich auf das Erkennen von Tönen und auf das richtige Einordnen von Tonhöhen. Einen größeren Tonumfang bzw. eine größere Menge an Tönen hört man damit aber nicht.

Sonja, am 29.01.2013
8 Kommentare Melde Dich an, um einen Kommentar zu schreiben.


Bildquelle:
Karin Scherbart (Sudoku einfach lösen - Varianten für Anfänger, Fortgeschrittene und...)

Laden ...
Fehler!