Der gute Wille

Gleich im ersten Satz der Einleitung zur GMS führt Kant den ersten wichtigen Grundbegriff, den des "guten Willens" in seine Ausführung ein. Er schreibt:

"Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille." (GMS, BA 1/2)

Der "gute Wille" ist für Kant also die Grundvoraussetzung, dass es dem Menschen überhaupt möglich ist moralisch gut zu sein. Er bezeichnet ihn als "einen Teil vom innern Werte der Person" (GMS, BA 3/4) wobei er scharf von den "Talenten des Geistes" (Mut, Entschlossenheit, Beharrlichkeit,…) abzugrenzen ist, denn letztere können zwar gut und wünschenswert sein, jedoch können sie in böser Absicht auch schädlich und negativ ausarten. Der "gute Wille" hingegen ist nicht zur Erreichung eines bestimmten Zweckes, sondern an sich gut, ja selbst wenn man durch ihn keine Erfüllung einer Absicht erreichen würde, "so würde er wie ein Juwel doch für sich selbst glänzen, als etwas, das seinen vollen Wert in sich selbst hat." (GMS, BA 3/4).

Die Pflicht

Um nun aber diesen "guten Willen" zur Entfaltung zu bringen, benennt Kant den Begriff der "Pflicht" als nächsten Baustein seines ethischen Konstrukts. Er unterscheidet nun zwischen "pflichtmäßigem Handeln" und "Handlungen aus Pflicht". Nur letztere haben für Kant den wahren moralischen Wert, da bei einer "Handlung aus Pflicht" Neigungen und Triebfedern des Individuums keine Beachtung erfahren, sondern allein der "gute Wille" den Menschen dazu bestimmt wahrhaftig Gutes zu tun. Allgemeine Wohltätigkeit hingegen ist für Kant oft "pflichtmäßiges Handeln", denn es kann sich hinter einer guten Tat auch eine unmoralische Neigung verbergen, etwa die Aussicht auf Bewunderung oder Ehrwürdigung, die jemand erfährt, wenn er oder sie wohltätig handelt. In diesem Fall wäre dann die allgemeine Meinung, dass Wohltätigkeit gut ist, zwar richtig, aber im menschlichen Subjekt selbst könnte dennoch Eigennutz am Werke sein und dann wäre dies eben nur eine "pflichtmäßige Handlung", welche nicht den an sich guten Willen zur Maxime hätte, sondern die Verfolgung und Absicht eines bestimmten Zweckes, den der Hochschätzung der eigenen Person.

Maxime, moralisches Gesetz und kategorischer Imperativ

Die Maxime ist also nun das eigentliche Kriterium, ob eine Handlung wahrhaft moralisch oder nur "pflichtgemäß" ist. Was ist nun eine Maxime? Kant bezeichnet es als "Prinzip des Wollens", also eine Regel, nach der wir zu handeln gedenken. Beinhaltet die Maxime nun "Achtung für das (moralische) Gesetz" so geschieht die Tat "aus Pflicht". Das "moralische Gesetz" steht bei Kant für das vollkommene ethisch gute Prinzip und er ist überzeugt, dass jedes vernünftige Wesen sich dieser wichtigsten moralischen Wesenheit zumindest bewusst ist, auch wenn die Menschen sehr oft wider dieser Gewissheit denken und handeln.

Der "kategorische Imperativ" ist nun die konkrete Formulierung dessen, was der "gute Wille" denken muss, damit er eine Maxime aus "Pflicht und Achtung für das moralische Gesetz" bestimmen kann. Eine Maxime aus Pflicht und Achtung für das moralische (praktische) Gesetz wäre nach Kant ein Handlungsprinzip, von dem man wollen kann, dass es neben dem eigenen Bestreben auch zu einem allgemeinen Gesetz werde kann, nachdem jedes andere vernünftige Wesen handeln könnte. Es handelt sich hierbei um das Richtmaß einer Beurteilung von Maximen, das Kant nun in Form eines Imperativs folgendermaßen formuliert:

"Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde." (GMS, BA 52)

Autonomie des Willens

Die Fähigkeit vernünftiger Wesen, ihre Maxime mittels des kategorischen Imperativs zu reflektieren, ist nach Kant nur durch die Autonomie des Willens möglich, das heißt, dass der vernünftige Mensch sich seine Handlungsprinzipien in Form von Maximen selbst setzen kann.

"Autonomie des Willen ist die Beschaffenheit des Willens, dadurch derselbe ihm selbst (unabhängig von aller Beschaffenheit der Gegenstände des Wollens) ein Gesetz ist." (GMS, BA 87)

Das Gegenteil, also ein heteronomer Wille, wäre der Fall, wenn sich letzterer von äußeren Objekten (empirischen Prinzipien) leiten ließe, wie etwa von der Meinung anderer Personen oder von durch äußere Einflüsse entstandenen Empfindungen.

"Wenn der Wille irgend worin anders, als in der Tauglichkeit seiner Maximen zu seiner eigenen allgemeinen Gesetzgebung, mithin, wenn er, indem er über sich selbst hinausgeht, in der Beschaffenheit irgend eines seiner Objekte das Gesetz sucht, das ihn bestimmen soll, so kommt jederzeit Heteronomie heraus." (GMS, BA 88/89)

Freiheit

Was ist aber nun die Bedingung für die Autonomie des Willens? Zur Klärung dieser Frage führt Kant nun eine Unterscheidung zwischen einer Sinnen- und einer Verstandeswelt ein, die beide das Dasein des Menschen ausmachen.

Die Sinnenwelt folgt dabei der Naturnotwendigkeit des Gesetzes der Kausalität, als dem Prinzip von Ursache und Wirkung. Nach Kant findet sich der Mensch in dieser determinierten Umgebung nicht frei, sondern als ein von den Gesetzen der Natur beherrschtes Wesen vor. Die Verstandeswelt hingegen unterscheidet sich von der sinnlichen Determination durch die Intelligenz der Vernunft, was Kant mit dem Begriff der "intelligiblen Welt" ausdrückt. Hier nun führt die Argumentation Kants zur Klärung des Begriffs des autonomen Willens:

"Als ein vernünftiges, mithin zur intelligibelen Welt gehöriges Wesen kann der Mensch die Kausalität seines eigenen Willens niemals anders als unter der Idee der Freiheit denken." (GMS, BA 108/109)

Die Idee der Freiheit ist also die Bedingung für die Möglichkeit eines autonomen Willens und liegt in der Vernunft des Menschen begründet. Freiheit ist dabei die "Unabhängigkeit von den bestimmten Ursachen der Sinnenwelt" (GMS, BA 108/109), das heißt, Freiheit ist das Gegenteil der in der Natur vorherrschenden Determination durch das Naturgesetz der Kausalität. Aufgrund dieser Unabhängigkeit ist es der Vernunft nun möglich den Willen von den empirischen Prinzipien der Außenwelt zu abstrahieren und ihm somit die Gelegenheit zur autonomen Gesetzgebung in Fragen der ethischen Handlungsprinzipien zu geben:

"Mit der Idee der Freiheit ist nun der Begriff der Autonomie unzertrennlich verbunden, mit diesem aber das allgemeine Prinzip der Sittlichkeit." (GMS, BA 110)

Dem vernünftigen, und dadurch freien Wesen ist es nun also möglich seinen autonomen Willen durch Achtsamkeit vor dem allgemeinen Sittengesetz (in Form des kategorischen Imperativs) zu bestimmen. Geschieht dies, so handelt der Mensch nach Kantischer Auffassung wahrhaftig moralisch und gut.

 

 

Literatur:

  • Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Kritik der praktischen Vernunft. Suhrkamp, Frankfurt am Main (1974), Hrsg.: Wilhelm Weischedel

Zitierweise:

GMS = "Grundlegung zur Metaphysik der Sitten" (B = 2.Auflage / A = 1. Auflage)

KpV = "Kritik der praktischen Vernunft"

Laden ...
Fehler!