Ob Ehe, Fußball, Politik...

Die meisten haben so eine Geschichte schon einmal gehört, sei es aus dem Bekanntenkreis oder aus dem Fernsehen, niemandem ist zu wünschen, sie selbst zu erleben:

Ein Mensch verliert seine Arbeit, ist deprimiert, am Ende, und weil das noch nicht reicht, verlässt ihn kurz darauf seine Frau oder sein Partner. Da liegt jemand am Boden und es wird nachgetreten. Wie kommt es, dass dies so häufig geschieht? Sind wir nicht mehr bereit, Menschen, die wir - solange alles einfach ist - glauben lassen, sie seien uns wichtig, auch in schwierigen Zeiten zu begleiten?

Es ist dies durchaus kein Phänomen, dass nur im privaten Bereich zu beobachten ist. Nehmen wir das prominenteste Beispiel: Fußball. Drei Spiele verloren - der Trainer wird gefeuert, - um einen einzustellen, den man vor 3 Jahren auch schon mal gefeuert hatte. Der soll‘s jetzt richten. Wenn nicht? Egal, dann kommt in 2 Monaten wieder ein neuer. Oder ein alter. Hauptsache, nicht durchhalten, Hauptsache sich nicht zu einem gemeinsamen Weg bekennen müssen. Denn das hieße, auch gemeinsam über die Steine klettern, die auf diesem Wege gelegentlich liegen. Gestern hieß es "Mit diesem Trainer gehen wir durch dick und dünn" - aber wen kümmert das Gerede von neulich?

Oder: Politik. Eine Wahlschlappe reicht, und schon sind nicht nur die eben noch so wichtig verkündeten Prinzipien plötzlich nicht mehr wahr, sondern auch die bisher als Heilsbringer hochgelobten Führungskräfte werden ganz schnell, ja aber ganz schnell ausgetauscht. 

Es gibt etliche weitere Bereiche...

Gaku Zan - Blog eines Zen-Schülers

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Es herrscht Unverbindlichkeit - Woran liegt es?

Es herrscht Unverbindlichkeit. Ja, es herrscht Unverbindlichkeit in unserer Gesellschaft.

Sie bestimmt längst einen großen Teil des modernen Lebens. Woran liegt das?

Ist es die Tatsache, dass es uns zu gut geht? Wissen wir das, was wir haben, nicht mehr zu schätzen? Es ist kaum vorstellbar, dass in früheren Zeiten, als das Leben noch deutlich beschwerlicher war, die meisten Menschen sich tatsächlich ihr Überleben erarbeiten, manchmal erkämpfen mussten, jemand seinen Mann oder seine Frau verlässt, weil es diesem/r gerade nicht gut geht. Im Gegenteil. Es gab Zeiten, da hielt man in solchen Situationen erst recht zusammen. Ein Feldherr (heute wäre dies der Fußballtrainer) wurde nicht nach einer verlorenen Schlacht gleich gefeuert, man war loyal und ging für ihn in den Tod (was hiermit ausdrücklich nicht als wünschenswertes Denken verstanden werden soll, es ist nur ein aus rethorischen Gründen angeführtes Extrembeispiel.)

Ist es das Überangebot an Möglichkeiten in der heutigen Zeit? Wenn alles möglich ist, warum soll man sich dann für etwas entscheiden? Man kann ja alles haben, sozusagen, immer wieder was anderes...

Nur, was man damit eben nicht bekommt, ist etwas Wesentliches: das innere Gefühl der Verbindlichkeit, der Loyalität, des "sich zu einer Sache/einem Menschen bekennen". Und genau dies ist ein Punkt, der glücklich macht auf Dauer. Der ständige Wechsel mag reizvoll sein und aufregend, natürlich. Ich kenne das auch. Zufriedenheit, Glück aber, liegt in der Ausgewogenheit von Neuem und Beständigen. Wenn letzteres fehlt, verliert der Mensch seine soziale Kompetenz. 

Alles wird austauschbar, - und wenn alles austauschbar wird, hat nichts mehr einen Wert.

Ein guter Freund bezeichnet gern Berlin als die "Hauptstadt der Unverbindlichkeit" und das ist ziemlich treffend. Ich möchte aber weiter gehen. Ich glaube, es ist nicht nur Berlin. Auch wenn das Großstadtleben diese Tendenz natürlich beschleunigt, so glaube ich doch, es hat grundsätzlich etwas mit den Werten in unserer modernen "Zivilisation" zu tun. Da stehen eben nicht Dinge wie Miteinander, soziale Wärme, Verlässlichkeit im Vordergrund sondern persönlicher Profit, eine falsch verstandene Art von "Selbstverwirklichung" und eine ebenso falsch verstandene Freiheit.

Freiheit zu definieren als die Möglichkeit zu tun und zu lassen, was man halt gerade will, möglichst ohne Rücksicht auf die zu erwartenden Konsequenzen ist ein Grundfehler des westlichen Denkens. Freiheit wäre, eben nicht mehr irgendwelchen Illusionen vom Glück hinterherzurennen. Freiheit vom Zwang des Neuen, Freiheit vom Zwang des Konsums, der immer stärkeren Jagd nach kurzfristiger Befriedigung zum Ausfüllen einer inneren Leere, die letztlich genau aus diesem Verhalten resultiert. Es ist ein Teufelskreis. Der moderne Mensch ist nicht bereit, sich auf etwas einzulassen, was sein Leben wirklich erfüllt, rennt von einem Ersatz zum anderen und wird dadurch letztlich unfähig, sich auf etwas einzulassen, dass sein Leben erfüllt. 

Was können wir tun?

Uns so suchen wir das Glück und fliehen das Glück und suchen und fliehen. Und wir merken nicht, dass es da kein Ende gibt. Wie Meister Tenryu einmal sagte: "Das Suchen und Fliehen nährt das Suchen und Fliehen." 

Was also können wir tun? Schauen wir doch einmal, wie es uns wirklich geht. Überprüfen wir unser Verhalten. Wir können diese neo-kapitalistische Gesellschaft mit ihren verheerenden Auswirkungen auf das Denken, das soziale Verhalten und das Wertempfinden des Einzelnen nicht aufhalten. Aber wir können uns selbst prüfen, zu wie viel Verbindlichkeit, zu wie viel "Menschsein" wir noch in der Lage sind.

Und wir können einen alten Spruch beherzigen: "Will das Leben gewonnen sein, setz dein ganzes Leben ein." Wenn wir möchten, dass eine Tätigkeit, eine Beziehung, etwas uns wirklich ausfüllt, unser Leben bereichert, müssen wir eben auch etwas dafür tun, dafür geben: wir müssen uns, unser Leben, wirklich einbringen. Ohne Hintertür.

Sonst ergeht es uns wie in dem wunderbaren Zitat von Bert Brecht beschrieben: 

"...und alle rennen nach dem Glück. Das Glück rennt hinterher."

 

© C. René Hirschfeld

C. René Hirschfeld - Komponist, Geiger

C. R. Hirschfeld - Website

Autor seit 13 Jahren
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