Zum guten Interview gehört aufmerksames Zuhören - Interviewen Sie den Gast - nicht sich selbst!

Interview vor Ort

Radio-Interview

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Interview vor Ort (links) und Radio-Live-Interview (oben rechts). Letzteres ist die schwierigste Form.

Die allgemeine Meinung herrscht vor, dass ein Interview wohl das leichteste journalistische Genre sein müßte: Man macht einen Termin aus, ob mit einem Politiker, Sportler, Popstar oder Halbseiden-Promi, stellt ein paar Fragen, und reden müsse das Gegenüber. Dann brauche man nur mitzuschreiben oder das Aufnahmegerät einzuschalten - fertig!

So viel zum gängigen, leider weit verbreiteten Vorurteil. Deshalb hört und liest man auch so viele schlechte Interviews, in denen der Fragende

  • entweder schlecht vorbereitet ist,

  • nur auf "Spontaneität" hofft

  • oder sich selbst interviewt.

Besonders letzteres ist weit verbreitet, auch unter sogenannten Profis und Moderatoren von Talkshows. Typisch dafür (ohne jetzt ein berühmt-berüchtigtes Beispiel der ZDF-Talkshow an den Pranger stellen zu wollen): Der schlechte Interviewer hält zu lange Statements, Einleitungen und Überleitungen, statt Fragen zu stellen, will immer seine eigenen Erfahrungen einbauen, unterbricht die Antwortenden. Kein Rezipient will aber die Meinungen und Erfahrungen des Fragenden hören, sondern des Gastes.

immer mitschreiben

 

 

Tipp: Ein mitgeschriebenes Interview läßt sich leichter anschließend bearbeiten und endgültig verfassen als nur mit Tonbandgerät zu arbeiten.

Rechts bei einem Termin mit einem Reiterhof-besitzer bei ihm auf der Anlage - ein weiterer Tipp: raus und vor Ort gehen!

 

 Die Checkliste für gute Interviews

1. So viele Informationen wie möglich vor dem Interview sammeln: Das Internet ist da heute enorm hilfreich, Zeitungsausschnitte sind auch wichtig. Vorbild auf dem Gebiet konnte Alfred Biolek sein, den ich einmal erleben durfte, wie er mit mir eine Podiumsdiskussion vorbereitete, die ich organisierte, er moderierte. Zu jedem der Podiumsteilnehmer wollte er alles, was ich finden konnte - auch wenn man es dann nicht anspricht. Aber Hintergrund-Informationen sich wichtig, um den Gesprächspartner kennen zu lernen, seine Antworten besser einordnen zu können. Seine Talkshows mit nicht mehr als drei Gästen und seinen berühmten Kärtchen waren meiner Meinung nach deshalb so angenehm und professionell.

2. Keine langen Monologe halten, sondern einen lebhaften Schlagabtausch erzeugen, schneller hin und her wechseln zwischen den Gesprächs-Partnern, das gilt besonders im Radio und TV.

3. Nicht alles in e i n e, in die erste Frage legen, also nicht mehrere Fragen gleich zusammen packen. Das gilt für jede Form des Interviews. Sie würde auch nur ellenlange Antworten provozieren, weil auf jede versteckte Frage gleich in einem Rutsch geantwortet wird.

4. Einer der häufigsten Fehler ist eine geschlossene Frage, also solche, die das Gegenüber nur mit "ja" oder "nein" beantworten könnte. Eine weit verbreitete Unsitte. Wäre man boshaft, so beantwortet man die Frage auch nur mit einem kargen "Ja" oder "Nein"- wie es etwa Helmut Schmidt gnadenlos beherrscht. Die meisten dieser unglücklichen Fragesteller haben nur das Glück, dass sich in der Regel Politiker oder eitle Prominente sowieso gerne reden hören und ihre Statements abspulen wollen.

5. Gut zuhören und nachhaken! Das hört sich selbstverständlich an, aber in der Praxis beobachtet man auch bei Profi-Journalisten, dass sie nur auf ein bestimmtes Ergebnis hinaus wollen und überhören, welche Brisanz in einer Antwort gelegen haben kann, die man weiter verfolgen müsste. Ich habe mir daher angewöhnt, in ein Interview nur mit drei Fragen zu gehen: der ersten, der Einstiegsfrage, einer weiteren, falls das Gespräch stockt und einer dritten, die ich unbedingt noch stellen will. Dazwischen aber höre ich gut zu und entwickele den Rest des Interviews aus den Anworten des Gegenübers. So ist es nämlich möglich, dass sich aus einem Frage-Antwort-Spiel ein echtes, spannendes Gespräch entwickelt.

6. Deshalb auch nicht vom Blatt ablesen. Dem Gegenüber in die Augen sehen. Ruhig Stichworte notieren, aber nicht vorlesen.

7. Nicht den Interviewten vorführen! Er ist kein Gegner, den es zu besiegen gilt. So erhält man keine guten Informationen oder lockt den Interviewten aus der Reserve, im Gegenteil, er wird sich zurückziehen oder im schlimmsten Falle sogar das Gespräch abbrechen. Ein Kommentar darf nicht in das Interview eingebaut werden, da muss man scharf trennen.

 

Nachrichtenübrmittlung

 

 

 

 

 

Links: Auf einem Kongress der Weltnachrichtenagenturen:

Manchmal muss man das Gesagte schnell in die Redaktion übermitteln wie hier in Marbella

 

Wichtige Äußerlichkeiten

 Überschätzt wird ein Tonaufnahmegerät. Im Gegenteil, packt man es aus, legt es vor sich auf den Tisch, schreckt jeder Interviewte erst einmal zurück, versteift sich, weil es jetzt so offiziell, überprüfbar wird und wirkt. Außerdem macht es viel zu viel Arbeit im Anschluss des Niederschreibens. Abhören, zurückspulen und doch Aufschreiben-müssen. Der Tipp aus der Praxis: Immer mitschreiben für sich selbst, auch wenn es, gerade wieder in der Politik, gut sein kann, ein Aufnahmegerät mitlaufen zu lassen: Dann aber unbedingt den Interviewpartner dabei um Erlaubnis fragen, bitte nicht heimlich mitschneiden!

Das Ambiente macht viel aus, ob ein Befragter aus sich heraus geht. Nur in wenigen Fällen wird man in sein Zuhause eingeladen werden, zumindest nicht bei einem ersten Interview. Das wäre allerdings fast ideal, weil die Umgebung auch viel über einen Menschen aussagt. Zu empfehlen ist auch ein Treffen in einem gemütlichen Rahmen wie Café oder Restaurant. In die Redaktion oder ins Studio einzuladen ist nur die drittbeste Lösung, geht aber bei Live-Interviews oft nicht anders, schüchtert allerdings besonders Laien ein. Dann den Interviewten nicht zeitknapp "überfallen", sondern behutsam vorbereiten, ihm das grobe Fragengerüst vielleicht vorstellen, auf die Besonderheiten der Medien etwas vorbereiten wie Endsilben akzentuiert aussprechen, vor allem im Radio. Aber Vorsicht, nicht vor Beginn des Interviews schon das Interview führen, sonst meint der Befragte später, er habe ja schon alles gesagt.

Fazit:

Schaffen Sie ein Ambiente des Vertrauens, ohne zu privat zu werden, Kumpanei ist nicht angesagt! Bleiben Sie immer fair, neugierig und kritisch - essentielle Eigenschaften im Journalismus.

 

Arlequina, am 30.12.2011
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Bildquelle:
W. Zeckai (Wie macht man eine Lesung erfolgreich?)

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