Ist Knigge im Alltag nicht mehr modern?
Haben es die Menschen verlernt, respektvoll miteinander umzugehen? Jeder sollte einmal sein eigenes Verhalten überprüfen.Adolph Freiherr Knigge hatte die Vision, dass Menschen bei Einhaltung bestimmter Verhaltensregeln im Zusammenleben gut miteinander auskommen. In seinem Werk "Über den Umgang mit Menschen" äußert er sich ausführlich über die Art und Weise, in bestimmten Situationen den richtigen Weg der Kommunikation zu finden. Er widmet sich den Menschen aller sozialer Schichten, weist auf die Notwendigkeit hin, auf sich selbst zu achten und lässt auch Problemfälle wie Charakterschwache, Streitsüchtige und Alkoholiker nicht außen vor. Auch wenn heute viele seiner Ansichten aus dem 18. Jahrhundert überholt sind, so wird sein Name doch immer wieder in Zusammenhang mit gutem Benehmen gebracht. Sogar ganze Berufe sind aus seinem Anliegen entstanden.
Verhaltensregeln nach Knigge haben große Bedeutung im Berufsleben
Mittlerweile steht der Name Knigge mit einer großen Vermarktungswelle in Verbindung. Unter seinem Namen erscheinen Bücher und Abhandlungen für alle möglichen Alltagssituationen. Jeder Bereich hat seine eigenen Regeln. So findet man zum Beispiel für
- das Business
- das Internet
- das Studentenleben
- die Partygesellschaft
- das Restaurant
- das Theater
- das Krankenhaus
- das Ausland
- den Umgang mit Haustieren oder
- für öffentliche Verkehrsmittel
eigene zu beachtende Grundsätze. Besonders im Business haben sich die verschiedensten Coachingfirmen gebildet, um Berufseinsteigern oder Firmenpersonal die richtigen Umgangsformen in der Wirtschaftswelt beizubringen. Aber auch für den privaten Sektor gibt es Kurse, in denen zum Beispiel das richtige Benehmen bei Tisch gelehrt wird. Sicher ist es im Berufsleben von Bedeutung, dass man standesgemäße Kleidung trägt, welche Randordnung in der Firmenhierarchie einzuhalten ist oder wie man sich Kunden gegenüber zu verhalten hat. Mag sein, dass es manchen Firmen auch viel Geld wert ist, ihre Mitarbeiter in der Richtung zu schulen. Aber im täglichen Leben fällt auf, dass viele Menschen die einfachsten Umgangsformen einfach verlernt haben.
Wer grüßt wen zuerst oder die Frage, ob überhaupt gegrüßt wird
Tatsächlich gibt es auch hier ein paar einfache Regeln, die einem so manches Fettnäpfchen ersparen. Am einfachsten kann man sich merken:
- Der Rangniedrige grüßt den Ranghöheren.
- Der Jüngere grüßt den Älteren.
- Der Herr grüßt die Dame.
In der Praxis ist es nicht immer leicht, diese Tipps einfach umzusetzen. Was wäre zum Beispiel, wenn der Herr einen höheren Rang als die Dame einnimmt? Auch beim Hand geben sind ein paar Dinge zu beachten. Hier ist es eigentlich genau umgekehrt, so dass der Jüngere also darauf warten sollte, dass der Ältere ihm die Hand reicht. Hinzu kommt hier noch, dass man auch der Stärke des Händedrucks Beachtung schenkt. Zu kräftig, zu lasch, zu weich oder zu flüchtig sind nicht gut angesehen.
Aber ist es nicht tatsächlich völlig unwichtig, seinen Kopf mit derartigen Regeln zu verstopfen? Keiner wird ständig die Straße entlang gehen und darüber nachdenken, dass er ja auch alle Begrüßungsregeln einhält. Warum ist es für manche so schwer, überhaupt einen Gruß über die Lippen zu bringen, wenn man auf der Straße oder einem Flur aneinander vorbei läuft. Es ist eine Frage des gegenseitigen Respekts, dem anderen freundlich gegenüber zu treten, egal welchen Bildungsstand die beiden unterscheidet oder wie adlig einer von beiden sein mag. Die Respektlosigkeit steigert sich aber noch, wenn einer von beiden schon gegrüßt hat und der andere ohne Erwiderung weiterläuft. Und warum passiert es immer wieder, dass Menschen, die auf einsamen Wanderwegen unterwegs sind, sich bei ihrer Begegnung keines Blickes würdigen geschweige denn einen kurzen Gruß über die Lippen bringen?
Eine nette Geste kostet nichts und tut keinem weh
Dabei ist es so einfach, seinem Gegenüber ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Es geht doch nicht darum, dass man in bestimmten Situationen gerade sitzt, das Glas beim Trinken richtig anfasst oder das Besteck aussagekräftig auf dem Teller ablegt. Sicher sind gute Tischsitten auch ein Zeichen von Respekt und es ist gut, wenn man sich beim Essen zu benehmen weiß. Aber es ist doch viel wichtiger, in den vielfältigsten Alltagssituationen gut miteinander umzugehen. Dass man den Frauen kaum noch die Tür aufhält oder in den Mantel hilft, mag auch darin begründet liegen, dass die Frauen immer wieder auf Gleichberechtigung bestehen, aber in diesen Situationen sollte man doch mal sein eigenes Verhalten überprüfen:
- andere ausreden lassen
- Frauen den Kinderwagen anheben helfen oder Türen öffnen
- älteren Menschen Gepäck tragen oder Platz anbieten
- Pünktlichkeit
- gegenseitige Rücksichtnahme auch und vor allem im Straßenverkehr
- Vorbildwirkung der Eltern
- sich selbst vorstellen, wenn man vor Publikum spricht
- andere in Zigarettenrauch hüllen
- Umgang mit den Handys
- Dankbarkeit
Leider fällt es dem Menschen immer schwerer, Dankbarkeit zu zeigen. Dabei geht es nicht nur um Geschenke oder besondere Zuwendungen, sondern auch um Dinge, die selbstverständlich geworden sind. Dabei gibt es nichts offensichtlicheres, einem anderen Menschen seine Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen. Fehlender Dank kann auch weitreichende Folgen haben. So fühlt sich der auf Dank wartende oftmals verletzt, was dann wiederum Auswirkungen auf die künftigen zwischenmenschlichen Beziehungen hat. Außerdem wird seine Bereitschaft, in künftigen Situationen hilfreich zur Seite zu stehen, verständlicherweise sinken. Ein paar Situationen, in denen Dank angebracht wäre, sind zum Beispiel:
- Geschenke und Geldzuwendungen – Hier ist es eigentlich selbstverständlich, sich persönlich zu bedanken. Bei größeren Anlässen reicht auch eine Anzeige in einer örtlichen Tageszeitung. Gern gesehen ist auch die Danksagung mit einem Erinnerungsfoto vom großen Ereignis. Aber sich gar nicht zu melden verärgert nur.
- Übermittlung von guten Wünschen – Auch hier sollte man sich kurz bedanken. Das geht auch per SMS oder Email. Manche benutzten ja solche Anlässe wie Geburtstage oder Feiertage, um sich bei einigen Personen überhaupt 1-2mal im Jahr zu melden. Man teilt dem anderen damit mit, dass man überhaupt noch aneinander denkt.
- kleine Gefälligkeiten – wenn zum Beispiel die Mutter eines Freundes immer mal wieder kleine Fahrdienste für das eigene Kind übernimmt, der Nachbar immer die Pakete entgegen nimmt oder der Kollege mal die Schicht getauscht hat.
- Hilfe in Not – wenn mal der Kaffee ausgegangen ist oder das Auto nicht anspringt
- für gute Ratschläge, die einem weitergeholfen haben
bei Geschenken immer bedanken
Jeder sollte sich selbst beobachten
Was man von anderen verlangt, sollte man auch selbst zu geben bereit sein. Und wer selbst gutes gibt, dem wird auch gutes widerfahren. Manchmal ist es nur eine Kleinigkeit, die Freude bringt. Man sollte auch darauf achten, dass man sich selbst gut leiden kann. Nicht umsonst hat Adolph Freiherr Knigge in seinem Buch ein ganzes Kapitel über den Umgang mit sich selbst gewidmet. Auch wenn man von anderen nicht die erwartete Wertschätzung erfährt, sollte man allen Menschen so gegenüber treten, wie man es eigentlich auch von ihnen erwartet. Das mag manchmal nicht einfach sein, wenn man zum Beispiel vollgepöbelt, gemobbt oder ignoriert wird, aber man hat dann jederzeit sich selbst gegenüber ein ruhiges Gewissen. Schenken Sie ihren Mitmenschen mehr Anerkennung und Sie werden ein Vielfaches davon zurückbekommen.
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