Zeitungsmenschen zieht es auf die Bühne – Kleinkünstler üben sich in journalistischen Disziplinen: Zwischen Journalismus und Kabarett herrscht in Österreich ein reger Austausch. Eine Art Kreislauf, dessen etwas stärkere Strömung von den Redaktionen zu den Bühnen verläuft.

JournalistInnen wie Dieter Chmelar, Angelika Hager, Peter Moizi, Rainer Nikowitz oder Guido Tartarotti schreiben fürs Kabarett; mit Ausnahme Hagers und Nikowitz‘ stellen sie sich auch spielend dem Publikum.

Umgekehrt bekunden einige der namhaftesten Kabarettisten des Landes bemerkenswerte journalistische Talente: Sowohl Florian Scheuba wie auch Alfred Dorfer haben sich – auf individuell sehr unterschiedliche Weise – als Interviewer und Kolumnisten profiliert, während Thomas Maurer einen versierten Medienkritiker und Moderator einer TV-Literatursendung abgab und gegenwärtig kulinarisch in A La Carte brilliert.

„Wir Staatskünstler“

Scheuba und Maurer spielen derzeit gerade zusammen mit Robert Palfrader, dem Star der überaus erfolgreichen ORF-Comedy "Wir sind Kaiser", im Wiener Theater Rabenhof www.rabenhoftheater.com das Programm "Wir Staatskünstler". Der Titel ist eine Paraphrase auf einen Ausspruch des verstorbenen österreichischen Politikers Jörg Haider, der Kritik an seinem populistischen, ausländerfeindlichen Kurs mit der Aussage abkanzelte, solche komme ausschließlich von "Staatskünstlern", sprich: subventionsempfangenden Vasallen der damals unter SPÖ-Vorsitz reagierenden Großen Koalition.

Eng mit investigativen Journalisten zusammengearbeitet

Für "Wir Staatskünstler" haben Scheuba, Maurer und Palfrader übrigens eng mit prominenten investigativen Journalisten zusammengearbeitet: Ashwien Sankolkhar von Format, Michael Nikbakhsh von profil, Kurt Kuch von News und Florian Klenk vom Falter. Ab dem 1. Dezember wird die Satirereihe auch jeden Donnerstag abend im ORF ausgestrahlt.

Nikowitz: Von der Chronik zum Kabarett

Robert Palfraders Co-Autor bei "Wir sind Kaiser", der 2010 den Sendebetrieb quittierte, war profil-Redakteur Rainer Nikowitz. Ursprünglich lagen seine redaktionellen Agenden im profil bei der Chronik. "Einfach so", wie er sagt, kam er dann dazu, im Vorderteil des Magazins eine Kolumne mit fiktiven Dialogen und Diskussionen zu schreiben.

"Die erste dieser Kolumnen war ein erfundener Monolog von Jörg Haider am Telefon. Der Text kam so gut an, dass ich die Stilform beibehalten und ausgebaut habe."

Als 2005 profil-Satiriker Reinhard Tramontana – einer der besten Stilisten, die Österreichs Publizistik je hatte – plötzlich starb, war Nikowitz bereits der logische Nachfolger für dessen legendäre Kolumne. Parallel dazu fasste er in der Kabarettszene Fuß.

Mittlerweile gibt er regelmäßig – häufig zusammen mit Florian Scheuba – inszenierte Lesungen. Mangelndes Zutrauen in seine darstellerischen Fähigkeiten hält ihn allerdings davon ab, Kabarett im klassischen Sinne zu spielen.

Hager: Bei Dingen bleiben, für die man eine Begabung hat 

Das Gleiche gilt für Angelika Hager, Co-Autorin von zwei Kabarett-Programmen für Andrea Händler und Schöpferin der Polly Adler, einer in Kolumnen, Büchern und mittlerweile auch in einem Film verewigten Kunst-Figur, die den Prototyp einer modernen Frau verkörpert. "Man sollte bei den Dingen bleiben, wo man so etwas wie eine überschaubare Begabung hat. Polly Adler-Lesungen mache ich aber gerne", sagt Hager, die wie Nikowitz ihren Lebensunterhalt bei profil (als Leiterin des Ressorts Gesellschafts) verdient.

Chmelar: Humor als Waffe

Ein früherer Kollege Hagers bei Wolfgang Fellners (1992 eingestellten) Magazin Basta, Dieter Chmelar, sucht hingegen in regelmäßigen Abständen die Bühnenbretter heim. Chmelar, der es vorzieht, sich als "Unterhalter" zu bezeichnen. arbeitet seit Jahren als eine Art "Gag-Consultant" mit und für Joesi Prokopetz, Klaus Eberhartinger, Peter Rapp, Alfons Haider, Christoph Fälbl, u.a. Er spielte mit Dolores Schmidinger 2008 im Zweipersonenstück "Heißhunger" (Buch: Angelika Hager & Michael Horowitz) im Rabenhof, mit Alfons Haider 2010 in "Kalt-Warm" im Akzent, mit Felix Dvorak im Sommertheater Berndorf "Scherben bringen Glück".

Humoristen unter sich: Dieter Chmelar (re.) mit Viktor Gernot (Bild: Inge Prader)

Bei rund 30 Auftritten gab der Kolumnist von Kurier, Wien live und Bezirksblatt, der journalistisch vom Sport herkommt, in kleinerem Rahmen sein "persönliches Erlebnis-Programm", das 2012 und dem Titel "Wien zum Wundern" bei Amalthea in Buchform erscheinen wird.

Chmelar sieht Humor als Waffe: "Womit und wohin trifft man am härtesten, wenn man unerträgliche Zu- und Umstände und deren noch viel unerträglichere Verursacher ins Visier nimmt? Indem man auf die Weichteile zielt. Das kann der Kopf sein – weshalb man auch von,weicher Birne‘ spricht –, ist aber in Wahrheit das Zwerchfell des Publikums. Verlacht zu werden, ist die Höchststrafe für Machtmenschen."

Scheuba: Beinharte Interviews mit Politikern

Einer, der die Kunst, Entscheidungs- und Würdenträger – auf intelligente Weise – lächerlich zu machen, mit höchster Fertigkeit betreibt, ist Florian Scheuba. Kein Wunder daher, dass Jörg Haider vor einem Interview-Termin für die Kleine Zeitung noch am Treppenabsatz kehrt machen wollte, als er erfuhr, dass der Interviewer Scheuba sein werde, und nur schwer zu überzeugen war, dass Kneifen kein gutes Bild machen würde.

Scheuba führt solche Interviews unregelmäßig für verschiedene Periodika. Den bekanntermaßen nicht besonders kritikverträglichen ehemaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel interviewte er für das Qualitätsmagazin Datum auf eine Weise, wie es kein hauptberuflicher Journalist in Österreich gewagt hätte. Wiederholt beschwerte sich Schüssel über die Fragestellungen und Themenwahl.

"Ich muss nicht darauf achten, dass mir die entsprechende Person auch in Zukunft Interviews gibt. Ich habe keinen Chef, bei dem man sich über meine Fragen beschweren kann", versetzt der gelernte Schauspieler gelassen.

 Außer in Interviews ist Scheuba, einer der maßgeblichen Proponenten des kontemporären politischen Kabaretts in Österreich, auch in Kolumnen in A La Carte und im Standard journalistisch aktiv.

Dorfer: Wesensverwandtschaft zwischen Journalisten und Kabarettisten

Mit der  gleichen Doppelbegabung kann Alfred Dorfer aufwarten: Ein feinsinniger Kolumnist für die Zeit, wird Dorfer vor allem auch für seine Interviews geschätzt, die er im ORF für die Serie "Artgenossen" mit unterschiedlichen öffentlichkeitsinteressanten Personen wie Raiffeisen-General Christian Konrad oder Nationalbibliotheksdirektorin Johanna Rachinger führt. Dorfer agiert hier nicht unmittelbar herausfordernd wie Florian Scheuba, sondern versucht – oft mit Erfolg – Prominente über Empathie zur Offenbarung ungewöhnlicher Facetten zu motivieren.

Alfred Dorfer, hier in der ORF-Sendung „Donnerstalk“ (Bild: ORF)

Tartarotti: Würde auch als Buchhalter auf die Bühne gehen

Alfred Dorfer sieht zwischen Kabarettisten und Journalisten definitiv Wesensverwandtschaften, "besonders was den kritischen Ansatz und die Recherche der zu behandelnden Themen betrifft.""Bei mir gibt es keinerlei direkten Zusammenhang zwischen meinem Beruf als Journalist und meinem zweiten Beruf als Kabarettist", erklärt dagegen Guido Tartarotti, Kolumnist und Kultur-Redakteur des Kurier, wo er früher das Medien-Ressort geleitet hat. "Ich würde auch auf die Bühne gehen, wäre ich im Erstberuf Buchhalter oder Landschaftsgärtner oder Gehirnchirurg."

Humoristisch sozialisiert wurde Tartarotti durch Otto Waalkes, Loriot und Monty Python. "Bei Erstem bewundere ich die Anarchie, die Musikalität, die Sprachspiele und die Kunst, geistreich blöd zu sein. Bei Zweiterem die Fähigkeit, gnadenlos radikal scharfe Satire so zu tarnen, dass die Dargestellten nicht einmal merken, dass sie Gegenstand von Satire sind. Und die Pythons weisen meisterhaft nach, dass Humor vor allem auf Überraschung und Rhythmus beruht." 

Ab März nächsten Jahres hat Tartarottis drittes Programm "Heini Hemmi" im Wiener Stadttheater Walfischgasse stadttheater.org Premiere. Benannt ist es nach einem vergessenen Schweizer Olympiasieger im Riesenslalom und beschäftigt sich mit Fragen wie:  Was ist Glück?
Wie viel nutzloses Wissen passt in einen Kopf?
Und was hilft uns das, wenn plötzlich das Licht ausgeht und wir nicht mehr wissen, wo oder was wir sind?

Guido Tartarotti: „Kabarettisten wie Journalisten beobachten genau“ (Bild: Ingo Pertramer)

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