Justiz untersagt Bier-Werbung
An vieles haben sich die Konsumenten gewöhnt, auch in der Werbung, die oft genug irreführend ist. Nun hat das Landgericht Berlin Grenzen gezogen - ausgerechnet beim Bier.Der Streitgegenstand: Das gesundheitsförderne Bier
Das Landgericht Berlin hatte über eine Brauer-Bund Klage der Verbraucherzentrale gegen den Deutschen Brauer-Bund zu entscheiden. Dieser hatte intensiv die Werbetrommel für das Bier - was sonst? - gerührt. In Bayern sagt man "Auf d´ Gsundheit! Und auf d` Schönheit!" Die Homepage der Brauer formuliert es akzentfrei-sachlich. Dort findet sich etwa die Feststellung: "Wer moderat Alkohol genießt, ist im Alter weniger gefährdet, an Demenz zu erkranken...Für Schönheit, aber auch für Gesundheit und Wohlbefinden sorgen die im Bier enthaltenen B-Vitamine."
Die positiven Effekte des Bieres erstrecken sich nach Sicht der ZUnft auch auf weitere Körperfunktionen: Neben der reinen Haut und dem vollen Haar werde eigentlich der gesamte Stoffwechsel wohltuend angekurbelt. Biertrinken beuge Herzerkrankungen, Gallen- und Harnsteinen vor und schütze auch vor Osteoporose. Die Verbarucherzentrale sieht diese Aussagen als unvereinbar mit einer europarechtlichen Verornung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben von Lebensmitteln an.
Genießerin im Biergarten (Bild: ostpark fotos)
Überflüssige Werbung
Das Gericht gab den Verbraucherzentralen Recht. Die Geschäftsführung des Bayerischen Brauer-Bundes hat seine Homepage bereits entschlackt und zusammengestrichen. Doch anderenorts regt sich Widerstand: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, der Brauer-Verband beabsichtigt, in Berufung zu gehen.
Das ist Anlass, einmal über die Wirkung von Reklame ganz allgemein einzugehen. Mal ehrlich: Lässt sich der Durst auf Bier von einer sachbezogenen Aussage inspirieren oder ausbremsen? Oder ist das doch ein wenig lebensfremd? Ich erinnere mich noch gut an eine Zeit vor fünfzehn Jahren, als die öffentliche Werbung für Tabakerzeugnisse verboten war. Mit der Intention, dadurch den Zigarettenkonsum zu drosseln. Hat das irgend etwas genützt? Heute finden sich die Reklameplakate wieder überall, an Haltestellen und Litfasssäulen, mit dem Warnzusatz versehen: "Rauchen schadet Ihrer Gesundheit. Rauchen kann zu einem langsamen und schmerzhaften Tod führen. Rauchen in der Schwangerschaft schädigt Ihr Kind. Rauchen beeinträchtigt Ihre Potenz."
Ich befürchte, all das hat kaum Auswirkungen auf das Konsumverhalten. Die Werbeausgaben für Massenartikel könnte man sich eigentlich komplett sparen, letztlich verteuern sie nur die Preise.
Zigarettenwerbung
Überflüssige Prozesse
Nicht nur die Werbung ist überflüssig, auch die Gerichtsverfahren um Werbeaussagen wie diese sind im Grunde nicht notwendig. Was wäre eigentlich, wenn das Bierwerbe-Verfahren Schule macht? Fast jede Reklame-Botschaft ist doch irgendwie angreifbar, oft werden Dinge versprochen, die beim besten Willen nicht einzuhalten sind. Was mir hier aufstößt, ist das Übermaß von "political correctness", mit dem Interessenverbände versuchen, die Lebenswirklichkeit nach ihren Vorstellungen einzuebnen. Wäre es nicht angebracht, die alltäglichen Dinge mit etwas mehr Toleranz und vielleicht auch etwas Humor zu betrachten?
Erinnern Sie sich noch an die "Geiz-ist-geil"-Werbung? Man konnte ihr kaum entgehen, und ein Gerichtsverfahren gab es nach meiner Kenntnis nicht. Aber ist der Geiz wirklich gesund, kann er geil sein? Nach meinem Verständnis jedenfalls definiert sich Geilheit anders. Oder denken Sie an die bunte Welt der Süßigkeiten. In Werbespots werden durchweg fröhliche und sportlich aussehende Kinder (oder Jugendliche) gezeigt. Dabei ist der Kaloriengehalt in Bonbons und Schokolade der Verfettungsfaktor Nummer Eins.
Die rechtliche Seite
Zurück zum Ernst, es geht ja ums Recht. Streitfälle wie der oben genannte unterfallen dem Wettbewerbsrecht, dessen maßgebliche Vorschrift das UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) ist. Unlauterer Wettbewerb liegt dann vor, wenn das Verhalten von Unternehmen im wirtschaftlichen Wettbewerb gegen die guten Sitten verstößt. Die möglichen Rechtsfolgen sind in der Hauptsache ein Schadensersatzanspruch und ein Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch (auf Fortsetzung des rechtswidrigen Verhaltens). Sattsam bekannt sind die "Abmahnung, verbunden mit einer strafbewehrten Unterlassungsanordnung".
Es gibt Anwaltskanzleien, die sich ausschließlich darauf spezialisiert haben, die nur von Wettbewerbverstößen leben. Es gibt tatsächliche, aber auch vermeintliche Rechtsverstöße. Die Begriffsauslegung "unlauter" ist der Kunst der Interpretation zugänglich wie auch der Begriff der guten Sitten. Egal, es bringt viel Geld ein, und wer wirbt, verfügt mutmaßlich über Reserven, die man anzapfen kann. Doch nicht jeder kann klagen. Der Begriff der Aktivlegitimation schränkt den Kreis der Klageberechtigten ein. In erster Linie sind die Mitbewerber (Konkurrenten) klageberechtigt, daneben aber auch Dritte - Branchen- und Verbraucherverbände.
Bildquelle:
Kerstin Schuster
(Warum es in literarischen Werken keine "Neger" mehr geben darf)