Es war Sommer.

Hochsommer.

Mein Sohn Lukas war das Wochenende über bei mir. Zusammen mit Ben, seinem besten Kumpel. Lukas isst gern Kekse. Ben auch. Ich nicht.Kekse!

Auch an diesem heißen Wochenende (es war wirklich verdammt heiß, so was von heiß, heiliger Strohsack!) bestand die Nahrungsaufnahme der beiden im wesentlichen aus dem Verzehr von eisgekühlter Cola und Chips, Eis und Keksen. Das ist hinsichtlich ernährungsrelevanter Faktoren natürlich nicht zu begrüßen, es ist pädagogisch nicht wertvoll und führt zu einer Verrohung der Jugend. Ich weiß das, und ich entschuldige mich dafür. Aber gesund essen kann der kleine Mann bei seiner Mutter. Zu irgendwas muss ja schließlich auch ich gut sein. Und wenn es "geiles Futter" ist, dann kann ich damit leben. Lukas auch. Ben auch.

 

Es war also Sommer.

Hochsommer, ich erwähnte das.

Eine volle Packung Kekse wechselte gerade den Besitzer, ich überreichte sie feierlich Lukas mit dem Hinweis, dass sie langsam essen sollten, er und Ben (was ja durchaus als pädagogisch wertvoll bezeichnet werden kann).

Ein kurzes Nicken und der Austausch zweier Blicke zwischen Ben und Lukas ließen mich an der Wirkung meiner Worte zweifeln. Es war kein starker Zweifel, nur eine Nuance. Aber er war da, ich kann es nicht leugnen.

 

Ich ging in die Küche, um etwas zu kochen. Nichts Großartiges. Straußensteaks mit Bohnen im Schinkenmantel. Dazu Salat und einen Rotwein aus dem Jahr 1959, der mir empfohlen worden war. Ich wollte gerade anfangen, als mir einfiel, dass ich im Wohnzimmer meinen Kaffee hatte stehen lassen. Als ich zu den Jungs kam, war die Kekspackung leer. Es war kein einziger Keks mehr übrig geblieben. Ich hätte dieses Tempo als Rekord feiern können, fühlte mich aber statt dessen nicht in ausreichendem Maße ernst genommen. Von Feierstimmung konnte daher keine Rede sein.

"Ich glaub' es ja nicht!", rief ich. "Ihr habt die ganze Packung Kekse geschafft! In fünf Minuten, herrjeeh, das gibt es doch gar nicht! Alle aufgegessen, das kann doch wohl nicht wahr sein!"

Ben äußerte sich nicht, vermutlich wegen seiner guten Erziehung, denn er hatte den Mund noch voll. Ich schätze Ben wegen seiner guten Erziehung.

Lukas aber wollte die Sache offenbar kommentieren und zur Aufklärung beitragen.

"Das waren höchstens zwei oder drei", merkte er nüchtern an.

Was für ein Problem hat dieser Junge? dachte ich. Schließlich hatte ich die ganze volle Kekspackung noch vor wenigen Momenten selbst in der Hand gehalten.

"Ach was!", sagte ich dynamisch. "Zwei oder drei? Mein geliebter Sohn, vielleicht ist Dir entgangen, dass ich Euch die Packung gerade eben gegeben habe. Also erzähl mir nicht, Ihr hättet nur zwei oder drei davon gegessen! Ich bin doch nicht wahrnehmungsgestört!"

Lukas' nun folgende Antwort ließ mich nur stumm meinen Kaffee in die Hand nehmen und wortlos in die Küche gehen, denn manchmal ist es vernünftig, sich nicht weiter zu äußern. Weil man nicht richtig zugehört hat. Oder in die falsche Richtung dachte.

Er sagte: "Minuten, Papa. Minuten."

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