Kirche und Homosexuelle
Viele Homosexuelle fühlen sich von der katholischen Kirche ausgegrenzt und diskriminiert und kehren ihr deshalb enttäuscht den Rücken. Mögliche Ursachen.Die römisch-katholische Kirche und ihr Problem mit Homosexuellen - Wenn das Gesetz mehr zählt, als der konkrete Mensch
Obwohl wir in einer aufgeklärten und liberal orientierten Welt leben, in der die Rechte jedes einzelnen Bürgers geschützt werden, gibt es doch eine Institution, die sich immer noch mit Händen und Füßen dagegen wehrt, homosexuelle Menschen mit all ihren Bedürfnissen und Ansprüchen in vollem Umfang zu akzeptieren: Die katholische Kirche.
Auf die Bibel gestützte Ausgrenzung
Sicher, die Heilige Schrift, die vor mehr als zweitausend Jahren über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten entstand und geprägt war vom jeweils gültigen Menschenbild und zeitbedingten Moralvorstellungen, sah die Liebe zwischen zwei Menschen gleichen Geschlechts als problematisch an. Allerdings waren die damals getätigten Aussagen abhängig von den zeitlichen, geographischen und gesellschaftlichen Umständen und dürfen nicht einfach in die heutige Zeit übertragen werden. Zieht man aber Äußerungen der Kirche heran, wie beispielsweise die Vorschriften für die Zulassung homosexueller Männer zu den Weihesakramenten, so darf die Feststellung getroffen werden, dass die Kirche Menschen auf der Basis eines überholten und längst weiterentwickelten Menschenbildes sowie aufgrund hoffnungslos veralteter Moralvorstellungen ausgrenzt und sogar diskriminiert.
Solange die Kirche einer hausgemachten Diskriminierung nicht entschlossen entgegentritt, wird sich die Situation homosexuell veranlagter Menschen in den Gemeinden nicht verbessern und sie wird hinter ihrem Anspruch, die Nächstenliebe gegenüber allen Menschen zu leben, zurückbleiben. Selbst der immer wiederkehrende Hinweis, dass auch homosexuell veranlagten Menschen mit Respekt und christlicher Liebe begegnet werden müsse, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kirche Homosexuelle als sündige, fehlgeleitete Menschen darstellt, die eigentlich ärztlicher beziehungsweise psychologischer Behandlung bedürfen und geheilt werden müssen. Eine solch geartete Darstellung diskreditiert weniger homosexuelle Menschen als vielmehr die Kirche selbst.
Kein Segen für homosexuelle Paare
Seit längerer Zeit schon dürfen gleichgeschlechtliche Paare ihre Partnerschaft auf den Standesämtern eintragen lassen. Viele dieser Paare würden sich aufgrund ihrer religiösen Wurzeln wünschen, auch den Segen Gottes für ihre Partnerschaft zu empfangen, weil er ihnen für ihre Partnerschaft wichtig ist. Allerdings konnte sich die katholische Kirche bisher nicht dazu durchringen, einer kirchlichen Segensfeier den Weg zu ebnen, geschweige denn eine Art Trauritus anzubieten, der deutlich machen würde, dass auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften unter dem Segen Gottes stehen können und sollten. Immerhin finden sich vereinzelt katholische Geistliche, die den Mut haben, zumindest eine Segensfeier durchzuführen und damit die rigorosen Regeln der Kirche zu durchbrechen.
Kirchlicher Protest gegen Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare
Obwohl neuere Studien angesehener Institutionen aufzeigen, dass Kinder in so genannten Regenbogenfamilien sich nicht anders entwickeln als Kinder in heterosexuellen Familien, wird die Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Partner von der katholischen Kirche, mit dem Hinweis auf eine eventuelle Gefährdung des Kindeswohles, weiterhin vehement abgelehnt. Im gleichen Atemzug allerdings werden Kinder aus Beziehungen zwischen Priestern und Frauen verschwiegen, eher heimlich als offiziell Unterhalt gezahlt und ansonsten keinerlei Konsequenzen gezogen. Da darf die Frage erlaubt sein, wo in solchen Fällen von kirchlicher Seite auf das Kindeswohl gepocht wird. Es muss vermutet werden, dass es der Kirche nicht in erster Linie um das Wohl der Kinder geht, sondern vor allem darum, Homosexuelle als Eltern zu diskreditieren. Diese Haltung erwächst wohl leider aus der auch in kirchlichen Kreisen immer noch vertretenen Auffassung, Homosexualität und Phädophilie seien ein und dasselbe.
Homosexualität ist weder Sünde noch Krankheit
In der am 31. August 2005 erschienen "Instruktion über Kriterien zur Berufungsklärung von Personen mit homosexuellen Tendenzen im Hinblick auf ihre Zulassung für das Priesterseminar und zu den Heiligen Weihen" legt die Kirche fest, dass homosexuell veranlagte Männer vor der Zulassung zur Priesterweihe nachweisen müssen, dass sie ihre sexuellen Neigungen nicht leben, was dann als affektive Reife bezeichnet wird. Für jeden aber, der seine homosexuellen Neigungen praktiziert, tiefgreifende homosexuelle Tendenzen hat oder auch nur die homosexuelle Kultur unterstützt, soll nach dem Willen der Kirche die Priesterweihe unmöglich werden. Hier wird nicht nur Unmögliches verlangt – denn wie soll man einen solchen Nachweis des Verzichts auf sexuelle Betätigung führen – sondern es wird mit dem Verbot, die homosexuelle Kultur zu unterstützen, auch in den freien Willen des Menschen eingegriffen. Da darf und muss die Frage gestellt werden, was die sexuelle Orientierung eines Menschen mit seiner beruflichen Qualifikation zu tun hat, denn es drängt sich der Verdacht auf, dass Homosexuelle nur aufgrund ihrer sexuellen Neigungen und dem damit verbundenen Generalverdacht menschlicher Unreife und einer Beziehungsunfähigkeit gegenüber beiden Geschlechtern von der Priesterweihe ausgeschlossen werden sollen.
Die Anerkennung wissenschaftlicher Erkenntnisse ist bisher ausgeblieben
Der kirchliche Alltag und der Umgang mit Homosexuellen zeigt sehr deutlich, dass sich die katholische Kirche nach wie vor den wissenschaftlichen Erkenntnissen im Bereich der Psychologie verschließt, die ja längst nachgewiesen hat, dass Homosexualität nicht durch irgendwie geartete Umstände geschaffen ist, sondern in der Natur des Menschen liegt. Zudem bleibt zu hoffen, dass die Kirche bald in der Lage ist, ihre Interpretation der Heiligen Schrift für diese Erkenntnisse zu öffnen. Denn ein fast dreitausend Jahre altes Menschenbild und eine ebenso alte Morallehre sind nicht dazu geeignet, dem heutigen Menschen gerecht zu werden und in eine Zukunft zu gehen, in der die Menschen die Kirche als wahrhaftig erleben und gerne zu ihr gehören. Nur, wenn es gelingt, das Menschsein mit all seinen Facetten positiv zu interpretieren und zu akzeptieren, wird die Kirche Bestand haben und zum Wohl aller Menschen wirken, auch zum Wohle der Homosexuellen.
Studienarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Soziologie - Recht, Kriminalität abw. Verhalten, Note: 2,0, Universität Leipzig, 26 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deut...
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(Rezension: Walter Fürst/Jürgen Werbick (Hg.), Katholische Glaubensf...)