Kurbeln Kriege die Wirtschaft an?
Kriege sind zwar schrecklich, aber sie kurbeln die Wirtschaft an. Ist dem wirklich so? Eine Entgegnung auf den Mythos des wirtschaftsfördernden Krieges.Märchenstunde mit Paul Krugman
Mit Sicherheit ist Ihnen einer der hartnäckigsten wirtschaftlichen Mythen bestens vertraut: Krieg sei zwar schrecklich und zerstörerisch, kurble aber zumindest die Wirtschaft der kriegsführenden Staaten an. Außerdem würde im Zuge des Wiederaufbaus in den zerstörten Kriegsgebieten moderne Industrieanlagen und Infrastrukturen als zuvor entstehen. Dies wiege natürlich die Verwerflichkeit des Krieges an sich nicht auf und prinzipiell müsse jeder moralische Mensch gegen den Krieg sein. Doch zumindest würden die Wirtschaft und nachfolgende Generationen davon profitieren.
Auf den ersten Blick scheint diese Argumentation einiges für sich zu haben. Die zur bedingungslosen Kapitulation gebombten Deutschen und Japaner stiegen binnen weniger Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg zu führenden Industrienationen auf, sodass der Zirkelschluss einer reinigenden Zerstörung nahe liegt. Tatsächlich handelt es sich aber um einen Trugschluss, wie nachfolgend erläutert werden soll.
Auslöser dieses Artikels ist ein bemerkenswerter Kommentar des derzeit wohl bekanntesten Ökonomen Paul Krugman. In einem CNN-Interview (leider wurden die Aufzeichnungen von Youtube gelöscht) ließ er folgendes Bonmot fallen:
"If we discovered that, you know, space aliens were planning to attack and we needed a massive buildup to counter the space alien threat and really inflation and budget deficits took secondary place to that, this slump would be over in 18 months"Dabei bezog er sich auf eine Episode der Science-Fiction-Serie "Twilight Zone", bei der eine simulierte außerirdische Bedrohung den Weltfrieden herstellte. Mit gleichen Mitteln, so Krugman, könnte man die Globale Wirtschaftskrise lösen. Schließlich habe beispielsweise der Zweite Weltkrieg die "Great Depression" beendet.
Auch dies mag einleuchtend klingen: Gemeinsame Anstrengungen gegen einen existenzbedrohenden Feind - gleich ob fremde Armeen, reale oder imaginäre außerirdische Invasoren - schweißen eine Volksgemeinschaft zusammen und führen dazu, dass persönliche Belange sekundär sind. Wichtig ist einzig und allein, sich der Bedrohung entgegenzustellen und die hierfür nötigen Produkte - Waffen, Nahrung, Transportmittel, Infrastruktur, etc. - in möglichst rascher Zeit herzustellen. Petitessen wie Hyperinflation, Budgetdefizite oder individuelle Freiheiten verschwinden hinter derlei Anstrengungen.
Um Paul Krugmans Äußerungen in den richtigen Kontext setzen und verstehen zu können, muss man wissen, dass er Anhänger des Keynesianismus ist. Westliche Wohlfahrtsstaaten haben sich seit Jahrzehnten den wirtschaftstheoretischen Ideen des Keynesianismus verschrieben, der (sehr kurz) zusammengefasst davon ausgeht, dass der Staat die Wirtschaft und die Märkte eines Landes regulieren und lenken müsse. Hoher Arbeitslosigkeit oder mangelnder Nachfrage solle der Staat durch entsprechende Programme entgegenwirken. Die Folgen dieser Politik sind heute klarer denn je zu sehen: Der Wohltahrtsstaat ist schlichtweg unfinanzierbar geworden, da er einzig und allein auf Anhäufung von Schulden basiert. Dies mag ein paar Jahre lang gut gehen, jedoch nicht auf Dauer. Das angebliche Versagen der "Freien Märkte" (die es in Wahrheit nicht gibt) ist der Regulierung durch den Staat geschuldet. Die US-Immobilienkrise platzte, da US-Banken verpflichtet wurden, selbst einkommensschwachen Schichten Kredite zu gewähren. Eine für den Staat typische, auf kurzfristige kosmetische Resultate abzielende Maßnahme, die unter der Clinton-Regierung für eine künstlich herbeigeführte "boomende" Wirtschaft sorgte. Vereinfacht ausgedrückt: Das Essen im Restaurant mag noch so köstlich sein, irgendwann muss irgendjemand die Rechnung begleichen.
Krugman, immerhin Wirtschaftsnobelpreisträger, ist Etatist reinster Güte. Selbstverständlich - weshalb sonst würde man ihn hofieren, mit Auszeichnungen überhäufen und als bedeutenden Wirtschaftstheoretiker feiern, obwohl seine Standpunkte gleichermaßen antiquiert wie falsch sind? Gerade seine gegenständlichen Äußerungen zeugen von ideologischer Blindheit.
Zur näheren Erläuterung seiner Fehlschlüsse sei auf die so genannte "broken window fallacy" des liberalen französischen Ökonomen Frédéric Bastiat hingewiesen, die auf Wikipedia hinreichend zusammengefasst wird. Lassen Sie uns aber Krugmans Ansichten von einer breiteren Perspektive aus betrachten und auf die Frage eingehen, ob die Zerstörungen durch Kriege zumindest wirtschaftlich etwas Gutes bewirken.
Der Mythos des die Wirtschafts ankurbelnden Krieges geht davon aus, dass ein zerstörtes Objekt durch ein neues ersetzt wird und somit im Endeffekt kein Schaden entsteht. Die praktisch dem Erdboden gleichgemachten Industriegebiete Deutschlands wurden dank der US-Kredite aus dem Marshallplan wiederaufgebaut, moderner als zuvor, und führten in weiterer Folge zum angeblichen "Wirtschaftswunder". Worin bestand somit der wirtschaftliche Schaden abseits der Millionen an Kriegstoten, Verstümmelten und Vertriebenen? Ganz einfach: Der im Laufe von Generationen mühsam erworbene Wohlstand wurde binnen weniger Jahre völlig pulverisiert.
Gestatten Sie mir ein unrealistisches, aber hoffentlich anschauliches Beispiel hierzu. Nehmen wir an, über Generationen hinweg wurde ein Bauernhof errichtet, ausgebaut und ständig erneuert. Anstatt die Hofübergabe auf konventionelle Weise vorzunehmen, werden die Tiere geschlachtet, die Felder verbrannt und die Wohn- und Wirtschaftsgebäude abgerissen. Aus Sicht der Wirtschaftstreibenden der umliegenden Gebiete ein profitables Geschäft: Der neue Hofbesitzer muss die Gebäude neu errichten, frisches Vieh, neue Geräte, etc. erwerben. Freilich bedeutet dies für den Eigentümer einen enormen wirtschaftlichen Schaden, der durch die "Ankurbelung der Wirtschaft" umliegender Unternehmer nicht annähernd ausgeglichen wird. Denn: Bei korrekter Hofübergabe hätte er seinen Besitz weitaus gewinnbringender für die Gesellschaft verwerten können. Seine Ertragsausfälle fehlen am Markt. Außerdem ist er enorm verschuldet, wodurch er Investitionen, die er unter der Annahme eines unversehrten Landwirtschaftsbetriebes vorgenommen hätte, nicht tätigen kann. Er kann keine weiteren Arbeitnehmer einstellen, er muss mit einer kleineren Melkanlage das Auslangen finden, anstatt in eine größere zu investieren, er wird auf Jahre hinweg eisern sparen müssen, anstatt sich etwas gönnen zu können, wie ein teures Auto oder einen modernen Fernseher.
Wie falsch Krugmans Aussagen sind, lässt sich an der wirtschaftlichen Situation der USA selbst beobachten. Der außerhalb des Kontinents geführte "War on Terror" verschlang bereits Billionen an Dollar, was einerseits mittels Schuldenpolitik, andererseits mit moderater Inflation beglichen wird. Die Kosten bezahlen stets die Arbeitnehmer und produktiven Unternehmen des Landes. Allerdings ist dies nur eine Seite der Medaille, wohingegen jene der unsichtbaren Folgen gar nicht erst ins Kalkül einberechnet werden kann. Der Grund hierfür liegt, wie bei vorangegangenem Beispiel darin, dass die nicht getätigten Investitionen oder Handlungen logischerweise unberücksichtigt bleiben müssen. Lassen Sie mich auch hierzu ein Beispiel zur Erläuterung heranziehen: Jeden Tag werden wir medial mit den angeblich großartigen Errungenschaften der Politik beglückt. Seien es "Investitionen in die Zukunft" wie Bauprojekte oder Subventionen für Solarenergieerzeuger, seien es Erhöhungen des Kindergeldes oder womit immer sich Politiker jeglicher Coleur gerne in der Öffentlichkeit schmücken. Für die Nutznießer solcher Umverteilungsmaßnahmen stellt dies gewiss einen Grund zur Freude dar. Hierbei wird aber geflissentlich übersehen, dass der Staat an sich keinen Cent an Vermögen besitzt. Ein Bundeshaushalt etwa wird auf der Grundlage der Annahme beschlossen, Millionen Untertanen zu besteuern. Verbleibt für viele Arbeitnehmer nach Abzug von Steuern, Inflation sowie Konsumsteuern und sonstigen Abgaben kaum noch die Hälfte des erarbeiteten Einkommens, so stellt sich natürlich gar nicht erst die Frage, wohin die Zwangsabgaben bei eigener Entscheidungsgewalt darüber geflossen wären. In Aktien investiert? Ein neues Auto gekauft? Aufs Sparbuch gelegt? Beim Shoppen verjubelt? Karitativen Einrichtungen gespendet? Diese Überlegungen sind obsolet, weil sie nur rein spekulativ bleiben können. Sie zählen aber zu den unsichtbaren Folgen politischen Handelns.
Selbstverständlich existieren Kriegsgewinner zuhauf, insbesondere die Rüstungskonzerne, die natürlich Interesse daran haben, permanente Bedrohungen von außen aufrecht zu erhalten. Speziell im Falle der USA ist die Verquickung aus Politik und Rüstungsindustrie unverkennbar, was logischerweise zu dem führt, was man so schön als "Interessenskonflikte" umschreibt. Ein Richter, der mit der Angeklagten verheiratet ist, gilt aus nachvollziehbaren Gründen als befangen. Gleiches gilt für die Politik, die stets ihre Eigeninteressen zu wahren weiß. Die vielbeschworene "Politik für den kleinen Mann von der Straße" ist nicht mehr als ein hübsches Schlagwort. Nicht nur deshalb, weil der Staat auf der Ausübung von Gewalt, Zwang und Androhung von Gewalt basiert, sondern auch auf Grund der allzu menschlichen Natur seiner Verwalter. Man kann das anderen Menschen abgepresste Geld nicht nach objektiven Maßstäben umverteilen oder sie an eigenen moralischen Maßstäben gemessen zu ihrem Glücke zwingen.
Seit Jahrtausenden befinden sich ganze Völker in der Geiselhaft "ihrer" Herrscher. Ob diese gewählt wurden oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Sie sind es, die bei Kriegen den Kopf hinhalten und mit ihrem sowie dem Vermögen ihrer Kinder haften müssen. Die Gewinner selbst riskieren nichts - sie sind in der Politik und der untrennbar mit ihnen verbundenen Profiteuren kriegerischer Handlungen zu finden. Es darf deshalb nicht verwundern, wenn unablässig neue Bedrohungen für die Untertanen konstruiert werden: Vorgestern die Feinde des Kaiserreichs, gestern der Russe, heute der Terrorist, morgen vielleicht wieder der Russe. Ohne akute oder zumindest vage Bedrohungsszenarien wären militärische Investitionen kaum zu verantworten. Wenn also oftmals die Frage aufgeworfen wird: "Warum gibt es Krieg?", so lautet die Antwort: "Weil es Menschen gibt, die davon profitieren".
Daran gibt es nichts zu rütteln. Aber zumindest können wir der Wahrheit ins Auge blicken und Lügen und ideologische Propaganda als solche bezeichnen, alsbald wir ihrer angesichtig werden, wie es hierbei der Fall ist. Kriege sind nicht bloß menschliche Katastrophen, sondern vernichten zudem die Lebensgrundlagen, aufgebauten Vermögen und künftigen Vermögen zahlloser Staatsbürger. Auf einem ganz anderen Blatt steht freilich die Frage, wie es immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommen kann. Auch darauf gibt es eine höchst simple Antwort: Die Bereitstellung der hierfür nötigen Ressourcen kann nur in einem straff organisierten Staatswesen erfolgen, was natürlich die Heilige Kuh "Staat" in Frage stellte. An dieser Stelle sollten wir unsere Überlegungen deshalb abbrechen. Man will sich ja nicht versündigen...