Umstritten und Interessant - Kurt von Schleicher

Er hatte möglicherweise den Schlüssel für die Entwicklung Deutschlands zur Jahreswende 1932/33 in der Hand. Sollte es so gewesen sein, dann hat er versagt. Dafür bezahlte er am 30.6.1934, in der "Nacht der langen Messer", mit seinem Leben.

Wie soll man seine politische Funktion bezeichnen - "letzter Reichskanzler der Weimarer Republik"? Falsch, denn Hitler war ja auf Grund der Reichsverfassung der Republik ernannt worden. "Letzter demokratischer Kanzler" - na ja, auch Schleicher ging ja nicht aus einer parlamentarischen Mehrheit hervor, er ist ja am Parlament vorbei vom Reichspräsidenten Hindenburg ernannt worden.

Wenigen ist heute bewußt, dass die Situation der Weimarer Republik zum Jahreswechsel 1932/33 nicht nur aus Risiken bestand : eine Abschwächung der Wirtschaftskrise war in Sichtweite und die NSDAP, großer Sieger der Reichstagswahlen im Juli 1932, befand sich in großen Schwierigkeiten.

Bei den erneuten Wahlen im November 1932 hatte sie Stimmen eingebüßt, zur Jahreswende befand sie sich in einer großen Finanzkrise. Viele politische Beobachter gingen somit zur Jahreswende davon aus, dass sich der "faschistische Spuk" bald erledigen würde.

Der Druck der Straße, besonders der Massenbasis der NSDAP, blieb natürlich enorm, auch im Umfeld des greisen Präsidenten Hindenburg gab es immer wieder Stimmen, die eine Regierungsbeteiligung der NSDAP forderten. In seiner kurzen Amtszeit, die kaum drei Monate währte, versuchte Schleicher alles, um eine Regierungsbeteiligung der Nazis zu verhindern. Dabei wollte er eine sogenannte "Querfront" installieren, die von den Gewerkschaften über Teile der Sozialdemokratie bis zum scheinbar "linken Flügel" der NSDAP reichen sollte. Die Bereitschaft zur Mitwirkung war jedoch in der SPD und den Gewerkschaften sehr begrenzt. Dass es im Falle eines Erfolges zu einer Spaltung der NSDAP gekommen wäre, nahmen ihm die neuen Herren des "Dritten Reiches" sehr übel.

Die Intrigen der politischen Klasse nach dem 28. Januar 1933, dem Rücktrittsdatum Schleichers, die zur Ernennung Hitlers zum Reichskanzler führten, wurden über Jahre hinweg mit einem angeblichen Putschplan Schleichers und der Reichswehr begründet. Dieser Plan wurde jedoch nie nachgewiesen. Allerdings sollte man auch nicht glauben, von Schleicher hätte große Probleme gehabt, gegen Institutionen der ersten deutschen Republik zu putschen - ein "lupenreiner Demokrat" war er bestimmt nicht.

Schleichers Schicksal erinnert uns an die Versäumnisse der deutschen Geschichte : zwei Tage nach seiner Demission wird Adolf Hitler Reichskanzler - Vorstellungen konservativer Kreise, die Nazis dadurch zu "domestizieren" schlagen gründlich fehl. Der Reichspräsident hat danach kaum noch die Möglichkeit, die Verfassung durchzusetzen. Auch die Gewerkschaften und die SPD haben sicherlich darüber nachgedacht, ob eine Unterstützung der "Querfront" keine Alternative zur braunen Barbarei gewesen wäre. Aber : hinterher ist man immer klüger - dieses "hinterher" war aber erst nach 12 Jahren!

Grab Kurt von Schleichers auf dem Parkfriedhof Lichterfelde

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